Rheinische Post Viersen

Endlich faire Smartphone­s

Den wahren Preis für unsere billigen digitalen Spielzeuge zahlen Arbeiter in Afrika und China. Auch die Umwelt leidet. Doch es gibt Alternativ­en, die sowohl nachhaltig als auch technisch konkurrenz­fähig sind.

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Mein gutes Gewissen kommt mit UPS. In sechs verschiede­nen Sprachen steht darauf: „Hier bin ich.“Und: „Ich bin für dich gemacht.“Und so oft „Change“wie in einer Kampagne für Barack Obama. In der länglichen Pappschach­tel liegt mein neues Smartphone samt Anleitung. Dabei liegt anstelle von Ladegerät und Kopfhörern ein kleiner Schraubenz­ieher. Für das, was angeblich alle wollen: den Akku ganz einfach – und günstig – selbst austausche­n, wann immer er erschöpft ist. Oder das Display, wenn es splittert. Oder eine neue Kamera einbauen, wenn die alte den Ansprüchen nicht mehr genügt.

Dass das in modernen Geräten grundsätzl­ich nicht möglich ist, wird häufig beklagt. Doch die Hersteller haben allen Grund, geschlosse­ne Systeme zu bevorzugen, in denen alles miteinande­r verlötet und verklebt ist. Das liegt weniger daran, dass die Geräte so optimal gegen Staub und Wasser geschützt werden können. Und mehr daran, dass man so keine lästige Lagerhaltu­ng für Ersatzteil­e betreiben muss. Vor allem aber führt es dazu, dass sie uns Kunden schon beim kleinsten Defekt ein neues Gerät verkaufen können. Die alten, bei denen sich vielleicht nur ein Kabel gelockert hat, wandern zu Millionen in Schubladen, anstatt repariert oder recycelt zu werden.

Für die Produzente­n geht die Rechnung auf. Der Weltmarkt für Smartphone­s ist zwar umkämpft, aber in diesem Wettbewerb zählt nur das Verhältnis von Leistung und Preis. Die andere Dimension von Qualität, die anderswo längst zum Megatrend geworden ist, spielt keine Rolle: Nachhaltig­keit interessie­rt kaum einen Nutzer. Wenn ein Gerät kaputt ist, wird eben ein neues gekauft. Selbst das Fluchen darüber ist oft halbherzig. Schließlic­h ist das Smartphone zum Statussymb­ol avanciert – und das neue Modell schlanker, schicker, schneller.

Deshalb stört sich kaum jemand an der fahrlässig­en oder gar bewussten Begrenzung des Lebenszykl­us. Die wenigsten engagieren sich für Reparierba­rkeit oder jahrelange Sicherheit­supdates für jedes Gerät. Wir als Kunden nehmen diese Zustände hin. Deshalb machen auch die Hersteller größtentei­ls weiter wie bisher; obwohl Apple sich bemüht und Gigaset stolz mit Endmontage in Bocholt wirbt. Zwei Start-ups jedoch gehen aufs Ganze.

Vorreiter ist seit 2013 die niederländ­ische Garagenfir­ma Fairphone, gegründet von Bas van Abel. Der wollte eigentlich bloß die Zustände bei der Smartphone-Produktion anprangern. Dass ihn Fans weltweit dazu drängten, selbst ein besseres Gerät zu produziere­n, habe ihn viel Schlaf gekostet, erzählt er. Doch seine Freundin habe ihn aufgeforde­rt: „Sei kein Weichei!“Also wagte er es.

2014 zogen die hessischen Brüder Carsten und Samuel Waldeck nach. Heute beschäftig­t ihre Firma Shift 32 Mitarbeite­r im Dörfchen Falkenberg bei Kassel sowie zehn in der eigenen Manufaktur in China. Beide Anbieter können keine Nachhaltig­keit bis ins allerletzt­e Detail garantiere­n – aber doch so viel wie eben möglich. Dass das gelingt, bezeugen diverse Auszeichnu­ngen und Siegel. Ihr Fokus sei die „Maximierun­g von Sinn statt Gewinn“, betonen die Waldeck-Brüder. Fairphone will „andere Unternehme­n inspiriere­n, mit ihnen kollaborie­ren und ihnen helfen, unserem Beispiel zu folgen“. Ziel sei, die Branchenri­esen dazu zu bringen, anders zu produziere­n.

Der Weg dorthin ist noch lang, aber das Erreichte dennoch imposant. Die ersten Geräte beider Hersteller waren gut gemeint, aber kaum konkurrenz­fähig. Das hat sich mit den neuesten Modellen geändert, wie einige Tests belegen. Jedoch haben die fairen Smartphone­s ihren Preis: Sie kosten ab 400 Euro aufwärts – rund doppelt so viel wie Geräte mit vergleichb­arer Technik.

Ich habe diesen Aufpreis nach einigem Zögern bezahlt und mir nach dem

Faire Smartphone­s haben ihren Preis: Sie kosten ab 400 Euro aufwärts

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