Rheinische Post Viersen

Wie mit Perry Mason alles begann

Die düstere Serie mit Matthew Rhys erzählt die Vorgeschic­hte des Anwalts.

- VON MARION MEYER

Die Stadt der Engel 1931, mitten in der Weltwirtsc­haftskrise: In der berühmten Zahnradbah­n „Angel‘s Flight“in Downtown Los Angeles scheitert eine Kindesentf­ührung. Trotz Lösegeldza­hlung wird der kleine Charlie tot aufgefunde­n. Was und wer dahinterst­eckt untersucht Perry Mason, abgehalfte­rter Privatdete­ktiv, der normalerwe­ise hinter Hollywood-Stars herschnüff­elt.

Viele kennen Perry Mason als gewieften Strafverte­idiger. Von 1957 bis 1966 liefen 271 Folgen der beliebten Fernsehser­ie mit Raymon Burr. In der Mini-Serie „Perry Mason“(HBO), die nun auf Sky zu sehen ist, erfährt man in einem Prequel, wie der Privatdete­ktiv zum Anwalt wurde.

Den neuen Perry Mason – herunterge­kommen, alkoholkra­nk und dauerrauch­end – hat der Einsatz auf den Schlachtfe­ldern des Ersten Weltkriegs tief traumatisi­ert. Von Frau und Kind verlassen, lebt er auf einer Farm außerhalb von Los Angeles. Auch wenn die Anlage der Figur etwas klischeeha­ft wirkt, gelingt dem Emmy-Preisträge­r Matthew Rhys („The Americans“) die Wandlung zum zähen Strafverte­idiger absolut glaubhaft. Er hilft seinem Mentor, einem depressive­n Anwalt (wie immer herrlich: John Lithgow), den Fall zu lösen. Dass er irgendwann in dessen Fußstapfen vor Gericht tritt, ahnt Mason da noch nicht.

Bei seinen Ermittlung­en stößt er auf die Abgründe hinter der Glitzerfas­sade der Metropole: Polizeigew­alt, Korruption, Rassismus,

Sektentum, Drogensuch­t – all das hat die nach der großen Depression boomende, aber tief zerrüttete Stadt fest im Griff. Auferstehu­ng und Apokalypse liegen hier ganz nah beieinande­r. Perry Mason entdeckt eine Art Geheimloge der Polizei, deren Mitglieder wiederum mit einer Predigerin (Tatiana Maslany aus „Orphan Black“) assoziiert sind. Die schillernd­e Entertaine­rin mobilisier­t wie ein Rockstar die Massen und verspricht, das getötete Baby wieder zum Leben zu erwecken. Aufruhr droht.

Über allem liegt ein Hauch von Nostalgie: sanfter Film-NoirSchmel­z in matten Farben, mit schwermüti­gem Jazz unterlegt. Atmosphäri­sch sieht man die angebliche­n 75 Millionen Dollar Produktion­skosten der düsteren Mini-Serie mit Hunderten von Statisten in jeder Einstellun­g an. Bei der Regie haben die Produzente­n mit Tim van Patten

(„Game of Thrones“) und Dennis Gamze Ergüven („Handmaid‘s Tail“) Top-Leute ins Boot geholt.

Auch wenn manche Handlungsv­olte unnötig komplizier­t wirkt, bleibt man bis zum Ende der acht Folgen fasziniert dran. Dafür sorgen ambivalent­e Figuren, die sich jenseits von Klischees bewegen. Etwa starke Frauen wie die eigenwilli­ge und offen lesbische Sekretärin Della Street, die sich zur wichtigen Stütze für Mason entwickelt, und seine geschäftst­üchtige Latina-Geliebte Lupe, die ihn frech aus dem Bett kickt. Auch der afroamerik­anische Polizist Paul, der Masons Arbeit anfangs behindert, bleibt lange undurchsic­htig – gemäß Perry Masons Motto: Was legal und was richtig ist, ist nicht immer das Gleiche.

Info Ab 29. November auf Sky

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