Kraterstimmung in Bosnien
Für Jezero, Namensgeber einer Senke auf dem Mars, hat sich die Raumfahrtmission schon jetzt gelohnt.
BELGRAD/JEZERO Eine bosnische Landgemeinde setzt ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft ganz aufs All. Selbst das Ortswappen des blauen Handschuhs soll nach dem Willen der Bürgermeisterin von Jezero bald dem Roten Planeten weichen. „Falls wir hier nicht die Bedingungen für ein gesundes Leben schaffen sollten, haben wir einen Reserveort“, scherzt Ortsvorsteherin Suzana Ruzicic: „Wir steigen ins Raumschiff – und ab zum Mars.“
Noch ist der erste Monat der Marsmission 2020 nicht beendet. Doch für die bosnischen Namensgeber des gleichnamigen Kraters hat sie sich bereits gelohnt: Die NasaSuche nach Hinweisen auf einstiges Leben auf dem Mars mehrt in dem lange von Armut und Bevölkerungsschwund geplagten Jezero die Hoffnung auf Wiederbelebung – und eine neue Perspektive. Als einer der „definitv schönsten, aber auch ärmsten Orte“in Bosnien und Herzegowina umschreibt die Zeitung „Euro Blic“in Banja Luka die Gemeinde, die nach den Sternen greift. Zwei Drittel der rund 1100 Bewohner sind Serben, ein Drittel muslimische Bosniaken. Die Landung des Nasa-Rovers „Perseverance“im Jezero-Krater unweit des Marsäquators hat das verschlafene Dorf nun in die Schlagzeilen katapultiert.
Unbemerkt von den Einwohnern von Jezero hatte die Internationale Astronomische Union (IAU) den Marskrater wegen des ähnlichen geografischen Profils bereits 2007 nach dem westbosnischen Flecken benannt. Als Ruzicic 2018 erstmals davon hörte, dass die Marsmission ausgerechnet Jezero ansteuern sollte, glaubte sie zunächst an einen Witz. Doch als sie 2019 ein NasaSchreiben mit der Bestätigung des fernen Namensvetters erhielt, ergriff die tatkräftige Juristin die PR-Gelegenheit am Schopf: „Für null bosnische Mark haben wir eine einzigartige Reklame erhalten.“
„Der Weg zu Investitionen beginnt auf dem Mars“, titelt bereits hoffnungsfroh die Zeitung „Glas Srpske“in Banja Luka. Die Marsgeschichte sei schön und nett – aber leben könne man davon auch nicht, maulen skeptische Dorfbewohner. Doch Ortsvorsteherin Ruzicic setzt entschlossen auf die Marsmission als Initialzündung für Öko-Tourismus – und hat bereits heimische Universitäten zur Ausarbeitung von Entwicklungskonzepten gewinnen können. Auch von der Nasa erhofft sich die 44-Jährige Unterstützung: Ein erbetenes Rover-Modell soll zur Attraktion eines dorfeigenen Dokumentationszentrums werden.
Immerhin hat trotz Corona bereits der US-Botschafter aus dem 150 Kilometer entfernten Sarajevo den Weg nach Jezero gefunden. Auch Vertreter der Weltpresse waren zugegen, als im Saal der Grundschule zu Ehren der per Video übertragenen Marslandung ein Volleyballspiel von „Erdlingen“und „Marsbewohnern“ausgetragen wurde – die Erde gewann mit 2:0 Sätzen.