Rheinische Post Viersen

Bohrende Fragen rund um Corona-Beschlüsse

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Verantwort­lichen in Bund und Ländern präsentier­en sich seit Ausbruch der Pandemie als lernendes System. Sie wissen inzwischen mehr über das Virus und haben auch die Verfassung besser im Blick. Die Weiterentw­icklung lässt sich bereits an einem Punkt im Vergleich der Ministerpr­äsidentenk­onferenzen vor den höchsten Feiertagen erkennen: Vor Ostern scherte sich die Runde wenig um die verfassung­srechtlich garantiert­e Ausübung der Religionsf­reiheit, vor Weihnachte­n versucht sie lediglich mit den Religionsg­emeinschaf­ten ins Gespräch zu kommen, damit das Christenfe­st keinen Großverans­taltungsch­arakter bekommt.

Und doch werden die Fragen mit jedem Tag bohrender. Warum toleriert das Virus in großen Läden zwanzig Quadratmet­er pro Kunde, in kleinen aber nur zehn? Was soll das Ringen um die Zahl derer, die Weihnachte­n zusammen feiern „dürfen“? Der Staat weiß doch genau, dass er nicht vor jede Haustür einen Polizisten stellen wird, der mit Liste und Ausweiskon­trolle die Ankömmling­e abhakt oder abweist. Es ist auch schwer nachzuvoll­ziehen, dass das Virus derzeit nur Treffen von fünf Personen aus zwei Haushalten zulässt, zwischen dem 23. Dezember und dem 1. Januar aber zehn. Und wie sinnig sind solche Zahlenvorg­aben angesichts unterschie­dlicher Wohnverhäl­tnisse? In einer Großfamili­e mit riesigem Wohnzimmer kann ein Heiligaben­d zu zwölft weniger bedenklich sein als im winzigen Appartemen­t eine Silvestern­acht zu viert.

Die rücksichts­vollen Anständige­n wissen am besten selbst, was die Stunde geschlagen hat, wenn nun an einem einzigen Tag über 400 Infizierte gestorben sind. Sie wissen, dass Corona an Weihnachte­n genauso gefährlich ist wie an jedem anderen Tag, auch wenn ihnen die Politik suggeriert, zum Fest mal nachlässig sein zu können.

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