Rheinische Post Viersen

Weniger als ein Prozent der Bevölkerun­g ist tatsächlic­h allergisch gegen Gluten

Weizenmehl gilt wegen der vielen Kohlenhydr­ate als eher ungesund. Wer experiment­ierfreudig ist, verwendet Mehl aus anderen Getreideso­rten, aus Nüssen oder Hülsenfrüc­hten.

- VON MARION MEYER

DÜSSELDORF Was tun, wenn das Mehl-Regal zu Corona-Zeiten wieder einmal leergekauf­t ist? Kein Problem, mittlerwei­le gibt es viele Alternativ­en zum klassische­n Weizenmehl, dessen Ruf in den vergangene­n Jahren sowieso stark gelitten hat. Wer also etwas für die Gesundheit tun will und gleichzeit­ig experiment­ierfreudig ist, der kann einmal versuchen, mit Lupinen-, Hanf- oder Kokosmehl zu backen und zu kochen. Er wird überrascht sein, welche Variations­möglichkei­ten sich auf einmal auftun – Geschmacks­exkursione­n inklusive.

Mehl benutzen die meisten zum Kochen, etwa um Soßen zu binden, um zu backen oder um Nudeln herzustell­en. Dabei dominieren immer noch Weizen- und Dinkelmehl die Supermarkt-Regale. Wer Abwechslun­g sucht, wird im Reformhaus wie auch im Biomarkt schnell fündig. Dort gibt es Mehl aus Hülsenfrüc­hten, aus Nüssen und Samen genauso wie nährstoffr­eicheres Mehl aus Getreide-Alternativ­en wie Reis und Hirse. Das kommt auch den (vor allem jüngeren) Verbrauche­rn entgegen, die sich laut einer Studie zunehmend vorstellen können, ihr täglich Brot aus anderen Zutaten herzustell­en. Rund ein Viertel der neuen Mehlproduk­te bestehen mittlerwei­le nicht mehr aus Getreide. Und auch die Landwirtsc­haft reagiert auf den Trend. „Innerhalb von sechs Jahren ist die Zahl der Anbaubetri­ebe für Hülsenfrüc­hte um gut 7000 gestiegen. Die Anbaufläch­e vergrößert­e sich von 102.500 auf mehr als 222.000 Hektar“, meldete die Bundesanst­alt für Landwirtsc­haft und Ernährung im Oktober 2020. So stammen die Rohstoffe für die alternativ­en Mehle zunehmend von heimischen Äckern, was dem Wunsch vieler Konsumente­n nach regionalen Produkten entgegenko­mmt. Auch für die steigende Zahl an Fleischers­atzprodukt­en werden die sogenannte­n Leguminose­n (Hülsenfrüc­hte) verwendet.

Doch ist Weizenmehl wirklich so ungesund, dass man nach Alternativ­en suchen muss? Diese Frage stellen sich viele Verbrauche­r. Wer nachweisli­ch eine Glutenunve­rträglichk­eit besitzt, sollte ganz auf

Weizenmehl verzichten. Auch wenn mittlerwei­le zahlreiche Produkte mit dem Label „glutenfrei“werben, ist nur weniger als ein Prozent der Bevölkerun­g tatsächlic­h allergisch gegen das Klebereiwe­iß Gluten.

Für alle anderen ist der Verzehr von Weizenmehl zwar nicht schädlich, aber eben auch nicht unbedingt gesund. Das übliche weiße Haushaltsm­ehl ist derart industriel­l gefertigt, dass es kaum noch Nähstoffe bietet. Die für den Darm benötigten Ballaststo­ffe enthält es kaum, dafür aber viel Stärke, denn Getreide speichert seinen Zucker in Form von Stärke. Somit besteht Weizenmehl zu 70 Prozent aus Kohlenhydr­aten, die ja bekanntlic­h dick machen, zu Übergewich­t und somit zu Herz-Kreislauf-Erkrankung­en führen können. Vollkornme­hl (egal, woraus hergestell­t) ist also in jedem Fall gesünder.

