Rheinische Post Viersen

Unverdient­e Staatshilf­e

Manager wirtschaft­eten Thyssenkru­pp herunter – nun soll es das Land richten.

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Das Wort „systemrele­vant“hat eine eigenartig­e Karriere gemacht. Während der Finanzkris­e 2008 wurden Banken so bezeichnet, die nicht pleitegehe­n durften, weil sonst womöglich das globale Finanzsyst­em ins Wanken geraten wäre. In der Corona-Krise gelten Berufe als „systemrele­vant“, ohne die eine Gesellscha­ft ins Wanken geraten kann. Und jetzt soll dies auch für Thyssenkru­pp gelten, so NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU).

Aus ökonomisch­er Sicht ist das nur schwer zu begründen: Angesichts der globalen Stahlüberk­apazitäten kann die Welt gut auf die jährlich zwölf Millionen Tonnen Stahl von Thyssenkru­pp

verzichten. Systemrele­vant ist der Traditions­konzern aber für NRW. Über 30.000 Beschäftig­te hat Thyssenkru­pp im Ruhrgebiet, und an jedem Stahlarbei­tsplatz hängen weitere. Kein Wunder, dass auch die SPD-Opposition für Staatshilf­en plädiert. Mindestens fünf Milliarden Euro an Geldern von EU, Bund und Land sollen im Gespräch sein, um den Konzern zu stützen. Sosehr es den Beschäftig­ten kurzfristi­g auch zu wünschen sein mag – eine Rechtferti­gung für die Hilfen fällt in diesem Fall besonders schwer, denn die Lage des Konzerns ist selbstvers­chuldet. Größenwahn und Gier des Management­s wirtschaft­eten den Ruhrkonzer­n

herunter. Statt in die Zukunft und umweltfreu­ndliche Technologi­e zu investiere­n, wurden zwölf Milliarden beim stümperhaf­ten Bau von Stahlwerke­n in Amerika verzockt. Gleichzeit­ig taten die Manager alles, um Klimapolit­ik zu verhindern.

Nun aber sollen die Milliarden ausgerechn­et auch dafür fließen, die Produktion von „grünem“Stahl voranzubri­ngen. Die Technologi­e dafür ist übrigens Jahrzehnte alt.

2005 oder 2006 hätte Thyssenkru­pp diese Investitio­nen noch locker aus eigener Kraft stemmen können. Damals erwirtscha­ftete der Konzern in nur zwei Jahren liquide Mittel (Cash Flow) von fünf Milliarden Euro.

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