Corona-Hilfe der Bundeswehr wurde nicht ausgeschöpft
BERLIN Die Kommunen haben erst im laufenden Jahr und damit erst ein Dreivierteljahr nach dem Ausbruch der Corona-Krise damit begonnen, Bundeswehrsoldaten in größerem Umfang für Hilfeleistungen beim Testen und Impfen in Anspruch zu nehmen. Von den 15.000 durchschnittlich zur Verfügung stehenden Soldatinnen und Soldaten wurden bis Oktober monatlich weniger als 2000 angefordert, wie aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hervorgeht. Erst im Januar kam die Amtshilfe der Bundeswehr demnach in Schwung: Die Kommunen beschäftigten im Januar von den seitdem zur Verfügung stehenden 20.000 Kräften mehr als 13.000 und im Februar bereits mehr als 18.000.
Die Bundeswehr hilft vor Ort beim Transport, bei der Lagerung und der Bereitstellung von medizinischen Produkten wie Test-Kits und Impfstoffen, beim Aufbau der Impf- und Testzentren, bei der Kontaktnachverfolgung oder auch direkt beim Impfen und Testen etwa in Pflegeeinrichtungen oder bei Reiserückkehrern. Erst Ende Januar hatte die
Bundesregierung festgelegt, dass die Amtshilfe für Kommunen und Länder kostenlos ist. Was vorher angefallen ist, zahlt der Bund zurück. Die Kosten der Einsätze lagen bisher erst bei rund acht Millionen Euro.
Die mit Abstand meisten Amtshilfeersuche kamen bislang aus Bayern. Seit Beginn der Pandemie bis zum Stichtag 23. Februar 2021 wurden von 4841 Anträgen auf Amtshilfe 842 in Bayern bewilligt. In NRW half die Bundeswehr bisher 486 Mal, in Rheinland-Pfalz 361 Mal und in Hessen 195 Mal. An den bundesweit 4075 Hilfeleistungen beteiligten sich bisher knapp 48.000 Soldatinnen und Soldaten, so das Papier. Unabhängig von der Amtshilfe hätten sich bisher 4542 Soldatinnen und Soldaten infiziert.
„Dass das Angebot der Amtshilfe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie erst seit Januar verstärkt genutzt wird, also erst seit diesem Jahr mehr als die Hälfte der verfügbaren Kräfte auch im Corona-Einsatz ist, betrachte ich als ein schweres Versäumnis“, sagte der FDP-Politiker Karsten Klein. „Hier ist die Amtshilfe, zum Beispiel zur Unterstützung bei der Kontaktnachverfolgung, viel zu zögerlich genutzt worden.“ der Fall ist, können wir fast alles andere machen. Damit sind wir wieder beim Problem der Knappheit: Die Priorisierung ergibt sich aus der Verteilung eines raren Gutes. In dem Moment, in dem genug Impfstoff da ist, brauchen wir überhaupt keine Priorisierung mehr.
Besonders groß ist die dritte Priorisierungsgruppe. Nach welchen Untergruppen sollte man hier vorgehen?
MERTENS Ich hoffe, dass bis dahin die Hausärzte in das Impfen eingebunden sind. Den Ärzten traue ich zu, dass sie abschätzen können, wer von ihren Patienten das höchste Risiko hat. Die Priorisierung innerhalb einer Stufe kann man nicht von Staats wegen organisieren.
Die Stiko empfiehlt Astrazeneca nun doch auch für über 65-Jährige. War Ihre Vorsicht mitverantwortlich für das Image-Problem von Astrazeneca?
MERTENS Ich habe kübelweise böse E-Mails bekommen, obwohl die eingeschränkte Empfehlung zu Beginn völlig korrekt war. Stellen Sie sich vor, wir hätten einen Impfstoff gerade für die Hochrisikogruppen empfohlen und später hätte sich herausgestellt, dass er ungeeignet ist. Dass der Impfstoff in Verruf geraten ist, hat nichts mit der Stiko zu tun. Es wurde öffentlich auf der vermeintlich schlechteren Wirksamkeit herumgehackt und dabei wurden auch falsche Daten herangezogen. Die Stiko muss sich aber an Evidenz halten. Das war kein Fehler. Die jetzt aktualisierte Empfehlung erfolgte innerhalb von drei Tagen nach Bekanntwerden der Daten. Viele europäische Länder einschließlich Schweden haben die Altersgrenze unter 65 festgelegt.
Kein Impfstoff hat eine Zulassung für Kinder. Erwarten Sie, dass alle Impfstoffe für Kinder geeignet sind? MERTENS Ich bin sicher, dass es einen Impfstoff für Kinder geben wird. Derzeit untersuchen die Hersteller in Studien, wie ihre Mittel bei Kindern wirken. Diese Studien sind sehr wichtig, schließlich geht es um die Impfung gesunder Kinder, wovon die allermeisten auch ohne Impfung keine Symptome oder keinen schweren Verlauf haben würden. Zudem wissen wir, dass die Nebenwirkungen oft umso stärker sind je jünger die Menschen sind. Andererseits haben Kinder weniger immunologische Vorerfahrung mit Schnupfenviren, das kann die Wirksamkeit beeinflussen.
Werden Kinder noch in diesem Jahr geimpft?
MERTENS Ich bin mir nicht sicher, ob das dieses Jahr noch etwas wird. Vielleicht können wir Ende des Jahres mit der Impfung der Kinder beginnen. Der Biontech-Impfstoff ist ja bereits für 16-Jährige zugelassen.
Was halten Sie eigentlich vom russischen Impfstoff Sputnik V, der in vielen Ländern gegeben wird? MERTENS Das ist ein guter Impfstoff, der vermutlich auch irgendwann in der EU zugelassen wird. Die russischen Forscher sind sehr erfahren mit Impfungen. Sputnik V ist clever gebaut: Wie bei Astrazeneca handelt es sich um einen Vektorimpfstoff, der auf einem Adenovirus basiert. Aber anders als bei Astrazeneca verwendet er zwei unterschiedliche Vektorviren für die erste und zweite Dosis. Das ist sehr klug, denn dadurch kann er potenziell auftretende Wirksamkeitsverluste durch Immunantworten gegen die Vektoren verhindern.
Welche Mutation macht Ihnen denn die meisten Sorgen?
MERTENS Wenn sich die Spike-Proteine, die den Coronaviren ihr stacheliges Aussehen verleihen, zu stark verändern, können die Impfstoffe diese Mutanten nicht mehr erfassen. Sorgen machen uns die Varianten aus Südafrika, Brasilien und New York. Allerdings ist hier die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe noch nicht gut untersucht. Die gute Nachricht ist, dass die Hersteller ihre Impfstoffe anpassen können. Besonders schnell geht das bei mRNA-Impfstoffen, das dauert im Labor etwa sechs Wochen. Mehr Zeit braucht man bei Vektorimpfstoffen und noch mehr Zeit bei Impfstoffen aus Zellkulturen, wie dem aus China.