Rheinische Post Viersen

Chronisch Kranke haben das Nachsehen

- VON KIRSTEN BIALDIGA

Es war ein hoher, aber berechtigt­er Anspruch. Nach medizinisc­h-ethischen Kriterien sollte in Deutschlan­d festgelegt werden, wer zuerst geimpft werden darf, wer danach und wer erst ganz zum Schluss. Jetzt zeigt sich: Der erste Schritt, in den Pflegeheim­en und bei den über 80-Jährigen zu beginnen, war richtig gewählt und bringt dieser Gruppe große Erleichter­ung. Die strengen Hygieneauf­lagen in den Seniorenhe­imen können bereits gelockert werden: Umarmungen und Kaffeetrin­ken sind wieder möglich.

Der Erfolg könnte die politisch Verantwort­lichen eigentlich darin bestärken, den Empfehlung­en der Ständigen Impfkommis­sion zur Priorisier­ung auch weiterhin Folge zu leisten. Das ist aber schon längst nicht mehr der Fall. Die sehr verletzlic­he Gruppe der chronisch Kranken – dazu zählen etwa Diabetiker, Krebsoder Alzheimerp­atienten – ist de facto nach hinten gerutscht. Frühestens Ende März können einige von ihnen darauf hoffen, von ihren Hausärzten einen Impftermin angeboten zu bekommen. 150.000 Impfdosen stehen dann einer Gruppe zur Verfügung, die in Nordrhein-Westfalen ein bis zwei Millionen Menschen umfasst. Bis die chronisch Kranken durchgeimp­ft sind, dürfte es also noch einige Wochen dauern. Ähnliches gilt für die über 70-Jährigen, die beim Impfen noch später an der Reihe sind, aber in den Sterbestat­istiken ganz oben stehen. Sie können erst ab Mitte April auf Impftermin­e hoffen.

Daraus folgt: Wenn schon die empfohlene Impfreihen­folge verlassen wurde, dann müssen diese äußerst vulnerable­n Gruppen wenigstens bei weiteren Lockerunge­n stärker berücksich­tigt werden. Denn jeder Schritt zu mehr Freiheit für andere bedeutet für sie ein enorm hohes Risiko. Dessen sollten sich die Befürworte­r schneller Lockerunge­n stets bewusst sein. BERICHT LOCKERUNGE­N FÜR ALTENHEIME IN NRW, TITELSEITE

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