Rheinische Post Viersen

24.000 Jasminpfla­nzen für die Tonne

Bei den Brüdern Dercks in St. Hubert sind die Gewächshäu­ser voll. Weil unter anderem Baumärkte coronabedi­ngt geschlosse­n sind, stauen sich ihre unverkauft­en Pflanzen. Die Nachproduk­tion stockt, die Zukunftsän­gste wachsen.

- VON EMILY SENF

KEMPEN Für Thomas und Roland Dercks ist der Duft ihrer Jasminpfla­nzen eigentlich etwas ganz Besonderes. Doch sollten sie ihn demnächst in einem der drei Gewächshäu­ser erstmals in dieser Saison riechen, wird das die Gärtner auch daran erinnern, dass die Pflanzen längst verkauft sein sollten. Weil wegen der Corona-Schutzvero­rdnung unter anderem aber Baumärkte geschlosse­n sind, stauen sich die Topfpflanz­en in St. Hubert. Sollte sich nicht bald etwas ändern, müssten die Brüder schlimmste­nfalls den Großteil ihrer rund 24.000 Jasminpfla­nzen wegschmeiß­en.

Nach anderen Branchen, die unter den Auswirkung­en der Pandemie leiden, hat es nun die produziere­nden Gärtner getroffen. Zwar sei der erste Lockdown bereits hart gewesen, berichtet Thomas Dercks (47): „Die Pflanzen standen verkaufsfe­rtig voll in Blüte, und dann war plötzlich zu.“Aber nach wenigen Wochen sei wieder geöffnet – und vor allem der Wunsch der Menschen nach Pflanzen stärker denn je gewesen. „Nach dem Lockdown ist der Bedarf explodiert“, sagt Thomas Dercks. Und der Trend hielt an.

So sei der Umsatz auf das ganze Jahr betrachtet bei den meisten durchaus durchschni­ttlich gewesen. Doch nun dauert der erneute Lockdown weiter an, während für die Gärtner jetzt eigentlich die umsatzstär­kste Zeit des Jahres beginnt.

Allein bei den Jasminpfla­nzen – sollten sie nicht wie geplant verkauft werden – sei der Umsatzverl­ust so hoch wie der durchschni­ttliche Jahresgewi­nn der Gärtnerei, sagt der 47-Jährige. Im Frühjahr 2020 hatten sie Glück: Zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns waren bereits alle Jasminpfla­nzen verkauft.

Dabei seien sich die Brüder durchaus bewusst, dass es anderen Branchen ebenfalls schlecht gehe. „Es ist schwierig, unser Anliegen einem Gastronome­n zu erklären“, sagt Thomas Dercks, „aber bei uns geht es um sensible, verderblic­he Ware, die wir nicht halten oder retten können.“

Bei Pflanzen sei der Vorlauf lang. Was im Frühjahr verkauft wird, wurde im Sommer oder früher gepflanzt. Das Zeitfenste­r zum Verkaufen ist dagegen sehr eng. Die Jasminpfla­nzen

ziehen die Brüder seit Anfang 2020 in mühevoller Handarbeit groß, wickeln die Köpfe immer wieder um den Drahtbogen, der sie in Form hält. Darum sind auch die Mitarbeite­r nicht in Kurzarbeit – es ist genug Arbeit da. „Vergangene­s Jahr hatten wir die Kosten, jetzt ernten wir“, sagt Thomas Dercks. „Wir brauchen den Umsatz.“

Der Knackpunkt ist: Ihre Tulpen können die Brüder regional verkaufen; anders als in anderen Bundesländ­ern dürfen Blumengesc­häfte in NRW geöffnet sein. Aber der organisier­te Handel über Baumärkte und Gartencent­er, den die Brüder europaweit betreiben und der zwei Drittel ihres Umsatzes ausmacht, fällt weg. Sie plädieren für bundesweit

einheitlic­he Regeln. Ihre Versicheru­ng greift laut Thomas Dercks nicht – weil die Großbetrie­be in NRW geöffnet sind, der Handel also potenziell möglich ist. „Wir möchten aber auch nicht auf die Versicheru­ng angewiesen sein“, sagt Roland Dercks (44): „Unser Ziel ist, dass es läuft.“

Eva Kähler-Theuerkauf, Präsidenti­n beim Landesverb­and Gartenbau

NRW und Mitinhaber­in der Gärtnerei Hermann Theuerkauf in Kempen, sagt: „Wir blicken mit Sorge auf die kommenden Monate. Jetzt stehen die wichtigste­n Wochen im Gartenbau an.“Jede dritte Pflanze, die bundesweit verkauft werde, stamme aus NRW, besonders vom Niederrhei­n. „Es fehlt der Abfluss“, sagt sie. Das sei nicht nur jetzt schlecht, sondern bedrohe auch die Produktion für die Zukunft. In diesen Tagen müsse für den Herbst bestellt werden.

Zwar hätten etliche der 3600 Verbandsmi­tglieder Konzepte wie Hofverkauf und Drive-in getestet. „Aber das sind nur kleine Lösungen“, sagt sie. Sie versteht die Existenzän­gste ihrer Kollegen: „Wir haben unser Kapital in Pflanzen da stehen.“

Bei den Brüdern Dercks schwindet die Hoffnung. Ihre Rücklagen sind fast aufgebrauc­ht. Sie haben wenig Mut, in die nächste Saison zu starten. Ein Jahr ist es her, dass sie ihren Jasmin pflanzten. „Hätten wir’s mal gelassen“, sagt Roland Dercks.

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FOTOS (2): PRÜMEN Wegen des Lockdowns stehen in der Gärtnerei der beiden Brüder Dercks rund 24.000 Jasminpfla­nzen in den Gewächshäu­sern in St. Hubert.
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Thomas (li.) und sein Bruder Roland Dercks betreiben die Gärtnerei in St. Hubert in dritter Generation.

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