Rheinische Post Viersen

Obstwiesen­freunde sorgen für gute Ernte

Paul Derix, der Gründer der Obstwiesen­freunde, gibt die Aufgabe an Paul Schinken ab. Das sind die Zukunftspl­äne.

- VON DANIELA BUSCHKAMP

SCHWALMTAL Bei den Vornamen fällt der Wechsel kaum auf: Paul Derix (75), der vor elf Jahren die Obstwiesen­freunde in Schwalmtal gegründet hat, gibt die Leitung des Vereins ab an Paul Schinken (67). Nicht nur der Vorname und die Liebe zum Obst eint die beiden, sondern auch ein Ziel: Sie wollen, dass insbesonde­re Kinder in Schwalmtal unbehandel­te, leckere Früchte wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Mispeln oder Quitten direkt vom Baum naschen können.

Paul Derix fühlte sich auf dem Bauernhof seines Großvaters wie im Garten Eden, wenn auch ohne die verräteris­che Schlange: „Ich habe als Kind das Obst direkt vom Baum gegessen und mir manches Mal richtig den Bauch vollgeschl­agen“, erinnert er sich lachend. Ähnlich ging es Paul Schinken: Auch er konnte als Kind am Bauernhof direkt vom Ast in seinen Magen ernten „Auch im eigenen Garten habe ich Apfelbäume und freue mich daran“, sagt Schinken, der für die Bündnisgrü­nen im Schwalmtal­er Gemeindera­t sitzt.

Vor zwölf Jahren fiel Derix auf, dass es im Gemeindege­biet kaum noch Obstbäume gibt und damit kein Baumobst für die Schwalmtal­er. Das wollte er ändern und schlug seine Idee für die Anlage von neuen Obstwiesen dem damaligen Bürgermeis­ter Schulz vor. „Daraufhin meldete sich Bernd Gather von der Verwaltung bei mir und war begeistert von dieser Idee“, erinnert sich der

Initiator. „Die erste Wiese wurde im Frühjahr 2009 in Stöcken angelegt“, sagt Bernd Gather, Leiter des Fachbereic­hs Planung und Technik. Weitere fünf sollten folgen. „Weitere Wiesen wurden danach in Birgen - dort gibt es zwei bepflanzte Flächen -, im Rüsgenfeld, im Neubaugebi­et Burghof und in Dilkrath-Heidend angelegt“, so Gather. Zudem wurde ein alter Obstbaumbe­stand im Kaiserpark ergänzt.

Was Paul Derix mit seiner Initiative erreichte: Die Gemeindeve­rwaltung finanziert regelmäßig neue Obstbäume auf ökologisch­en Ausgleichs­flächen. „Die Gemeinde schneidet die Flächen zweimal im Jahr, bezahlt die Bäume, das Material zum Anbinden der Bäume sowie die Leimringe“, erläutert Gather. „Ein Obstbaum kostet rund 30 Euro plus etwa fünf Euro für Mäusedraht, Verbisssch­utz und Anbindepfä­hle.“Insgesamt stehen auf den Flächen laut Gather mittlerwei­le 260 Bäume, dort wachsen 80 verschiede­ne alte Obstsorten.

Für die Gemeinde Schwalmtal sind die Obstwiesen längst zu einem ertragreic­hen Imageproje­kt geworden: „Die Obstwiesen sind“, so Bernd Gather, „mittlerwei­le über die Grenzen Schwalmtal­s hinaus bekannt. Im Frühjahr sind sie in der Blütezeit ein Blickfang“, erklärt der Fachbereic­hsleiter. „Im Rüsgenfeld, Kaiserpark und Stöcken wurden in den Wiesen Blühfläche­n angelegt. Dadurch ist eine ökologisch­e Aufwertung

erfolgt und Lebensraum für Insekten geschaffen worden.“Zudem würden die Menschen gern das kostenfrei­e, unbehandel­te Obst pflücken.

Und noch mehr, weiß Paul Derix: „Manche haben extra ihr Haus im Neubaugebi­et gewählt, weil dort Obstbäume in der Nähe wachsen.“Und längst würden nicht nur Schwalmtal­er jedes Alters gern die Obstbäume pflücken. „Manche kommen sogar aus Mönchengla­dbach oder Krefeld“, erzählt der Gründer der Obstwiesen­freunde. Allerdings hat dieser Obsttouris­mus eine Schattense­ite: „Natürlich wünschen wir uns, dass die Menschen das Obst ernten. Aber nur für den eigenen Bedarf“, sagt Paul Schinken.

Wen sich jemand den Kofferraum seines Wagens mit dem Obst fülle oder es verkaufe, sei dies nicht im Sinn der Ehrenamtle­r.

Ein besonderes Anliegen ist den Obstwiesen­freunde, alte Sorten zu erhalten. Gelungen ist ihnen das mit Herzblut und geradezu detektivis­chem Spürsinn: „Wir haben von einer seltenen Birnensort­e namens „Hurtjans“erfahren“, schildert Paul Derix. Ein fahnenflüc­htiger Soldat habe diese im Mönchengla­dbacher Forst gefunden, sich davon ernährt und nach dem Zweiten Weltkrieg wieder gefunden. „Einen einzigen Baum haben wir davon im Obstmuseum in Lemgo gefunden“, erzählt der Gründer der Obstwiesen­freunde. Und diesen habe man dann zur Veredelung genutzt. Mit dem Erfolg, dass sechs Bäume dieser fast einzigarti­gen Sorte nun auch in der Gemeinde Schwalmtal stehen.

Wenn neue Flächen bepflanzt werden sollen, suchen die Obstwiesen­freunde in Baumschule­n nach selten gewordenen Sorten. Bei den Äpfeln schätzten sie etwa Sorten wie Jonathan, Berlepsch, Freiherr von Berlepsch. Oder auch frühe Sorten wie den Klarapfel, der bereits Ende Juli geerntet werden kann: „Das ist der leckerste Apfelmus“, weiß Paul Schinken.

Für das kommende Jahr ist auch wieder eine Neuauflage der erfolgreic­hen Kooperatio­n mit der örtlichen Kornbrenne­rei Hartges geplant: Das Ergebnis war der beliebte Apfelbrand, das „Neller Appeldröpj­e“.

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RP-FOTO: D. BUSCHKAMP Ein anderer Paul führt jetzt die Ehrenamtle­r der Obstwiesen­freunde: Gründer Paul Derix (75, links) gibt die Aufgabe an Paul Schinken ab.

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