„Beim ersten Atemzug haben wir gejubelt“
Im Duisburger Zoo ist ein Delfin geboren worden. Tierpfleger Roland Edler war dabei. Er spricht über die Bedeutung des Artenschutzes – und die Kritik von Tierschützern.
DUISBURG Roland Edler arbeitet seit 37 Jahren im Zoo Duisburg und kümmert sich dort mit zwei Kollegen um acht Delfine. Sechs wurden im Duisburger Zoo geboren und für Edler sind die Tiere wie Familienmitglieder, wie er sagt. „Auch wenn die Professionalität immer im Vordergrund steht“, betont der 53-Jährige. Das jüngste Familienmitglied ist jetzt zwei Monate alt.
Herr Edler, wie geht es dem kleinen Delfin? Hat er schon einen Namen? EDLER Es geht ihm gut. Das Jungtier ist weiblich, hat aber noch keinen Namen. Alle in Duisburg geborenen Delfine haben Namen, die mit „D“beginnen, Dörte und Debbie zum Beispiel. Wir Pfleger beratschlagen noch. Das Jungtier spielt viel mit seiner Mutter Delphi, sie schmusen auch viel. So allmählich bringt sie ihm schon die Delfinsprache bei.
Was beobachten Sie da genau? EDLER Delphi sendet Sonartöne in Richtung ihres Jungtieres und zeigt ihm dann, dass man wegschwimmt. Wenn erwachsene Delfine ihr Sonar auf diese Weise einsetzen, ist es als Drohung zu verstehen. Die Kleine lernt also, wie sie sich im Umgang mit Artgenossen verhalten soll. Es wird aber auch viel Blödsinn gemacht: Delphi zeigt ihrer Tochter, wie man Luftringe unter Wasser erzeugt – ein Spielverhalten, das sie sehr gerne macht. Aktuell hat das Jungtier auch seine Zunge entdeckt und streckt sie ständig raus.
Waren Sie bei der Geburt dabei?
EDLER Ja. Das ist immer ein sehr bewegendes Erlebnis. Ich war schon bei der Geburt von Delphi dabei und habe ihr Aufwachsen begleitet. Für sie bin ich ein langjähriger Vertrauter. Dass sie nun erneut ein Jungtier aufzieht, macht es natürlich noch besonderer. Sie ist schon zum vierten Mal Mutter geworden.
Waren Sie nervös?
EDLER Ehrlich gesagt, ja. In unserem Unterwasserbüro konnten wir live dabei sein. Man fiebert mit und drückt die Daumen. Beim ersten Atemzug jubelt man und freut sich natürlich wahnsinnig. Wie für Delfine üblich, wurde Delphis Jungtier mit der Fluke, also der Schwanzflosse, voran geboren. Anfangs noch weich und biegsam wird die Fluke fest, sobald sie mit Wasser in Kontakt kommt. Damit hat der kleine Delfin dann den nötigen Auftrieb, um an der Wasseroberfläche den ersten Atemzug zu machen.
Ausruhen geht also erstmal nicht? EDLER Nein, junge Delfine müssen gleich nach der Geburt aktiv schwimmen – sie starten von null auf 100. Ihr Stoffwechsel ist direkt nach der Geburt durch das permanente Schwimmen stark belastet. Kommt es in den ersten Lebenswochen zu Stoffwechselproblemen, kann das dramatische Folgen haben. Das Problem ist, dass es hierfür kaum Anzeichen gibt, die wir erkennen könnten. Ein zweiter, wichtiger Punkt ist, dass Delfine ohne Immunsystem auf die Welt kommen. Antikörper bekommen neugeborene Delfine daher ausschließlich über die Muttermilch, bis das eigene Immunsystem ausgebildet ist.
Ist es schwer, Delfine zu züchten? EDLER Noch vor Jahrzehnten galt es als nahezu unmöglich, Delfine, Breitmaulnashörner, Mähnenwölfe oder Papageientaucher zu züchten. Aber im Laufe der Zeit ist unser Wissen gewachsen, und auch diese Arten bekommen in Zoologischen Gärten Nachwuchs. Bei der Pflege und Haltung von Großen Tümmlern gibt es viel zu beachten. Dazu gehören eine arttypische Ernährung sowie das tägliche Training. Beides ist individuell auf jedes einzelne Tier abgestimmt.
Die Seelöwen im Kölner Zoo machen Tauschgeschäfte mit ihren Pflegern, kennen Sie das auch? EDLER Ja, wir haben den Delfinen beigebracht, Dinge aufzusammeln, die nicht in die Anlage gehören. Sie sind sehr aufmerksam und merken das sofort. Manchmal vergisst zum Beispiel ein Taucher eine Bürste, mit der er das Becken gereinigt hat. Sowas schnappen sich die Delfine, schwimmen damit zum Unterwasserbüro und zeigen es uns. Wir tauschen dann einen Fisch gegen die Bürste ein.
Tierschützer kritisieren die Haltung von Delfinen in Zoos. Was entgegnen Sie ihnen?
EDLER Untersuchungen externer Spezialisten haben ergeben, dass sich unsere Tiere im Vergleich mit Delfingruppen in der Wildbahn völlig normal und gesund verhalten. Darüber hinaus können wir in einem Delfinarium unter gleichbleibend guten Bedingungen wichtige wissenschaftliche Daten erheben, die Artenschützern weltweit als Grundlage dienen. Wir transportieren beim öffentlichen Training Fakten rund um Lebensraum, Biologie und Verhalten von Delfinen. So sensibilisieren wir für die zunehmende Umweltzerstörung und haben über die Jahre Millionen Menschen erreicht.