Politik befasst sich mit Privatbau des Landrats
Andreas Coenen (CDU) baut derzeit sein neues Eigenheim. Weil die Stadt Viersen ihm Befreiungen vom Bebauungsplan gewährte, wittern Anwohner eine Verschwörung. Jetzt befasst sich der Planungsausschuss mit dem Thema.
VIERSEN Es hat Seltenheitswert, dass sich ein politischer Ausschuss mit dem Bau eines privaten Wohnhauses eines Bürgers der Stadt befasst. In der nächsten Sitzung des Planungsausschusses soll aber genau das passieren. Das dürfte damit zusammenhängen, dass der Bürger Andreas Coenen heißt, Landrat des Kreises Viersen ist und für seinen geplanten Neubau im März von der Stadt Viersen Befreiungen vom Bebauungsplan genehmigt bekam.
Ausnahmegenehmigungen, die nach Ansicht von Anwohnern deutlich über das hinausgehen, was üblich ist. Und die deshalb in „sozialen Medien“eine Verschwörung wittern. Gewiss habe Coenen seinen Einfluss als Landrat geltend gemacht, um die Befreiungen erwirken zu können – schließlich untersteht dem Landrat als oberstem Dienstherrn die Obere Bauaufsicht. Dass das Verwaltungsgericht die Klage eines Nachbarn gegen den Bau abwies, auch dies könne ja nicht mit rechten Dingen zugehen. Und dass das NRW-Bauministerium keinen ausreichenden Anlass sah, baurechtlich einzuschreiten, ebenfalls nicht. Jemand stellte ein Foto des Befreiungsbescheids bei Facebook ins Netz, mit der Flurstücknummer – so dass für jeden ersichtlich war, wo das neue Eigenheim geplant ist. Und irgendwann entwendeten Diebe auf der Baustelle nicht etwa wertvolles Baumaterial, sondern: die Kransteuerung. „Das ist schon heftig“, sagt der Landrat zu dem Wirbel um sein neues Haus.
Andreas Coenen betont: „Ich habe auf die Erteilung der Baugenehmigung und die Befreiungen selbstverständlich keinerlei Einfluss genommen.“Der Architekt habe den Bauantrag eingereicht, so Coenen. „Ich hatte in der Angelegenheit keinen persönlichen Kontakt mit der Viersener Verwaltung.“
In drei Punkten weicht der Neubau vom Bebauungsplan ab: Während der Bebauungsplan aus den 1960er-Jahren eine Überschreitung der Baugrenze von maximal zwei Metern toleriert, erlaubt der Befreiungsbescheid an einer Seite des Gebäudes eine Überschreitung um das Viereinhalbfache. Punkt 2:
In dem Wohngebiet stehen überwiegend eingeschossige Bungalows und Häuser mit niedrigen Satteldächern. Coenen darf zweigeschossig bauen. Und auch in einem dritten Punkt gab’s für den Neubau eine Ausnahme: Bei der sogenannten Geschossflächenzahl – sie regelt das Verhältnis von Geschossfläche zur Grundstücksgröße – liegt das Wohngebäude 40 Prozent über dem Richtwert
des Bebauungsplanes. In dem Gerichtsverfahren begründete die Stadt Viersen die Befreiungen damit, dass „im Geltungsbereich des Bebauungsplans bereits mehrfach Befreiungen von den festgesetzten Baugrenzen und Bauhöhen erteilt worden sind“.
Wie viele solcher Ausnahmegenehmigungen hat die Stadt Viersen in der Vergangenheit erteilt? Diese
Anfrage unserer Redaktion ließ die Stadtverwaltung unbeantwortet. Die Frage soll allerdings im nächsten Planungsausschuss beantwortet werden – so hat es die Partei Die Linke beantragt und der Verwaltung einen Katalog mit zehn Fragen geschickt, darunter auch der Warum-Frage: „Warum hat die Stadt Viersen bei ... (dem Gebäude) die ... Befreiungen in dieser Kombination erteilt, obwohl die Zielsetzung des Bebauungsplans ... lautet; „ein Baugebiet zu schaffen, welches am Rande eines empfindlichen Landschaftsraumes gelegen, welches sich in diesen einfügt und entsprechend in seiner baulichen Entwicklung unterordnet“? Auch die SPD hält die Behandlung mit dem Thema für geboten. „Es geht dabei überhaupt nicht um den Landrat“, betont der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Jörg Dickmanns. „Es geht darum, dass die Verwaltung Transparenz schafft bei diesem massiv hinterfragten Bauvorhaben.“Es gehe ums Thema Gleichbehandlung, so Dickmanns. Denn Anwohner behaupten, dass ihnen keine Befreiungen eingeräumt worden seien.
Dass die Viersener Verwaltung das Thema in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung geschoben hat, stößt Linken-Ratsfrau Britta Pietsch sauer auf. „Ein Bauvorhaben, welches auf den Unmut der Bürger stößt, nicht öffentlich zu behandeln, ist für uns nicht hinnehmbar. Verwaltungshandeln muss transparent sein.“