Bénes könnte von Roses Abgang profitieren
Mit Augsburg könnte der Slowake seinen eigenen Borussia-Ambitionen schaden. Doch die Leihe hat sich schon gelohnt.
Es lief die zweite Minute im Berliner Olympiastadion, als alle Gladbach-Fans sich ins Jahr 2017 zurückversetzt fühlen durften: Tobias Strobl spielte links in den Strafraum zu André Hahn, der verlängerte per Kopf auf Laszlo Bénes, der per Direktabnahme zum 1:0 traf. Ein grünes Trikot trug das Trio immerhin, doch auf der Brust war das Vereinslogo des FC Augsburg zu sehen.
Während Hahn beim FCA vor Jahren den Durchbruch schaffte und Strobl seit dem vergangenen Sommer da ist, ist Bénes noch ganz frisch im Team. Der Slowake nimmt erneut einen Karriereumweg als Leihspieler, um gestärkt zu Borussia zurückzukehren. Um sein erstes Bundesligator seit vier Jahren als Befreiungsschlag zu bezeichnen, liefen allerdings die folgenden 88 Minuten gegen Hertha BSC zu schlecht. Kurz vor Schluss verlor Augsburg mit 1:2 und führt mit 26 Punkten auf Platz 13 das untere Tabellendrittel an.
Bénes‘ Trainer Heiko Herrlich hatte seinen Winter-Zugang noch vor dem Spiel verteidigt. „Bei Offensivspielern legt man oft den Maßstab an, sie nach Toren und Vorbereitungen zu bewerten“, meinte Herrlich, noch ein Ex-Borusse. „Aber es gibt auch den vorletzten Pass oder den Pass, der das Spiel schnell macht für eine Spielverlagerung.“Er sei sicher, Bénes werde „irgendwann diese messbaren Zahlen liefern“. Dass es am Samstag prompt so kam, lieferte die Vorlage für eine dieser potenziell kitschigen Geschichten. Denn Bénes hatte gegen Hertha im April 2017 bei seinem ersten Startelf-Einsatz für Gladbach sein erstes und für fast vier Jahre letztes Bundesliga-Tor erzielt. Doch die schöne Story verpuffte, weil Augsburg noch verlor.
Trotzdem hat sich die Leihe für Bénes, der Ende Januar selbst darauf gedrängt hatte, schon jetzt gelohnt. Der 23-Jährige stand bislang in allen fünf Spielen in der Startelf, durfte im Schnitt 69 Minuten ran. Herrlich stellt ihn meist als Zehner auf, gegen den Ball ist Bénes beinahe Stürmer. Doch auf dem Feld hält er sich deshalb nicht unbedingt weiter vorne auf als in Gladbach, wo er Sechser oder Achter war. Denn der FCA steht unter Herrlich enorm tief, selbst gegen einen kriselnden Gegner wie Hertha.
In Krisenverfassung kommt auch der nächste Gegner am Freitag: Er heißt Borussia Mönchengladbach. Als Bénes am 1. Februar kurz vor dem Ende der Transferperiode verliehen wurde, stand der Klub, bei dem er bis 2024 einen Vertrag hat, auf dem siebten Platz, nur einen Punkt hinter den Champions-League-Rängen. Seitdem ist ein Zähler dazugekommen und der Abstand auf neun angewachsen. Wenn Bénes im Sommer nach Gladbach zurückkommt, wird ihn ein anderer Trainer begrüßen, so wie 2019, als er unter Dieter
Hecking an Holstein Kiel abgegeben wurde und ein paar Monate Marco Rose der Neue war.
Bénes wird der Wechsel nicht ungelegen kommen. Er zählt zu der Fraktion, die Rose selbst erwähnte, als es darum ging, ob Spieler enttäuscht seien angesichts seines Wechsels: zu den potenziellen Profiteuren. In der Hinrunde der Saison 2019/20 war Bénes Stammspieler, brillierte auf der Acht, Florian Neuhaus saß öfter auf der Bank, weil sein gleichaltriger Konkurrent mit dem starken linken Fuß ein wichtiger
Scharnierspieler in Roses System war und starke Standards schoss. Kurz vor Weihnachten endete die schöne Zeit abrupt. „Wir waren lange Erster, zur Winterpause Zweiter. Doch schon in den ersten acht Rückrundenspielen habe ich null Minuten gespielt“, erinnerte Bénes sich im Interview mit unserer Redaktion. „Natürlich habe ich mit dem Trainer darüber gesprochen. Aber ich weiß bis jetzt nicht genau, warum.“
In einem Interessenskonflikt wird sich Bénes am Freitag nicht wähnen, er hat angekündigt, in Gedanken nur beim FCA zu sein. Doch Borussia hat Punkte bitternötig, um nächste Saison wenigstens in der neuen Europa Conference League international dabei zu sein. In Augsburg sammelt Bénes derweil neue Erfahrungen in seiner Karriere, er hat mit Gladbach zuletzt noch Champions League gespielt, in der 2. Bundesliga mischte er mit Kiel vorne mit. Nun steht sein Team an der Schwelle zwischen ruhigen Gefilden und Abstiegskampf.
Das kommende Spiel wird sowohl für den Augsburger als auch für den Gladbacher Bénes wegweisend. Im Juli ist Rose weg, vielleicht werden in Neuhaus und Denis Zakaria auch zwei Mittelfeld-Konkurrenten gehen. Die Perspektive für den nächsten Anlauf könnte schlechter sein.