Typischer Fatalismus und ein Kreis, der sich nicht schließen soll
Zum Gefühlsleben eines Borussia-Fans gehört ein gewisser Fatalismus. Das ist historisch begründet, weil der Klub, dem er sein Herz geschenkt hat, immer eine „launische Diva“war. So hat dann auch der frühere Manager Helmut Grashoff sein Buch über den Klub genannt, der sein Lebenswerk war. Zu der Geschichte passt, dass der eine oder andere Borussen-Freund im Vorfeld des Spiels gegen Schachtjor Donezk zugab, sich weniger Sorgen zu machen wegen der Champions-League-Partie, als vielmehr wegen des folgenden Bundesliga-Kicks gegen den FC Schalke 04. Den Klub, der zuletzt am 17. Januar 2020 gewonnen hat, 24 Spiele sind seither vergangen. Der Gegner, der Schalke damals unterlag: Borussia.
Ein 0:2 gab es auf jener Dienstreise der Niederrheiner in den Ruhrpott, es war das Spiel zum Start in die Rückrunde der vergangenen Saison.
Nun kommt Schalke, derzeit in Trümmern, so muss man es angesichts all der Meldungen aus Gelsenkirchen wohl sagen, am Samstag in den Borussia-Park (18.30 Uhr/Sky). Dass Borussia in der Vergangenheit nicht selten ein Aufbaugegner war für Gestrauchelte, das gehört zur Vereinsgeschichte wie der Pfostenbruch oder der Büchsenwurf. Dazu würde es passen, wenn Schalke ausgerechnet in Gladbach die katastrophale Serie beenden würde.
Zumal es die Geschichte schon gab. In der Saison 2016/17 hatte Schalke die ersten fünf Saisonspiele verloren und Borussia reiste als Champions-League-Teilnehmer und Tabellenvierter an, um nach einer stabilen ersten Halbzeit nach der Pause total unterzugehen. 4:0 gewann Schalke und einer trumpfte dabei ganz besonders auf: Breel Embolo, der an diesem Tag wohl seinen besten der gesamten Schalker Zeit hatte, inzwischen aber Gladbacher ist. Der Schweizer war unaufhaltsam und schaffte seine ersten beiden Saisontore. Schalke stoppte mit diesem Spiel den Absturz, auch für Gladbachs Trainer André Schubert, der in der Halbzeit allzu offensiv wechselte, als er Stürmer Lars Stindl für den Verteidiger Jannik Vestergaard brachte, war es ein Wendepunkt. Zehn Spiele mit nur einem Sieg folgten und nach der Hinserie war dann Schluss für ihn mit dem Trainerjob in Gladbach.
Solche Konsequenzen wird es nun ganz sicher nicht geben, unabhängig vom Spielausgang, viel zu gefestigt ist das Gladbacher Konstrukt. Für die Borussen wäre es aber extrem ärgerlich, erneut ein Heimspiel nicht zu gewinnen. Sechs Punkte sind ihnen durch verspielte Führungen im Borussia-Park bereits abhanden gekommen. Weiteren Aderlass zu vermeiden, ist das erklärte Ziel der Borussen, die es gegen die Schalker machen wollen wie beim 4:0 gegen Donezk: Möglichst früh führen und das Ganze dann ausbauen, um nicht wieder Gefahr zu laufen, zum vierten Mal in dieser Liga-Saison spät bestraft zu werden.
Für die Schalker wäre ein 1:1, wie es Union Berlin, der VfL Wolfsburg und zuletzt der FC Augsburg mitgenommen haben aus Gladbach, ein brauchbares Erfolgserlebnis, auch wenn es die Serie nicht beenden würde. Für die Borussen wird es darum gehen, nach dem herrlichen Abend in der Champions League und vor dem Finale um den Einzug ins Achtelfinale der Königsklasse gegen Schalke nicht die Spannung zu verlieren. Diesbezüglich werden die Schalker das Treiben der Gladbacher gegen Donezk mit einigem Respekt zur Kenntnis genommen haben. Denn da haben die Gladbacher gezeigt, dass sie die Favoriten-Rolle beherrschen.
Anlass für vorauseilenden Fatalismus gibt es daher eigentlich wenig, doch genau das ist es wiederum, was die Borussia-Fans umtreibt. Sie können da nicht aus ihrer Haut, das hat auch nichts mit Misstrauen zu tun, sondern vielmehr mit Erlebnissen und Ergebnissen der Vergangenheit. Wie jenem 0:4 vor vier Jahren. Aus dieser Perspektive scheint es möglich, dass ausgerechnet gegen Borussia die Schalker Serie endet und sich ein Kreis schließt. Vorsicht ist geboten, doch Marco Roses Team kann am Samstag nachweisen, dass Fatalismus inzwischen weitgehend unbegründet ist.