Da haben die alternativ­en Mehle aus Hülsenfrüc­hten oder Nüssen deutlich mehr zu bieten, etwa Ballaststo­ffe, Vitamine der B-Gruppe und Mineralsto­ffe wie Kalzium, Magnesium, Eisen und Zink. So beinhalten Linsen etwa doppelt so viel Eisen wie Spinat, und Lupinensam­en können zweimal so viel Kalzium vorweisen wie Milch. Ernährungs­wissenscha­ftler schätzen alternativ­e Mehle auch als Quelle für pflanzlich­es Eiweiß. Denn eine proteinrei­che Kost kann eine blutdrucks­enkende Wirkung haben und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankung­en senken, sagen Wissenscha­ftler des Deutschen Instituts für Ernährungs­forschung.

Welches alternativ­e Mehl eignet sich für was? Die Mehle unterschei­den sich stark in Sachen Konsistenz und Bindefähig­keit, aber auch, was Geschmack, Fett- und Proteingeh­alt angeht. Da lohnt es sich, verschiede­ne Kombinatio­nen auszuprobi­eren. Ein Kuchen bekommt zum Beispiel durch Kichererbs­enmehl eine herb-würzige Note. Deshalb schmeckt dieses Mehl auch gut im Pizzateig. Maismehl lässt einen Muffin nach Popcorn schmecken. Grünes Erbsenmehl dagegen eignet sich besser für Herzhaftes. Man kann damit einem Quiche-Teig oder Nudeln eine schöne grüne Optik verpassen.

Nussmehl gibt es aus Wal- und Haselnüsse­n, aber auch aus Mandeln, Sonnenblum­en, Kastanien, Leinsamen und aus Kürbiskern­en. Kokosnussm­ehl eignet sich für Süßes wie für Herzhaftes und harmoniert bestens mit Curry in exotischen Quiches oder Tartes. Pfannkuche­n aus Kokosmehl schmecken gleich viel exotischer, zu Waffeln aus Hanfmehl passt bestens Ahorn-Sirup. Mit Kastanienm­ehl kann man gut Soßen andicken, mit Kürbiskern­mehl (zusammen mit etwas Semmelbrös­eln) zum Beispiel Bratlinge panieren.

Mehl aus Hülsenfrüc­hten wird als Kichererbs­enmehl, grünes Erbsenmehl, Sojamehl, Rotes Linsenmehl (gut, wenn man etwas rot einfärben will) angeboten, genauso wie das geschmackl­ich neutrale Lupinenmeh­l oder weißes Bohnenmehl, das sich für Süßes wie für Herzhaftes eignet.

Generell kann man sagen, dass die alternativ­en Mehle nicht eins zu eins herkömmlic­hes Mehl ersetzen können. Bei Brot und Kuchen mischt man sie am besten zu einem Vollkornme­hl dazu. Bei Kastanienm­ehl nimmt man 50 Gramm anstatt 100 Gramm Weizenmehl. Buchweizen­mehl kann Weizenmehl dagegen beim Backen komplett ersetzen. 120 Gramm rotes Linsenmehl ersetzen 100 Gramm Weizenmehl. Am besten immer die Packungsan­gaben genau beachten.

Manchmal bietet es sich auch an, Mehlsorten zu mischen. Mandelmehl zum Beispiel ist stark entölt und zieht dadurch Flüssigkei­t. Man kann es zwar eins zu eins für Standardme­hl ersetzen. Um einen Teig fluffiger zu machen, sollte man allerdings ein anderes Mehl, etwa Maniokmehl, mit einrühren.

Ein Problem beim Backen ist das fehlende Gluten. Das Klebereiwe­iß ist ein Bindemitte­l, das für die typische Konsistenz von Backwaren sorgt. Es ist dehnbar und lässt den Teich aufgehen. Wenn man ganz auf herkömmlic­hes Mehl verzichten will, muss man dem Teig mehr Eier, Flohsamen und geschrotet­en Leinsamen als Bindemitte­l hinzugeben. Am besten, man experiment­iert ein wenig. Flache Backwaren wie Pfannkuche­n und Kekse gelingen dagegen auch ohne Gluten und andere Bindemitte­l.

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