Obstwiesenfreunde sorgen für gute Ernte
Paul Derix, der Gründer der Obstwiesenfreunde, gibt die Aufgabe an Paul Schinken ab. Das sind die Zukunftspläne.
SCHWALMTAL Bei den Vornamen fällt der Wechsel kaum auf: Paul Derix (75), der vor elf Jahren die Obstwiesenfreunde in Schwalmtal gegründet hat, gibt die Leitung des Vereins ab an Paul Schinken (67). Nicht nur der Vorname und die Liebe zum Obst eint die beiden, sondern auch ein Ziel: Sie wollen, dass insbesondere Kinder in Schwalmtal unbehandelte, leckere Früchte wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mispeln oder Quitten direkt vom Baum naschen können.
Paul Derix fühlte sich auf dem Bauernhof seines Großvaters wie im Garten Eden, wenn auch ohne die verräterische Schlange: „Ich habe als Kind das Obst direkt vom Baum gegessen und mir manches Mal richtig den Bauch vollgeschlagen“, erinnert er sich lachend. Ähnlich ging es Paul Schinken: Auch er konnte als Kind am Bauernhof direkt vom Ast in seinen Magen ernten „Auch im eigenen Garten habe ich Apfelbäume und freue mich daran“, sagt Schinken, der für die Bündnisgrünen im Schwalmtaler Gemeinderat sitzt.
Vor zwölf Jahren fiel Derix auf, dass es im Gemeindegebiet kaum noch Obstbäume gibt und damit kein Baumobst für die Schwalmtaler. Das wollte er ändern und schlug seine Idee für die Anlage von neuen Obstwiesen dem damaligen Bürgermeister Schulz vor. „Daraufhin meldete sich Bernd Gather von der Verwaltung bei mir und war begeistert von dieser Idee“, erinnert sich der
Initiator. „Die erste Wiese wurde im Frühjahr 2009 in Stöcken angelegt“, sagt Bernd Gather, Leiter des Fachbereichs Planung und Technik. Weitere fünf sollten folgen. „Weitere Wiesen wurden danach in Birgen - dort gibt es zwei bepflanzte Flächen -, im Rüsgenfeld, im Neubaugebiet Burghof und in Dilkrath-Heidend angelegt“, so Gather. Zudem wurde ein alter Obstbaumbestand im Kaiserpark ergänzt.
Was Paul Derix mit seiner Initiative erreichte: Die Gemeindeverwaltung finanziert regelmäßig neue Obstbäume auf ökologischen Ausgleichsflächen. „Die Gemeinde schneidet die Flächen zweimal im Jahr, bezahlt die Bäume, das Material zum Anbinden der Bäume sowie die Leimringe“, erläutert Gather. „Ein Obstbaum kostet rund 30 Euro plus etwa fünf Euro für Mäusedraht, Verbissschutz und Anbindepfähle.“Insgesamt stehen auf den Flächen laut Gather mittlerweile 260 Bäume, dort wachsen 80 verschiedene alte Obstsorten.
Für die Gemeinde Schwalmtal sind die Obstwiesen längst zu einem ertragreichen Imageprojekt geworden: „Die Obstwiesen sind“, so Bernd Gather, „mittlerweile über die Grenzen Schwalmtals hinaus bekannt. Im Frühjahr sind sie in der Blütezeit ein Blickfang“, erklärt der Fachbereichsleiter. „Im Rüsgenfeld, Kaiserpark und Stöcken wurden in den Wiesen Blühflächen angelegt. Dadurch ist eine ökologische Aufwertung
erfolgt und Lebensraum für Insekten geschaffen worden.“Zudem würden die Menschen gern das kostenfreie, unbehandelte Obst pflücken.
Und noch mehr, weiß Paul Derix: „Manche haben extra ihr Haus im Neubaugebiet gewählt, weil dort Obstbäume in der Nähe wachsen.“Und längst würden nicht nur Schwalmtaler jedes Alters gern die Obstbäume pflücken. „Manche kommen sogar aus Mönchengladbach oder Krefeld“, erzählt der Gründer der Obstwiesenfreunde. Allerdings hat dieser Obsttourismus eine Schattenseite: „Natürlich wünschen wir uns, dass die Menschen das Obst ernten. Aber nur für den eigenen Bedarf“, sagt Paul Schinken.
Wen sich jemand den Kofferraum seines Wagens mit dem Obst fülle oder es verkaufe, sei dies nicht im Sinn der Ehrenamtler.
Ein besonderes Anliegen ist den Obstwiesenfreunde, alte Sorten zu erhalten. Gelungen ist ihnen das mit Herzblut und geradezu detektivischem Spürsinn: „Wir haben von einer seltenen Birnensorte namens „Hurtjans“erfahren“, schildert Paul Derix. Ein fahnenflüchtiger Soldat habe diese im Mönchengladbacher Forst gefunden, sich davon ernährt und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder gefunden. „Einen einzigen Baum haben wir davon im Obstmuseum in Lemgo gefunden“, erzählt der Gründer der Obstwiesenfreunde. Und diesen habe man dann zur Veredelung genutzt. Mit dem Erfolg, dass sechs Bäume dieser fast einzigartigen Sorte nun auch in der Gemeinde Schwalmtal stehen.
Wenn neue Flächen bepflanzt werden sollen, suchen die Obstwiesenfreunde in Baumschulen nach selten gewordenen Sorten. Bei den Äpfeln schätzten sie etwa Sorten wie Jonathan, Berlepsch, Freiherr von Berlepsch. Oder auch frühe Sorten wie den Klarapfel, der bereits Ende Juli geerntet werden kann: „Das ist der leckerste Apfelmus“, weiß Paul Schinken.
Für das kommende Jahr ist auch wieder eine Neuauflage der erfolgreichen Kooperation mit der örtlichen Kornbrennerei Hartges geplant: Das Ergebnis war der beliebte Apfelbrand, das „Neller Appeldröpje“.