„Die Impfstrategie macht mich wütend“
Seit dieser Woche darf ich meine private Malschule, den „Malkasten“in Wuppertal, wieder öffnen, was nach vier Monaten Lockdown eigentlich ein Grund zur Freude wäre. Doch obwohl ich froh bin, dass es wieder losgeht, macht es mich wütend zu sehen, wie bei der Impfung mit zweierlei Maß gemessen wird. In meinem Unterricht sind viele Grundschulkinder aus verschiedenen Schulen, damit bin ich ähnlich vielen Kontakten ausgesetzt wie jeder andere Lehrer oder Erzieher – nur werden diese jetzt bevorzugt geimpft, die Betreiber privater Einrichtungen aber nicht, so die bisherige Auskunft. Die Stadt Wuppertal äußert Verständnis für meine „Verunsicherung und Belastung“, verweist aber ansonsten auf das Land. Das ist alles absolut nicht nachvollziehbar und macht mich fassungslos.
Natürlich öffne ich trotzdem. Weil ich diese Arbeit gerne mache, und weil mir auch nichts anderes übrig bleibt, wenn die Schule wirtschaftlich überleben soll. Sonst hätte ich sie gleich zu Beginn des Lockdowns schließen können. Von den finanziellen Soforthilfen ist bei mir nichts angekommen, entweder waren sie für mich nicht erreichbar oder beantragbar. Dafür hätte ich mir einen Steuerberater leisten müssen, selbstverständlich gegen ein entsprechendes Honorar. Was soll das bringen? Auch da bin ich als private Schule sozusagen durch den Rost gefallen. Dass ich mich bis jetzt über Wasser halten konnte, verdanke ich unter anderem der Unterstützung durch meine Vermieter und solidarischen Zahlungen einiger Eltern meiner Malschule – also privatem Engagement.
Weil Musik- und Kunstschulen mit maximal fünf Schülern Präsenzunterricht abhalten dürfen, muss ich nun mehr arbeiten und werde dabei weniger verdienen als vorher. Mit den zusätzlichen Stunden steigt mein Infektionsrisiko, aber eine Impfung kommt für mich vorläufig nicht infrage, weil ich nach der Prioritätenliste darauf noch keinen
Anspruch habe. Ich bin jetzt 55 Jahre alt, werde also mit meiner Alterskohorte irgendwann im Sommer geimpft. Sollte ich mich mit Corona infizieren und für längere Zeit ausfallen, bleibt mir wahrscheinlich nichts anderes übrig, als meine Malschule zu schließen. Lehrer sind dagegen im Krankheitsfall abgesichert, sie verlieren weder Job noch Einkommen.
Für mich wirft das viele Fragen auf: Wie kann es sein, dass ich beziehungsweise alle Mitglieder von außerschulischen Bildungseinrichtungen nicht mit staatlich angestellten Lehrern und Erziehern gleichgestellt werden? Erscheinen wir überhaupt irgendwann auf der Priorisierten-Liste? Und warum ist zum Beispiel eine Tagesmutter mit einer immer gleichen Anzahl von Kinderkontakten impfberechtigt – im Gegensatz zu einer Lehrerin wie mir, die permanent Gruppen wechselnder Schüler betreut? Oder gilt einfach nur private Einrichtung
gleich privates Risiko? Nach einer aktuellen Studie der Techniker Krankenkasse haben Kinderbetreuer und -erzieher von allen Berufsgruppen das dritthöchste Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Nur Kräfte aus der ambulanten und stationären Altenpflege sind gefährdeter.
Trotzdem werden nicht alle Erzieher gleichermaßen geschützt. Das ist ein Unding. Alles, was ich erwarte, ist eine Chance auf Gleichbehandlung und Risikominimierung. Aber offensichtlich fehlt es an der nötigen Lobby. Für mich heißt es damit also vorläufig: Augen zu und durch!