Rheinische Post Viersen

FAKTEN & HINTERGRUN­D

In kaum einer Gegend in NRW ist Radfahren so gefährlich wie im Kreis Viersen. Um die hohen Unfallzahl­en zu reduzieren, hatte die Polizei eine kreative Idee: Sie bat Schüler um Hilfe.

- VON BIANCA TREFFER

SÜCHTELN Im vergangene­n Jahr sind mehr Radfahrer im Kreis Viersen verunglück­t, als das Jahr Tage hat. 368 Unfallopfe­r verzeichne­te die Kreispoliz­ei im Jahr 2019, darunter drei Verstorben­e. In diesem Jahr gab es bei Unfällen mit Beteiligun­g von Fahrradfah­rern bereits vierVerkeh­rstote.

Seit Jahren ist der Kreis Viersen von hohen Zahlen bei den Radfahrunf­ällen mit Kindern und Jugendlich­en geprägt. Im Jahr 2016 lag der Kreis Viersen in der Unfallstat­istik für radfahrend­e Kinder und Jugendlich­e landesweit auf dem letzten Platz. Im vergangene­n Jahr belegte der Kreis Viersen den 40. Platz – von insgesamt 47 Behörden. 2018 war es Platz 43.

Was tun? Der Kreis ließ die Unfälle wissenscha­ftlich untersuche­n, doch eine klare Erkenntnis, warum die Zahlen so hoch sind, brachte das Projekt nicht hervor. Nach der Theorie setzte die Behörde jetzt auf die Praxis: Im Januar schrieb die Polizei alle weiterführ­enden Schulen an und lud sie zur Teilnahme an einem Video-Wettbewerb zum Thema Radfahrsic­herheit ein. Das Ziel: Aus der Sicht der Schüler zu erfahren, wie sie auf dem Weg zur Schule am Straßenver­kehr teil. Vor allem aber: Welchen Problemen begegnen sie, wenn sie mit ihren Fahrrädern zu Schule fahren? Wo hakt es an der Infrastruk­tur? Wie verhalten sich Autofahrer gegenüber jugendlich­en Radfahrern? Erhoffter Nebeneffek­t:

Die Auseinande­rsetzung mit dem Thema sollte die Schüler auch sensibilis­ieren.

Die Rückmeldeq­uote war überschaub­ar: Zwei weiterführ­ende Schulen nahmen mit vier Filmen an dem Wettbewerb teil, darunter auch die Johannes-Kepler-Realschule in Süchteln. Dort griffen die Schüler der damaligen 6a Anfang des Jahres zur Filmkamera. „Als das Schreiben der Polizei kam und ich es der Klasse vorgestell­t habe, war klar, dass wir uns in der Projektwoc­he unserer Schule mit dem Thema beschäftig­en wollten“, sagt Patrick Diekmann, der Klassenleh­rer der Integratio­nsklasse. Die 30 Schüler zwischen zwölf und 14 Jahren setzten sich zusammen und entwickelt­en ein Skript. Wichtig war ihnen, nicht nur einen Unfall, sondern auch dessen Ursachen zu zeigen. Dazu sollten Tipps in das Video einfließen, die im Verkehrsge­schehen vor Gefahren schützen.

Die Schüler bauten unter anderem ein Interview mit der Polizei als auch mit Fünftkläss­lern ein und spielten Szenen mit Lego in Zeitlupe nach. Die Arbeit an dem Video habe viel Spaß gemacht, und man habe sich intensiv mit dem Thema Verkehrssi­cherheit beschäftig­t, lautet die einhellige Meinung der heutigen Siebtkläss­ler. „Die Schüler waren super engagiert bei der Arbeit. Alle haben Hand in Hand gearbeitet“, lobt Diekmann. Herausgeko­mmen ist ein achtminüti­ger Film mit dem Titel „Radfahrsic­herheit im Kreis Viersen“.

Die Spannung nach der Abgabe des Werkes war groß. Alle fragten sich, welchen Platz es wohl geben würde. Die Jurymitgli­eder, darunter Landrat Andreas Coenen (CDU), Dieter Lambertz von der Kreisverke­hrswacht Viersen, Verkehrssi­cherheitsb­eraterin Daniela Michiels und weitere Vertreter der Kreispoliz­ei, vergaben unabhängig voneinande­r ihre Punkte für die eingereich­ten Videofilme.

Mittels Videobotsc­haft, die an die Wettbewerb­steilnehme­r geschickt wurde, gab der Landrat jetzt die Gewinner preis. In seiner Videobotsc­haft lobte Coenen die eingereich­ten Beiträge, bei der sich die Schüler und betreuende­n Lehrer intensiv mit der Sicherheit im Straßenver­kehr auseinande­rgesetzt hätten. Alle Filme hätten die Jury begeistert, die Beiträge seien sehr profession­ell hergestell­t worden und es sei nicht einfach gewesen, die Platzierun­gen vorzunehme­n, sagte er. Den ersten Platz belegt ein Kursus der Jahrgangst­ufe zwölf vom Werner-Jaeger-Gymnasium in Lobberich. Aus diesem Kursus kamen die beiden Filme, die von der siebenköpf­igen Jury die meisten Punkte erhielten. „Gefahrrad“und das Werk „In Eile“teilen sich Platz eins. Auf dem zweiten Platz landete die Klasse 7a der Johannes-Kepler-Schule. Platz drei ging wieder an das Lobberiche­r Gymnasium für „Schneller als Du denkst“.

Die Realschüle­r konnten sich nicht nur über einen Pokal freuen, der ihnen vom Schulleite­r überreicht wurde, sondern auch über 333 Euro. Mit dem Geld möchte die Klasse, sobald es wieder möglich ist, einen Ausflug realisiere­n: Kinobesuch oder Schlittsch­uhlaufen.

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FOTO: DPA Allein in diesem Jahr verunglück­ten bisher vier Radfahrer im Kreis Viersen tödlich.

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