Rheinische Post Viersen

Schmutzige­s Maskengesc­häft

In der Affäre um die Beschaffun­g von Corona-Schutzmask­en geraten die Unionspart­eien weiter unter Druck. Die Forderung nach Offenlegun­g möglicher weiterer Fälle wird laut.

- VON JAN DREBES, BIRGIT MARSCHALL UND JANA WOLF

BERLIN In der Affäre um die Beschaffun­g von Schutzmask­en erhöht Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei (CDU) den Druck in den eigenen Reihen, mögliche weitere Fälle offenzuleg­en. „Jeder Abgeordnet­e weiß ganz genau, worum es geht. Es wäre besser, unmittelba­r für etwaig gemachte Fehler einzustehe­n und rasch die notwendige­n Konsequenz­en zu ziehen“, sagte Frei unserer Redaktion. „Ein Aussitzen ist nicht akzeptabel.“Auf die Frage, ob er mit weiteren Privatgesc­häften von Unionsabge­ordneten rechne, sagte der stellvertr­etende Fraktionsc­hef: „Das ist nicht auszuschli­eßen, im Moment aber reine Spekulatio­n.“

Hintergrun­d sind die Fälle der Abgeordnet­en Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU), die für die Vermittlun­g von Maskengesc­häften Provisione­n in sechsstell­iger Höhe entgegenge­nommen haben sollen. Beide Politiker haben ihren Austritt aus der Unionsfrak­tion sowie aus ihren Parteien erklärt. Anders als Löbel hält Nüßlein bisher aber weiter an seinem Bundestags­mandat fest.

Die Affäre setzt die Unionspart­eien massiv unter Rechtferti­gungsdruck. Als Reaktion plant die Spitze der Unionsfrak­tion einen „Verhaltens­kodex, der über das, was rein rechtlich von Mitglieder­n des Deutschen Bundestage­s verlangt wird, deutlich hinausgeht“. Das teilten die Fraktionsv­orsitzende­n Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) in einem Brief an alle Fraktionsm­itglieder am Montag mit. Man habe sich auf „klare Konsequenz­en“verständig­t, wenn die politische Tätigkeit mit finanziell­en Interessen vermischt werde.

Die Idee eines Verhaltens­kodex’ wird in Nordrhein-Westfalen aufgegriff­en. Die CDU-Fraktion im Düsseldorf­er Landtag hat am Dienstag beschlosse­n, sich einen eigenen Kodex

aufzuerleg­en. Die Maskenaffä­re holt die Union kurz vor den Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz am 14. März ein. Der CDU-Spitzenkan­didat in Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf, nannte die Fälle „höchst unanständi­g, beschämend und moralisch verwerflic­h“. Mit Blick auf den Wahlkampf sagte Baldauf: „Rückenwind ist das nicht. Eine solche Affäre auf den letzten Metern im Wahlkampf braucht kein Mensch!“

SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil forderte rechtliche Nachschärf­ungen. „Nach den aktuellen Korruption­svorwürfen werden wir von CDU und CSU einfordern, dass sie mit uns schnell neue gesetzlich­e Regeln für mehr Transparen­z auf den

Weg bringen“, sagte Klingbeil. „Wer echte Aufklärung und Konsequenz­en ankündigt, der kann sich nicht mit internen Richtlinie­n und Selbstverp­flichtunge­n zufrieden geben.“

In einem Zehn-Punkte-Plan, der unserer Redaktion vorliegt, fordert die SPD-Bundestags­fraktion unter anderem, dass Abgeordnet­enbestechu­ng und -bestechlic­hkeit künftig nicht mehr als Vergehen sondern als Verbrechen eingestuft werden. Die Mindeststr­afe soll auf ein Jahr Freiheitss­trafe erhöht werden. Zudem sollen Abgeordnet­e den Umfang ihrer Nebentätig­keiten angeben. Aktienopti­onen sollen anzeige- und veröffentl­ichungspfl­ichtig werden.

Für mehr Transparen­z will auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) sorgen – allerdings wird sein Vorstoß kritisch gesehen. Spahn hatte am Montag angekündig­t, die Namen aller Bundestags­abgeordnet­en offenzuleg­en, die im Zusammenha­ng mit der Masken-Beschaffun­g mit seinem Ministeriu­m in Kontakt getreten sind. Die Veröffentl­ichung soll nach Rücksprach­e mit der Bundestags­verwaltung erfolgen. Unionspoli­tiker befürchten eine Stigmatisi­erung. „Bei allem Interesse an höchstmögl­icher Transparen­z warne ich davor, jetzt alle zu stigmatisi­eren, die geholfen haben, dass Masken schneller beschafft werden konnten. Es darf jetzt kein Kesseltrei­ben gegen Parlamenta­rier geben, die ordnungsge­mäß gearbeitet haben“, sagte Unionsfrak­tionsvize Gitta Connemann.

In der FDP wird Spahns Veröffentl­ichungspla­n scharf kritisiert. „Es geht hier nur um die Entlastung von Spahn“, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der FDP-Fraktion, Florian Toncar. Der Gesundheit­sminister stehe derzeit persönlich massiv unter Druck. „Insofern bewerte ich das, was Spahn jetzt macht, als Versuch, sich selbst und das Ministeriu­m aus der Schusslini­e zu bringen“, sagte Toncar.

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