Schmutziges Maskengeschäft
In der Affäre um die Beschaffung von Corona-Schutzmasken geraten die Unionsparteien weiter unter Druck. Die Forderung nach Offenlegung möglicher weiterer Fälle wird laut.
BERLIN In der Affäre um die Beschaffung von Schutzmasken erhöht Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) den Druck in den eigenen Reihen, mögliche weitere Fälle offenzulegen. „Jeder Abgeordnete weiß ganz genau, worum es geht. Es wäre besser, unmittelbar für etwaig gemachte Fehler einzustehen und rasch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen“, sagte Frei unserer Redaktion. „Ein Aussitzen ist nicht akzeptabel.“Auf die Frage, ob er mit weiteren Privatgeschäften von Unionsabgeordneten rechne, sagte der stellvertretende Fraktionschef: „Das ist nicht auszuschließen, im Moment aber reine Spekulation.“
Hintergrund sind die Fälle der Abgeordneten Georg Nüßlein (CSU) und Nikolas Löbel (CDU), die für die Vermittlung von Maskengeschäften Provisionen in sechsstelliger Höhe entgegengenommen haben sollen. Beide Politiker haben ihren Austritt aus der Unionsfraktion sowie aus ihren Parteien erklärt. Anders als Löbel hält Nüßlein bisher aber weiter an seinem Bundestagsmandat fest.
Die Affäre setzt die Unionsparteien massiv unter Rechtfertigungsdruck. Als Reaktion plant die Spitze der Unionsfraktion einen „Verhaltenskodex, der über das, was rein rechtlich von Mitgliedern des Deutschen Bundestages verlangt wird, deutlich hinausgeht“. Das teilten die Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) in einem Brief an alle Fraktionsmitglieder am Montag mit. Man habe sich auf „klare Konsequenzen“verständigt, wenn die politische Tätigkeit mit finanziellen Interessen vermischt werde.
Die Idee eines Verhaltenskodex’ wird in Nordrhein-Westfalen aufgegriffen. Die CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hat am Dienstag beschlossen, sich einen eigenen Kodex
aufzuerlegen. Die Maskenaffäre holt die Union kurz vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 14. März ein. Der CDU-Spitzenkandidat in Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf, nannte die Fälle „höchst unanständig, beschämend und moralisch verwerflich“. Mit Blick auf den Wahlkampf sagte Baldauf: „Rückenwind ist das nicht. Eine solche Affäre auf den letzten Metern im Wahlkampf braucht kein Mensch!“
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte rechtliche Nachschärfungen. „Nach den aktuellen Korruptionsvorwürfen werden wir von CDU und CSU einfordern, dass sie mit uns schnell neue gesetzliche Regeln für mehr Transparenz auf den
Weg bringen“, sagte Klingbeil. „Wer echte Aufklärung und Konsequenzen ankündigt, der kann sich nicht mit internen Richtlinien und Selbstverpflichtungen zufrieden geben.“
In einem Zehn-Punkte-Plan, der unserer Redaktion vorliegt, fordert die SPD-Bundestagsfraktion unter anderem, dass Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit künftig nicht mehr als Vergehen sondern als Verbrechen eingestuft werden. Die Mindeststrafe soll auf ein Jahr Freiheitsstrafe erhöht werden. Zudem sollen Abgeordnete den Umfang ihrer Nebentätigkeiten angeben. Aktienoptionen sollen anzeige- und veröffentlichungspflichtig werden.
Für mehr Transparenz will auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgen – allerdings wird sein Vorstoß kritisch gesehen. Spahn hatte am Montag angekündigt, die Namen aller Bundestagsabgeordneten offenzulegen, die im Zusammenhang mit der Masken-Beschaffung mit seinem Ministerium in Kontakt getreten sind. Die Veröffentlichung soll nach Rücksprache mit der Bundestagsverwaltung erfolgen. Unionspolitiker befürchten eine Stigmatisierung. „Bei allem Interesse an höchstmöglicher Transparenz warne ich davor, jetzt alle zu stigmatisieren, die geholfen haben, dass Masken schneller beschafft werden konnten. Es darf jetzt kein Kesseltreiben gegen Parlamentarier geben, die ordnungsgemäß gearbeitet haben“, sagte Unionsfraktionsvize Gitta Connemann.
In der FDP wird Spahns Veröffentlichungsplan scharf kritisiert. „Es geht hier nur um die Entlastung von Spahn“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Florian Toncar. Der Gesundheitsminister stehe derzeit persönlich massiv unter Druck. „Insofern bewerte ich das, was Spahn jetzt macht, als Versuch, sich selbst und das Ministerium aus der Schusslinie zu bringen“, sagte Toncar.