Wie die Corona-App besser werden soll
Viel ist von den Nachteilen des Smartphone-Warnprogramms die Rede. Doch ein Misserfolg sieht anders aus. An den Schwächen wird gearbeitet – etwa mit häufigerer Aktualisierung und freundlichen Erinnerungen.
Was bringt die Corona-Warn-App? Seit fünf Monaten ist die Handy-Anwendung in Deutschland mittlerweile verfügbar. Für die pensionierte Schulleiterin Ursula Dierkes aus Essen zum Beispiel ist der Vorteil klar: „Zweimal wurde ich gewarnt, ich könnte ein Risiko haben. Dann habe ich meine 93-jährige Mutter jeweils zwei Wochen lang nicht besucht, um sie zu schützen. Und ich traf weniger andere Leute.“Falls die Corona-App dagegen signalisieren würde, es gebe ein hohes Risiko, weil sie einem Infizierten relativ lange nahe gekommen sei, wäre für die 66-Jährige die Konsequenz klar: „Dann mache ich einen Test.“
Ein knappes halbes Jahr nach dem Start der Corona-App in Deutschland ist die Bilanz trotz aller Kritik positiv. Allerdings gibt es noch einiges Potenzial zur Verbesserung. „Wir sind auf einem guten Wege“, sagt Gesundheitsexperte Karl Lauterbach von der SPD-Bundestagsfraktion. „Die App ist eine wertvolle Ergänzung zur Arbeit der Gesundheitsämter“, hielten am Montag die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin fest. Tatsächlich wurde die Corona-App auf 22,4 Millionen Smartphones geladen – in keinem anderen Land hat eine Anti-Corona-Software so viel Anklang gefunden. Pro Tag kommen rund 60.000 neue Anmeldungen hinzu, das wären pro Monat rund 1,8 Millionen neue Teilnehmer. „Die App ist wichtiger Teil des Kampfs gegen Corona“, sagt deshalb Telekom-Chef Tim Höttges, dessen Konzern die App mit dem Softwaregiganten SAP enwickelte. „Das ist die erfolgreichste Corona-App der Welt.“
Ein Scheitern sieht in der Tat anders aus. Unverkennbare Schwächen allerdings gibt es auch. Der Bund lässt die Software nun weiterentwickeln, um diese Nachteile auszugleichen.
Testlabor-Verknüpfung Nach viel Kritik hat der Staat dafür gesorgt, dass rund 90 Prozent der Corona-Testlabore mit der App verknüpft sind. Nutzer erfahren viel schneller, wenn sie positiv getestet wurden. Allein in der vergangenen Woche wurden auf diese Weise 500.000 Testergebnisse zur Verfügung gestellt.
Drängelfunktion Ein großes Problem ist: Viele Bürger installieren zwar die App und sind froh, dass sie so erfahren, dass sie möglicherweise einem Covid-19-Infizierten zu nahe gekommen sind. Aber von den bisher rund 100.000 Menschen, die die App nutzen und positiv auf Corona getestet worden sind, haben nur 57.000 diese Information auch in die App eingegeben. „Das ist sehr schade“, meint Lauterbach. Der Bund baut nun in die App eine Erinnerungsfunktion ein, mit der Nutzer mehrfach daran erinnert werden, ein positives Testergebnis in die App einzugeben. „Das sollte man anders machen“, sagt Lauterbach, „die Infos über ein positives Testergebnis sollten automatisch übertragen werden, sofern der Nutzer dem nicht widerspricht.“Die Bundesregierung zögert, einen Automatismus vorzusehen, um die Nutzer nicht zu verschrecken.
Schnellere Warnung Bisher erhielt die App nur einmal am Tag ein Update über ein mögliches Infektionsrisiko, jetzt soll es diese Information mehrfach am Tag geben. Zum Verständnis: Jede Corona-App versendet laufend über die Funktechnik Bluetooth an Smartphones in der Umgebung anonyme Zufallscodes, die in den anderen Geräten gespeichert werden. Sofern nun ein Nutzer in seine App eingibt, dass er sich infiziert hat, erhält ein zentraler Rechner eine Liste der von diesem Gerät versandten Zahlencodes der vergangenen 14 Tage und verschickt sie dann. Anhand dieser Codeliste können alle anderen Smartphones erkennen, ob es eine Risikobegegnung gab und wie intensiv sie war. Daraus ergeben sich dann die Warnungen.
Mehr Nutzerwerbung Weil mittlerweile fast ein Fünftel der Bevölkerung die Corona-Warn-App nutzt und weil die Zahl der Corona-Fälle steigt, bringt die Verwendung der App viel mehr Nutzen als zum Start. „Je mehr Menschen die App installiert haben, umso größer ist der gemeinsame Vorteil“, sagt Achim Berg, Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom. „Das kann ein sich selbst verstärkender Trend sein.“Die Bundesregierung reagiert, indem sie die App offensiv in ihre Werbekampagne zum Einhalten der Corona-Hygieneregeln integriert.
Einen weiteren Vorschlag macht Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds: Weil rund 15 Prozent der Bürger so alte Handys haben, dass sie die Corona-App nur schwer nutzen können, sollte nach seiner Ansicht der Staat den Kauf moderner Geräte unterstützen: „Denkbar wäre, dass es von staatlicher Seite einen finanziellen Zuschuss für den Umtausch älterer Geräte gegen neuere Smartphones gibt. Dieser Zuschuss sollte begrenzt sein, aber einen zusätzlichen Anreiz darstellen, um Bürgerinnen und Bürger zur Anschaffung eines Smartphones der neueren Generation zu motivieren.“SPD-Mann Lauterbach findet das vernünftig: „Ein solches Förderprogramm für Smartphones sollte man überlegen. Je mehr Menschen die App nutzen, umso besser.“Vodafone erklärt, einen solchen Gerätetausch zu unterstützen, geeignete Smartphones gebe es für unter 150 Euro. „Das könnte ein wichtiger Beitrag zur Digitalisierung in Deutschland sein.“
App-Aufwertung Damit die App an Beliebtheit gewinnt, haben Google und Apple die Bluetooth-Messstelle weiterentwickelt, um genauere Warnungen zu erlauben. Als Teil der App sollen Nutzer Informationen zum Infektionsverlauf in Deutschland erfahren. Das Angebot eines Kontakttagebuchs in der App wird geprüft. „Das kann die Motivation erhöhen, die App zu nutzen“, erklärt das Bundesgesundheitsministerium.
Internationalisierung Mit Unterstützung der Europäischen Union steht die App inzwischen im Austausch mit den Versionen aus Irland, Italien, Lettland, Spanien, Ungarn und Dänemark. Bis Ende des Jahres kommen unter anderem Polen, Belgien, die Niederlande oder Zypern hinzu.