Chronisch Kranke haben das Nachsehen
Es war ein hoher, aber berechtigter Anspruch. Nach medizinisch-ethischen Kriterien sollte in Deutschland festgelegt werden, wer zuerst geimpft werden darf, wer danach und wer erst ganz zum Schluss. Jetzt zeigt sich: Der erste Schritt, in den Pflegeheimen und bei den über 80-Jährigen zu beginnen, war richtig gewählt und bringt dieser Gruppe große Erleichterung. Die strengen Hygieneauflagen in den Seniorenheimen können bereits gelockert werden: Umarmungen und Kaffeetrinken sind wieder möglich.
Der Erfolg könnte die politisch Verantwortlichen eigentlich darin bestärken, den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission zur Priorisierung auch weiterhin Folge zu leisten. Das ist aber schon längst nicht mehr der Fall. Die sehr verletzliche Gruppe der chronisch Kranken – dazu zählen etwa Diabetiker, Krebsoder Alzheimerpatienten – ist de facto nach hinten gerutscht. Frühestens Ende März können einige von ihnen darauf hoffen, von ihren Hausärzten einen Impftermin angeboten zu bekommen. 150.000 Impfdosen stehen dann einer Gruppe zur Verfügung, die in Nordrhein-Westfalen ein bis zwei Millionen Menschen umfasst. Bis die chronisch Kranken durchgeimpft sind, dürfte es also noch einige Wochen dauern. Ähnliches gilt für die über 70-Jährigen, die beim Impfen noch später an der Reihe sind, aber in den Sterbestatistiken ganz oben stehen. Sie können erst ab Mitte April auf Impftermine hoffen.
Daraus folgt: Wenn schon die empfohlene Impfreihenfolge verlassen wurde, dann müssen diese äußerst vulnerablen Gruppen wenigstens bei weiteren Lockerungen stärker berücksichtigt werden. Denn jeder Schritt zu mehr Freiheit für andere bedeutet für sie ein enorm hohes Risiko. Dessen sollten sich die Befürworter schneller Lockerungen stets bewusst sein. BERICHT LOCKERUNGEN FÜR ALTENHEIME IN NRW, TITELSEITE