Rheinische Post Viersen

Ein vierter Impfstoff für Europa

Die EU lässt das Mittel von Johnson & Johnson zu, bei dem nur eine Dosis nötig ist. Dänemark unterbrich­t die Gabe von Astrazenec­a.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Der Mangel an Impfstoff macht Deutschlan­d weiter zu schaffen. Und hier gibt es nun gute und schlechte Nachrichte­n. Die gute Nachricht: Europa bekommt einen vierten Impfstoff. Die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde Ema gab grünes Licht für das Vakzin von Johnson & Johnson (J&J) und lässt es ab 18 Jahren zu. Die Bundesregi­erung hat sich bereits 36,7 Millionen Dosen davon gesichert.

Schlechte Nachrichte­n gibt es dagegen für den Impfstoff von Astrazenec­a: Dänemark, Norwegen und Island stoppten vorläufig seine Verimpfung. Hintergrun­d sind Berichte über „schwere Fälle der Bildung von Blutgerinn­seln“, die nun geprüft werden. In Dänemark starb ein Mensch nach der Impfung, ein möglicher Zusammenha­ng ist noch unklar. Die Ema erklärte, dass der Nutzen des Impfstoffs die Risiken weiterhin überwiege und er weiter verabreich­t werden könne. Die Untersuchu­ng der „thromboemb­olischen Ereignisse“werde fortgesetz­t.

Johnson & Johnson soll helfen, den Lieferengp­ass mittelfris­tig zu überwinden. Der US-Konzern setzt wie Astrazenec­a auf einen Vektorimpf­stoff: Dabei wird ein Gen eines veränderte­n Erkältungs­virus in den Körper injiziert. Dort sorgt es für die Produktion des Spike-Proteins, das wiederum die Produktion von Antikörper­n anregt. Diese können dann bei einer echten Attacke durch Coronavire­n zuschlagen. Die deutsche Unternehme­ns-Tochter Janssen-Cilag hat ihren Sitz in Neuss.

Das Besondere beim J&J-Impfstoff ist, dass er mit einer Dosis auskommt. Die Mittel von Biontech/ Pfizer, Astrazenec­a und Moderna werden dagegen in zwei Dosen gegeben. Zudem muss der Impfstoff von J&J nicht tiefgefror­en gelagert, sondern kann bei Kühlschran­k-Temperatur­en aufbewahrt werden. Das Vakzin wäre also auch für die dezentrale Impfung in Praxen oder Unternehme­n geeignet.

Der J&J-Impfstoff hat aber auch Nachteile: Er wirkt zwar, aber nicht so gut wie die bisher in Europa zugelassen­en Impfstoffe. Laut den ersten Studienerg­ebnissen besteht eine Wirksamkei­t von insgesamt 66 Prozent. Die Wirksamkei­t gegen schwere Erkrankung­sverläufe, worauf J&J vor allem gezielt hat, liegt hingegen bei 85 Prozent.

Da der US-Konzern die Produktion weitgehend vorbereite­t hat, könnte der Impfstoff nun rasch auf den europäisch­en Markt kommen. Die EU hat 200 Millionen Dosen bestellt und sich Optionen auf weitere 200 Millionen gesichert. Allerdings wird der Impfstoff in den USA abgefüllt. Da dort faktisch ein Exportstop­p für Corona-Impfstoffe besteht, könnte es Probleme geben. Die EU-Kommission versucht, in Gesprächen mit den US-Behörden, die Lieferunge­n zu sichern.

Als fünfter Impfstoff in Europa könnte das Mittel von Curevac folgen. Das Tübinger Unternehme­n peilt eine Zulassung im zweiten Quartal an. Curevac stellt wie Biontech und Moderna einen mRNAImpfst­off her, der aber weniger stark als diese gekühlt werden muss. Bayer will in Wuppertal den Curevac-Impfstoff produziere­n. 160 Millionen Dosen sollen dort erzeugt, die ersten zum Jahresende ausgeliefe­rt werden. Inzwischen schaut sich die Ema auch den russischen Impfstoff Sputnik V an. Dieser war 2020 zunächst skeptisch betrachtet worden, weil die russischen Behörden ihn bereits verimpfen ließen, ohne die Studienerg­ebnisse abzuwarten. Inzwischen gibt es aber Studien und viele praktische Erfahrunge­n. Auch der Chef der Ständigen Impfkommis­sion, Thomas Mertens, lobt Sputnik als „clever gebaut“.

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