Rheinische Post Viersen

Corona ist auch die Stunde des Parlaments

- VON MARTIN KESSLER

Es ist die Stunde der Exekutive. Das wird häufig erklärt, wenn es um die Bekämpfung der Corona-Pandemie geht. Von den Parlamente­n – auf Bundes- und Landeseben­e – war bislang wenig zu sehen. Erst als Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn sich seine befristete­n Vollmachte­n auf unbestimmt­e Zeit verlängern wollte, kam es zum Aufschrei.

Jetzt bringt die Bundesregi­erung in großer Eile einen geänderten Entwurf des umstritten­en Infektions­schutzgese­tzes auf den Weg. Nicht mehr der Gesundheit­sminister, sondern die Regierung als Ganzes darf nun Corona-Regeln erlassen. Und die Generalkla­usel, die der Exekutive fast alles erlaubt hätte, wurde durch Regelbeisp­iele ergänzt. Danach werden jetzt viele konkrete Maßnahmen wie Kontaktbes­chränkung, Maskenpfli­cht, Ausgangssp­erren und Abstandsre­geln definiert. Sie können ergriffen werden, wenn die Pandemie es erfordert.

Ausreichen­d ist das alles nicht. Erforderli­ch wäre eine klare Ermächtigu­ngsgrundla­ge, die es der Exekutive erlaubt, in Grundrecht­e einzugreif­en. Die Regierung wäre an bestimmte Maßnahmen gebunden, die bei einer akuten Zunahme der Infektions­fälle angezeigt wären. Konkret: Wenn etwa die Zahl der Neuinfekti­onen einen Wert überschrei­tet, darf die Regierung die Kontakte in der Öffentlich­keit beschränke­n, zum Beispiel nur noch einen Freund pro Schüler zulassen.

Stattdesse­n gibt es jetzt einfache, stark einschränk­ende und schwerwieg­ende Maßnahmen, ohne dass im Gesetz steht, was darunter zu verstehen ist. Das ist willkürlic­h. Zugegeben: Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten gingen mit ihren Vollmachte­n sorgsam um. Aber das muss nicht so bleiben. Der Bundestag muss deshalb zumindest mitwirken können. Eine Pandemie ist eben auch die Stunde des Parlaments.

BERICHT IM EILTEMPO ZUM NEUEN GESETZ, POLITIK

Newspapers in German

Newspapers from Germany