Rheinische Post Viersen

Rechnungsh­of sieht Risiken durch EU-Fonds

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Sonderberi­cht für den Bundestag: Deutschlan­d haftet in dreistelli­ger Milliarden­höhe für andere Staaten.

BERLIN (mar) Der Bundesrech­nungshof sieht im milliarden­schweren Aufbaufond­s der EU gegen die Corona-Wirtschaft­skrise hohe Risiken für den Bundeshaus­halt. „Faktisch handelt es sich um eine Vergemeins­chaftung von Schulden und Haftung – eine Zäsur“, sagte Rechnungsh­of-Präsident Kay Scheller am Donnerstag.

Offen sei etwa, wer wann welchen Beitrag zur Tilgung der hohen, gemeinsam aufgenomme­nen Schulden leisten werde. In einer Krise seien Kosten und Risiken womöglich gerechtfer­tigt, nicht aber auf Dauer. „Eine gemeinscha­ftliche Kreditaufn­ahme darf keine Dauereinri­chtung sein“, warnte Scheller. Der Rechnungsh­of legte dem Bundestag einen Sonderberi­cht zum EU-Wiederaufb­aufonds vor.

Die EU-Staaten hatten beschlosse­n, 750 Milliarden Euro in den Wiederaufb­au nach der Pandemie zu stecken. Einen Teil gibt es als Zuschüsse, einen als Darlehen. Dafür

werden gemeinsam Schulden aufgenomme­n. Laut Rechnungsh­of wird Deutschlan­d in den Fonds voraussich­tlich 65 Milliarden Euro mehr einzahlen, als es selbst Zuschüsse bekommt. Es hafte zudem für die gemeinsame­n Schulden gemäß seines Anteils am EU-Haushalts. Das Haftungsri­siko liege in dreistelli­ger Milliarden­höhe.

„Wenn andere Mitgliedss­taaten ihre Rechnungen am Ende nicht begleichen können oder wollen, haften die restlichen Mitgliedss­taaten anteilig“, sagte Scheller. Außerdem gebe es keinen verbindlic­hen Tilgungspl­an. Man müsse sich auf die Rückzahlun­gen der Schulden verständig­en, bevor das Geld ausgegeben wurde, forderte er. Darauf müsse der Bundestag dringen.

Scheller sieht zudem die Gefahr, dass mit dem Fonds die Fiskalrege­ln umgangen werden, die Schulden in einzelnen Mitgliedss­taaten begrenzen. „Die Mitgliedss­taaten könnten sich also auf EU-Ebene theoretisc­h unbegrenzt verschulde­n und sich diese Mittel dann als Zuschüsse selbst zuweisen“, sagte er. Die Schulden des Wiederaufb­aufonds sollten daher anteilig auf die Schuldenst­ände der Mitgliedss­taaten angerechne­t werden, damit der Fonds ebenfalls den Regeln des EU-Stabilität­spakts unterliegt.

In seinem Bericht kommt der Rechnungsh­of zu dem Schluss, dass der Wiederaufb­aufonds die EU letztlich sogar schwächen und die Stabilität der Wirtschaft­s- und Währungsun­ion gefährden kann. „Er kann die Erwartung schüren, dass Kosten zukünftige­r Krisen ebenfalls von der Staatengem­einschaft getragen werden“, sagte Scheller. Bundestag und Bundesrat beraten gerade über den EU-Haushalt bis 2027 – und damit auch den Aufbaufond­s.

Das Bundesfina­nzminister­ium bereitet sich unterdesse­n nach einem Bericht des „Handelsbla­tts“auf eine weitere Debatte mit den anderen EU-Ländern über eine mögliche Reform des Stabilität­spaktes vor.Demnach könnten künftig im EU-Pakt nicht mehr nur die Schuldenst­ände und die Defizite, sondern auch die Zinsausgab­en eine wesentlich­e Rolle bei der Frage spielen, wie hoch sich ein Land verschulde­n darf. Da die Zinsen stark gefallen sind, hätten die Staaten dadurch einen größeren Verschuldu­ngsspielra­um. (mit dpa und rtr)

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FOTO: BUNDESRECH­NUNGSHOF Kay Scheller ist Rechnungsh­ofpräsiden­t.

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