Geldanlage in stürmischen Zeiten
Herr Bretschneider, wie haben Ihre Kunden zu Beginn auf den globalen Pandemie-Schock reagiert? BRETSCHNEIDER Vor allem mit einem höheren Beratungsbedarf – und den konnten wir decken. Denn was UBS in dieser Situation wieder ausgezeichnet hat, ist, dass wir zwar regional unsere Kunden bedienen, unsere rund 69.000 Mitarbeiter und 900 Analysten aber in nahezu allen Finanzmärkten präsent sind. Außerdem verfolgen wir in der Vermögensverwaltung immer einen ganzheitlichen Anlageansatz, der auf einzelnen Strategien zu Liquidität, Langlebigkeit und Weitergabe basiert. Er dient gewissermaßen als Kompass und hilft Kunden dabei, ihre Ziele im Blick zu behalten.
Individuelle Geldanlage geleitet von Liquidität, Langlebigkeit und Weitergabe. Das müssen Sie bitte näher erklären. BRETSCHNEIDER Wir nennen das den UBS Wealth Way. Die Basis bildet wie gesagt ein ganzheitlicher Anlageansatz für die individuellen Lebenslagen und -abschnitte unserer Kunden. Mit Blick auf Liquidität stellen wir sicher, dass Ausgaben und Verpflichtungen der nächsten zwei bis fünf Jahre
finanziert werden können. Dabei bedenken wir natürlich, dass unerwartete Krisen oder Notlagen den gewohnten Ausgabenbedarf schlagartig ändern können. Daneben erarbeiten wir im Rahmen der Langlebigkeitsstrategie einen langfristigen Anlageansatz für nachhaltiges Vermögenswachstum. So stellen wir sicher, dass der persönliche Lebensstil im Laufe der Jahre erhalten bzw. verbessert wird und finanzielle Ziele bis zum
Lebensende erreicht werden können. Angesichts steigender Lebenserwartungen werden frühzeitige Entscheidungen zur Absicherung immer wichtiger. Zur Weitergabestrategie gehören dann langfristige Geldanlageentscheidungen, um Vermögensanteile für die nächste Generation zu sichern. Das Anlageportfolio kann hier aggressiver und weniger liquide sein, da der Zeithorizont gewöhnlich Jahrzehnte umfasst.
Also Vermögensplanung nach dem Motto, „Schon heute an morgen denken“? BRETSCHNEIDER Genau, denn egal in welcher Lebensphase Sie sich gerade befinden: Eine Vermögensplanung hilft Ihnen nicht nur dabei, Ihre finanziellen Ziele zu erreichen und frühzeitig genug Themen wie Vermögensweitergabe anzugehen, sondern bewahrt auch davor, in einem Krisenjahr wie diesem voreilige Entscheidungen zu treffen.
Was für eine Welt erwartet Anleger nach COVID-19? BRETSCHNEIDER Die Auswirkungen der Pandemie werden vor allem zu strukturellen Veränderungen führen, auf die sich Anleger einstellen müssen. Unserer Einschätzung nach werden wir eine höher verschuldete, weniger globale und stärker digitalisierte Welt erleben.
Sollten bisher gängige Anlagestrategien jetzt also komplett überdacht werden? BRETSCHNEIDER Nicht zwingend, denn unseres Erachtens haben sich die langfristigen Perspektiven für ein moderates Wirtschaftswachstum insgesamt nicht wesentlich verändert. Wir gehen jedoch davon aus, dass vermehrt in Zukunftstechnologien investiert wird. Angesichts des jüngsten Renditerückgangs bei erstklassigen Anleihen werden Anleger jedoch die Rolle der Liquidität und der Anleihen in ihren Portfolios neu überdenken müssen. Genau diese Aspekte werden wir jetzt auch in den einzelnen UBS Wealth Way-Strategien unserer Kunden berücksichtigen.
Wie können Anleger und Unternehmer in diesen schwierigen Zeiten noch Gewinne erzielen?
BRETSCHNEIDER Viele Anleger und Unternehmer setzen auf die Märkte in den USA und Asien. Sie gehen davon aus, dass
Europa wirtschaftlich hinter ihnen zurückbleiben wird – auch in einer Welt nach COVID-19. Wir bei UBS sehen das anders: Die europäischen Märkte zu ignorieren, könnte zum kostspieligen Fehler werden.
Wie entwickelt sich derzeit die Stimmung an den europäischen Märkten? BRETSCHNEIDER In jüngster Zeit war der europäische Markt von großer Unsicherheit geprägt. Viele Anleger und Unternehmer werden in den kommenden Monaten ihre Investitionsmodelle überdenken, um die höhere Staatsverschuldung, das geringere Wachstum und die potenziell höheren Steuern abzufedern. Trotz aller Unsicherheit erwarten wir jedoch, dass der Euro und die Europäische Union auch COVID-19 überstehen werden. Die Regierungen und politischen Entscheidungsträger haben beträchtliche Schritte eingeleitet, um die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger zu gestalten.
Wird sich die europäische Wirtschaft also bald wieder mit Asien und den USA messen können?
BRETSCHNEIDER Europa ist mit einigen führenden globalen Unternehmen sehr gut aufgestellt, um den USA und Asien in der Post-COVID-19-Welt die Stirn zu bieten. In bestimmten Branchen verfügt der europäische Markt über weit mehr Expertise und Branchenwissen. Mit der Corona-Krise wird sich daher das verfestigte Bild des schwächelnden Europas wandeln. Schon jetzt sind einige vielversprechende Investitionsmöglichkeiten entstanden.
„Insbesondere in vier von globalen Megatrends getriebenen Bereichen sollte Europa stärker als jemals zuvor aus der Krise hervorgehen: Automatisierung und Robotik, globale Marken, Elektromobilität sowie Medizinund Gesundheitstechnik“
Welche Bereiche sollten europäische Anleger nach Ansicht der UBS jetzt in den Blick nehmen? BRETSCHNEIDER Insbesondere in vier von globalen Megatrends getriebenen Bereichen sollte Europa stärker als jemals zuvor aus der Krise hervorgehen: Automatisierung und Robotik, globale Marken, Elektromobilität sowie Medizin- und Gesundheitstechnik. In diesen vier Schlüsselbereichen wird Europa seinen Wettbewerbsvorteil weiter ausbauen. Anleger sollten sie daher unbedingt in den Blick nehmen.
Wie kommt es, dass diese Bereiche sogar von der Krise profitieren könnten? BRETSCHNEIDER Der Drang, Kostenvorteile beizubehalten, wird die Nachfrage nach Automatisierung und Robotik verstärken. Vertraute Marken werden zudem überproportional vom steigenden Online-Handel profitieren. Grüne Corona-Konjunkturprogramme sollten Europas führende Stellung in wachsenden Bereichen wie Elektromobilität untermauern. Und nicht zuletzt wird die beschleunigte Digitalisierung der Medizin- und Gesundheitstechnik zusätzliches Wachstum in diesem Bereich fördern.
Was würden Sie Anlegern und Unternehmern raten, die überlegen, ihr Portfolio zu erweitern?
BRETSCHNEIDER Augen auf beim Investieren! Es gibt gute Gründe, warum manche Bereiche wachsen werden und andere nicht. Die großen Zukunftstrends, die unsere Gesellschaft in den kommenden Jahren grundlegend verändern werden, spielen dabei eine große Rolle. Diese sollten Anleger kennen, sich informieren und das Gespräch mit ihren Beratern suchen.
Herr Bretschneider, vielen Dank für das Gespräch!