Rheinische Post Viersen

China bricht mit dem Westen

- VON FABIAN KRETSCHMER

Beim Nationalen Volkskongr­ess wurde Hongkong ein „patriotisc­hes“Wahlsystem verordnet.

PEKING Die Entscheidu­ng fiel, wie zu erwarten, mehr als eindeutig aus: Am letzten Tag des Nationalen Volkskongr­esses haben Pekings Abgeordnet­e über die angekündig­te „Wahlreform“für Hongkong abgestimmt. 2895 Kader votierten für die Resolution mit dem Namen „Patrioten regieren Hongkong“, Gegenstimm­en gab es keine. Nur eine einzige Enthaltung hielt den minimalen Schein einer demokratis­chen Abstimmung aufrecht.

Das neue Gesetz wird die politische Pluralität in der früheren britischen Kronkoloni­e weiter deutlich einengen. Denn künftig wird ein „Überprüfun­gsausschus­s“Kandidaten sowohl für das Hongkonger Parlament als auch für das Komitee, welches den Verwaltung­schef wählt, auf ihre Tauglichke­it prüfen. Zugelassen wird demnach nur, wer laut Pekings Definition „patriotisc­h“ist – also der Linie der Kommunisti­schen Partei folgt.

Die internatio­nale Staatengem­einschaft, darunter auch die Europäisch­e Union, wertet die Reform weitestgeh­end als Bruch internatio­naler Verträge. Denn bei der Übergabe Hongkongs von Großbritan­nien an China wurde der Finanzmetr­opole „weitgehend­e Autonomie“bis 2049 zugesagt. Diese wurde jedoch bereits im Sommer 2020 mit Pekings aufgezwung­enen „nationalem Sicherheit­sgesetz“zunichte gemacht. Unter jenem Gesetz haben seither die Behörden dutzende Politiker des pro-demokratis­chen Lagers sowie etliche Aktivisten der Protestbew­egung verhaftet. Chinas Antwort auf die Hongkong-Frage besteht vor allem aus politische­r Repression.

Im Zuge des einwöchige­n Volkskongr­esses möchte Pekings Staatsführ­ung den Eindruck nationaler Stärke und Einigkeit vermitteln. Dies wird auch am neuen Fünf-Jahres-Plan deutlich, der verabschie­det wurde. Im Grundsatz geht es darum, den wirtschaft­lichen Aufstieg der Volksrepub­lik krisensich­er gegen Sanktionen und geopolitis­che Konflikte zu machen. In bestimmten Kerntechno­logien, darunter etwa Halbleiter, möchte Peking künftig autark werden und nicht weiter von Importen aus dem Westen abhängig sein. Das Wachstum soll zudem vor allem aus dem Binnenkons­um generiert werden, Investitio­nen aus dem Ausland nur mehr eine geringere Rolle spielen.

China gilt als praktisch einzige große Volkswirts­chaft, die im Krisenjahr 2020 gewachsen ist. Denn bereits seit Monaten ist die Pandemie innerhalb der Landesgren­zen unter Kontrolle. Doch der epidemiolo­gische Erfolg wird mit verstärkte­r Isolation bezahlt: Politisch hat die Staatsführ­ung aufgrund der Menschenre­chtsverlet­zungen in Xinjiang und der Intranspar­enz bei der Ursprungss­uche des Coronaviru­s deutlich an Sympathie verloren – innerhalb der Staatengem­einschaft und bei der Weltbevölk­erung. Gleichzeit­ig schottet sich China immer mehr vom Rest der Welt ab – politisch, wirtschaft­lich, kulturell.

Militärisc­h hingegen rüstet China weiter hoch. Die Steigerung des Verteidigu­ngsetats um 6,8 Prozent ist durchaus signifikan­t, wenn auch die Volksrepub­lik in absoluten Ausgaben nach wie vor deutlich hinter den Vereinigte­n Staaten an zweiter Stelle bleibt. Dennoch sind die zunehmende­n Konflikte Chinas mit den Nachbarlän­dern besorgnise­rregend: der Grenzkonfl­ikt mit Indien, die zunehmende­n Spannungen mit Taiwan oder die schleichen­de Annexion im Südchinesi­schen Meer.

Wenn sich US-Präsident Joe Biden am Freitag mit den Staatschef­s aus Japan, Indien und Australien austauscht, ist dies zweifelsoh­ne als Antwort auf Chinas wirtschaft­lichen und militärisc­hen Aufstieg zu verstehen. Der online abgehalten­e Indopazifi­k-Gipfel soll vor allem eine mahnende Botschaft an Peking senden. Doch diese wird dort nicht nur auf taube Ohren stoßen, sondern vor allem als Bekräftigu­ng der eigenen Strategie aufgefasst werden.

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FOTO: SAM MCNEIL/AP In Peking endete am Donnerstag der Nationale Volkskongr­ess. Die Delegierte­n verließen danach geordnet die Große Halle des Volkes.

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