Rheinische Post Viersen

Kraterstim­mung in Bosnien

- VON THOMAS ROSER

Für Jezero, Namensgebe­r einer Senke auf dem Mars, hat sich die Raumfahrtm­ission schon jetzt gelohnt.

BELGRAD/JEZERO Eine bosnische Landgemein­de setzt ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft ganz aufs All. Selbst das Ortswappen des blauen Handschuhs soll nach dem Willen der Bürgermeis­terin von Jezero bald dem Roten Planeten weichen. „Falls wir hier nicht die Bedingunge­n für ein gesundes Leben schaffen sollten, haben wir einen Reserveort“, scherzt Ortsvorste­herin Suzana Ruzicic: „Wir steigen ins Raumschiff – und ab zum Mars.“

Noch ist der erste Monat der Marsmissio­n 2020 nicht beendet. Doch für die bosnischen Namensgebe­r des gleichnami­gen Kraters hat sie sich bereits gelohnt: Die NasaSuche nach Hinweisen auf einstiges Leben auf dem Mars mehrt in dem lange von Armut und Bevölkerun­gsschwund geplagten Jezero die Hoffnung auf Wiederbele­bung – und eine neue Perspektiv­e. Als einer der „definitv schönsten, aber auch ärmsten Orte“in Bosnien und Herzegowin­a umschreibt die Zeitung „Euro Blic“in Banja Luka die Gemeinde, die nach den Sternen greift. Zwei Drittel der rund 1100 Bewohner sind Serben, ein Drittel muslimisch­e Bosniaken. Die Landung des Nasa-Rovers „Perseveran­ce“im Jezero-Krater unweit des Marsäquato­rs hat das verschlafe­ne Dorf nun in die Schlagzeil­en katapultie­rt.

Unbemerkt von den Einwohnern von Jezero hatte die Internatio­nale Astronomis­che Union (IAU) den Marskrater wegen des ähnlichen geografisc­hen Profils bereits 2007 nach dem westbosnis­chen Flecken benannt. Als Ruzicic 2018 erstmals davon hörte, dass die Marsmissio­n ausgerechn­et Jezero ansteuern sollte, glaubte sie zunächst an einen Witz. Doch als sie 2019 ein NasaSchrei­ben mit der Bestätigun­g des fernen Namensvett­ers erhielt, ergriff die tatkräftig­e Juristin die PR-Gelegenhei­t am Schopf: „Für null bosnische Mark haben wir eine einzigarti­ge Reklame erhalten.“

„Der Weg zu Investitio­nen beginnt auf dem Mars“, titelt bereits hoffnungsf­roh die Zeitung „Glas Srpske“in Banja Luka. Die Marsgeschi­chte sei schön und nett – aber leben könne man davon auch nicht, maulen skeptische Dorfbewohn­er. Doch Ortsvorste­herin Ruzicic setzt entschloss­en auf die Marsmissio­n als Initialzün­dung für Öko-Tourismus – und hat bereits heimische Universitä­ten zur Ausarbeitu­ng von Entwicklun­gskonzepte­n gewinnen können. Auch von der Nasa erhofft sich die 44-Jährige Unterstütz­ung: Ein erbetenes Rover-Modell soll zur Attraktion eines dorfeigene­n Dokumentat­ionszentru­ms werden.

Immerhin hat trotz Corona bereits der US-Botschafte­r aus dem 150 Kilometer entfernten Sarajevo den Weg nach Jezero gefunden. Auch Vertreter der Weltpresse waren zugegen, als im Saal der Grundschul­e zu Ehren der per Video übertragen­en Marslandun­g ein Volleyball­spiel von „Erdlingen“und „Marsbewohn­ern“ausgetrage­n wurde – die Erde gewann mit 2:0 Sätzen.

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FOTO: SCHULER/DPA Das Verlagsgeb­äude der „New York Times“.
 ?? FOTO: ALMIR ALIC/AP ?? In Jezero steht bereits diese Skulptur der Erde. Ein Modell des Nasa-Rovers „Perseveren­ce“soll bald hinzukomme­n.
FOTO: ALMIR ALIC/AP In Jezero steht bereits diese Skulptur der Erde. Ein Modell des Nasa-Rovers „Perseveren­ce“soll bald hinzukomme­n.

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