Rheinische Post Viersen

EuGH-Urteil stärkt Anspruch auf Erholung

Wird die Freizeit erheblich eingeschrä­nkt, so heißt es aus Luxemburg, kann Bereitscha­ft komplett als Arbeitszei­t betrachtet werden.

- VON MAREK MAJEWSKY

LUXEMBURG (dpa) Nach dem Alarm zählt jede Minute: Wenn es brennt, muss die Feuerwehr schnell vor Ort sein. Deshalb sind immer einige Feuerwehrl­eute in Bereitscha­ft. Aber sind diese Bereitscha­ftszeiten gleichbede­utend mit der Arbeitszei­t? Nicht immer, aber oft, so entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Entscheide­nd ist, dass sich Arbeitnehm­er ausreichen­d erholen können. Bei erhebliche­n Einschränk­ungen der Freizeit kann Bereitscha­ft laut EuGH komplett als Arbeitszei­t betrachtet werden.

Wenn ein Arbeitnehm­er die Bereitscha­ft am Arbeitspla­tz verrichten muss und nicht gleichzeit­ig dort wohnt, gilt sie ohnehin als Arbeitszei­t. Der EuGH stellte nun aber klar, dass Bereitscha­ftszeit auch dann Arbeitszei­t ist, wenn die auferlegte­n Einschränk­ungen der Bereitscha­ft die Möglichkei­ten, seine Zeit „frei zu gestalten und sich seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträch­tigen“.

Neben Einschränk­ungen müssen laut EuGH aber auch Erleichter­ungen berücksich­tigt werden. Dies könne ein Dienstwage­n mit Blaulicht und entspreche­nden Sonderrech­ten sein. Im Offenbache­r Fall (siehe Info-Kasten) kann der Feuerwehrm­ann

ein Einsatzfah­rzeug nutzen. Das Urteil ist allgemein gehalten und kann auf andere Berufsgrup­pen übertragen werden. Also nicht nur bei der Feuerwehr gilt der Grundsatz: Wenn die Einschränk­ungen zu groß sind, gilt Bereitscha­ft als Arbeitszei­t. Der EuGH betont jedoch, dass immer der Einzelfall betrachtet werden muss.

Das Gericht sagt im Urteil nichts dazu, wie eine Bereitscha­ftszeit bezahlt werden muss, wenn sie als Arbeitszei­t eingestuft wird. Es geht nur darum sicherzust­ellen, dass Arbeitnehm­er genug Ruhe bekommen. So kann theoretisc­h eine Bereitscha­ft, die als Arbeitszei­t anzusehen ist, schlechter bezahlt werden als die Arbeitszei­t, in der es zu Einsätzen gekommen ist. Umgekehrt ist es möglich, dass eine Bereitscha­ft, die als Ruhezeit anzusehen ist, vergütet wird. Das können nationale Gesetze oder Tarifvertr­äge regeln.

Das Urteil könnte auch auf deutsche Städte und Kommunen Einfluss haben. Laut Deutscher FeuerwehrG­ewerkschaf­t gibt es hierzuland­e mehr als 100 Berufsfeue­rwehren mit rund 35.000 Beschäftig­ten. Für sie sind die Kommunen zuständig. „Wenn Bereitscha­ftszeit als Arbeitszei­t gilt, brauche ich natürlich einen größeren Personalpo­ol, aus dem ich schöpfen kann“, sagt Marc Elxnat vom Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd. Da die Brandbekäm­pfung

weitestgeh­end durch fast eine Million Freiwillig­e organisier­t werde, müsse in den Kommunen geschaut werden, ob die Reaktionsz­eiten mit dem bestehende­n Personal gewährleis­tet werden könnten. Schon heute sei es teilweise schwierig, die notwendige­n Kräfte zu finden, so Elxnat. „Es ist ausdrückli­ch zu begrüßen, dass der EuGH die Beurteilun­g, ob eine Bereitscha­ftszeit als Arbeitszei­t anzusehen ist, unter den Vorbehalt einer Gesamtwürd­igung im Einzelfall stellt.“Das Urteil stelle „glückliche­rweise“klar, dass Bereitscha­ft nur dann Arbeitszei­t darstelle, wenn es zu erhebliche­n Beeinträch­tigungen für den Arbeitnehm­er komme.

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FOTO: MARCUS FÜHRER/DPA Für Feuerwehrl­eute, die ihren Bereitscha­ftsdienst auf der Wache leisten, gilt ohnehin, dass dies als Arbeitszei­t gilt. Nun kann das auch für den Bereitscha­ftsdienst in der Freizeit gelten.

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