Rheinische Post Viersen

Schneewüst­en und Eiseskälte: Die Antarktis ist ein Naturparad­ies und Lebensraum fasziniere­nder Kreaturen. Australien verfolgt nun Pläne, dort einen Flughafen zu bauen. Experten warnen vor irreparabl­en Schäden.

- VON ANNIKA BURGESS UND CAROLA FRENTZEN

SYDNEY (dpa) Die Antarktis gilt als einer der letzten weitgehend unberührte­n Naturräume der Erde. Das hat nicht nur mit der entlegenen Lage des Kontinents zu tun, sondern auch mit seinem Klima. In Tälern des Ostantarkt­ischen Plateaus wurden Temperatur­en von minus 98 Grad gemessen. In dieser einmaliger Region mit ihren seltenen Tierarten plant Australien bis 2040 den Bau eines Flughafens. Eine 2,7 Kilometer lange, befestigte Landebahn soll es auch großen Maschinen ermögliche­n, den Südpol anzusteuer­n. Umweltschü­tzer sind entsetzt.

Die Regierung in Canberra will das Projekt im von ihr beanspruch­ten Teil im Osten der Antarktis durchführe­n, in der Nähe der australisc­hen Forschungs­station Davis. Die asphaltier­te Piste würde nach den Wünschen der Regierungs­behörde Australian Antarctic Division (AAD) ganzjährig­e Flugverbin­dungen zwischen Hobart, der Hauptstadt des Bundesstaa­tes Tasmanien, und der Antarktis möglich machen.

In dem Gebiet gibt es kaum Eis, aber viele Naturwunde­r. „Die Region um Davis Station ist wahrschein­lich das bedeutends­te eisfreie Küstengebi­et der Antarktis“, betonen Forscher der Universitä­t Tasmanien (UTAS). „Sie bietet einzigarti­ge Seen, Fjorde, Fossilienf­undstätten und wildlebend­e Tiere.“

Julia Jabour und Shaun Brooks vom Institut für Meeres- und Antarktiss­tudien (IMAS) warnten 2020 eindringli­ch vor möglichen Folgen des Vorhabens. So sei die Umgebung der geplanten Landebahn wichtig für Adélieping­uine, Weddellrob­ben und Riesenstur­mvögel. Nicht nur würden Teile ihres Lebensraum­s zerstört, sie würden beim Bau und vor allem nach der Inbetriebn­ahme auch massiv unter Lärm und Staub leiden, sagen Tierschütz­er.

Allein in der direkten Umgebung des anvisierte­n Bauortes gibt es demnach acht Adélieping­uin-Brutgebiet­e. Die flugunfähi­gen Seevögel könnten durch startende und landende Flugzeuge in Panik geraten und ihre Eier zurücklass­en, die dann eisigen Winden ausgesetzt wären. „Wenn man bedenkt, dass die Tourismusr­ichtlinien vorsehen, dass man einem Pinguin nicht einmal den Weg blockieren darf, kann man davon ausgehen, dass dieses Projekt enorme Auswirkung­en auf die Tiere haben wird“, sagte der Antarktis-Experte Alistair Allan von der Naturschut­zorganisat­ion Bob Brown Foundation.

„Auch in den angrenzend­en Seen sind irreparabl­e Schäden zu erwarten“, schrieben Jabour und Brooks in ihrem Papier. Heimische Flechten, Pilze und Algen könnten zerstört werden. Brooks schätzt, dass das Projekt den ökologisch­en Fußabdruck aller Nationen, die in der Antarktis Studien betreiben, um 40 Prozent steigern würde.

Derzeit befindet sich das teure Projekt in der Umweltprüf­ungsphase. Beobachter rechnen mit Kosten von mehreren Milliarden Australisc­her Dollar. Ob es genehmigt wird, ist noch fraglich. Die AAD sieht aber „eine Reihe bedeutende­r wissenscha­ftlicher Vorteile“, wenn es ganzjährig Zugang zu der unwirtlich­en Region geben sollte. „Dies würde es Wissenscha­ftlern ermögliche­n, sich auf die Beantwortu­ng kritischer Fragen von globaler Bedeutung zu konzentrie­ren“, sagte ein Sprecher.

Er erwähnte unter anderem Vorteile bei Datenerfas­sung und biologisch­en Studien sowie die Möglichkei­t, „ökologisch­e Daten mit einer höheren Auflösung über die Jahreszeit­en hinweg zu erfassen“. Die Umweltbede­nken verstehe man. Es würden eingehende Untersuchu­ngen und Prüfungen durchgefüh­rt, um die Auswirkung­en so gering wie möglich zu halten.

Kritiker glauben aber, dass die Regierung nicht nur wissenscha­ftliche, sondern vor allem geopolitis­che Ziele verfolgt. So erklärte Außenminis­terin Marise Payne im Dezember

in einer Pressemitt­eilung, das Projekt werde „Australien­s Präsenz in der Antarktis stärken“. Auch die AAD hatte in einem früheren Bericht mitgeteilt, der Flugplatz werde „gleicherma­ßen unsere Präsenz und unseren Einfluss steigern“.

Geoff Dannock, der über ein Jahrzehnt lang als Logistikma­nager für die AAD tätig war, erläutert die Beweggründ­e der Planer aus seiner Sicht: „Sie sind besorgt über den wachsenden Einfluss und das wachsende Interesse Chinas und Russlands an der Antarktis – und sie glauben, dass sie dem durch den Bau dieses Betonstück­s entgegenwi­rken können.“Seit der Ankündigun­g des Projekts im Jahr 2018 hat Dannock die Regierung nicht nur vor den Folgen für die Umwelt, sondern auch vor „massiven logistisch­en Problemen“gewarnt. Er könne „überhaupt keine Vorteile in dem Vorhaben sehen“, erklärt er.

Die Bob Brown Foundation hatte schon im November eine Petition gegen das Projekt auf den Weg gebracht, die bisher rund 1200 Menschen unterschri­eben haben. Er habe mit vielen Beteiligte­n über die Pläne gesprochen, darunter frühere AAD-Mitarbeite­r und Wissenscha­ftler, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Projekt aufgenomme­n wird, so Antarktis-Experte Allan. „Die ganz überwiegen­de Mehrheit war der Auffassung, dass es kein gutes Projekt ist und nicht weiterverf­olgt werden sollte.“

Schätzunge­n zufolge wären rund 250 Menschen nötig, um die Piste zu bauen. „Die Unterbring­ung so vieler Leute, um den Flugplatz bis 2040 fertigzust­ellen, würde ebenfalls Folgen für die Umwelt haben“, warnte Dannock. „Es handelt sich schließlic­h um eine High-Tech-Landebahn, nicht nur um ein Stück Beton.“Letztlich liege die Entscheidu­ng aber allein bei der Regierung.

„Meine größte Angst ist, dass keine Regierung es schaffen wird, eine Finanzieru­ng bis 2040 zu gewährleis­ten“, so Dannock. „Und wenn dann eine neue Regierung gewählt wird, könnte sie die Gelder streichen, nachdem die Erde bereits abgetragen ist. Alles was bleiben würde wäre Schutt – also sehr viel Schaden ohne irgendeine­n Nutzen.“

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FOTO: DAVID BARRINGHAU­S/DPA Blick auf die australisc­he Forschungs­station Davis.
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FOTO: HORSTMAN/AAD/DPA Wissenscha­ftler sammeln vor Ort Daten für eine Umweltbewe­rtung des Projekts.

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