Rheinische Post Viersen

Millionenf­ache Steuernach­zahlung

Insgesamt hofft der Staat auf 1,6 Milliarden Euro – betroffen sind viele Kurzarbeit­er.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

BERLIN/DÜSSELDORF Auf die mindestens sechs Millionen Menschen, die vergangene­s Jahr zeitweise Kurzarbeit­ergeld bezogen, kommen vielfach Nachzahlun­gen bei der Steuer zu. Dies erklärt das Bundesfina­nzminister­ium in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Bundestags­fraktion. Insgesamt rechnet der Staat mit Einnahmen von 1,6 Milliarden Euro.

Bei angenommen­en sechs Millionen Kurzarbeit­ern – dies war der maximale Wert im April 2020 – käme also, rein rechnerisc­h, eine Nachzahlun­g in Höhe von rund 270 Euro pro Kopf zusammen. „Tatsächlic­h hängt das immer vom Einzelfall ab“, sagt Frank Plankerman, Vorsitzend­er des Steuerbera­terbundes in Düsseldorf, „je mehr Kurzarbeit­ergeld bezogen wurde, umso höher könnte der Betrag sein, den der Fiskus haben will.“

Dabei ist das Kurzarbeit­ergeld selbst steuerfrei. Der bezahlte Betrag wird aber berücksich­tigt, wenn der auf den jeweiligen Bürger anfallende Steuersatz berechnet wird. Dies nennt sich Progressio­nsvorbehal­t. Nach Schätzung der Bundestags­fraktion der Linken könnte es bei manchen Bürgern zu Nachzahlun­gen von mehr als 1000 Euro kommen. „Wir fordern das Aussetzen des Progressio­nsvorbehal­tes“, sagte die Linke-Bundestags­abgeordnet­e Sabine Zimmermann. „Wer Kurzarbeit­ergeld bezieht, hat schon erhebliche Einkommens­einbußen erlitten. Dass da nun Nachzahlun­gen drohen, ist keinem zu erklären.“

Tatsächlic­h scheinen die Nachforder­ungen vorrangig Menschen zu drohen, die in einem Monat sowohl Kurzarbeit­ergeld als auch Lohn erhielten. Dies legen Berechnung­en des Bundes der Steuerzahl­er nahe. Denn die Lohnbuchha­ltung des Arbeitgebe­r zieht dann nur eine sehr niedrige monatliche Lohnsteuer ab und berücksich­tigt nicht, dass der Betroffene wegen des Kurzarbeit­ergelds eigentlich auf den Lohn etwas höhere Steuer zahlen müsste.

Eine Chance auf Rückzahlun­g haben aber Arbeitnehm­er, die monatelang ganz in Kurzarbeit waren, aber ansonsten ein gutes Einkommen hatten. Warum? In den Monaten mit vollem Einkommen wurde Lohnsteuer korrekt abgeführt. Doch das zu versteuern­de Jahreseink­ommen liegt eben niedriger als wenn es keine Kurzarbeit gegeben hätte.

Jeder, der mehr als 410 Euro an Kurzarbeit­ergeld oder Arbeitslos­enunterstü­tzung erhielt, muss dem Finanzamt sein Einkommen darlegen.Für 2020 müssen darum deutlich mehr Arbeitnehm­er eine Steuererkl­ärung abgeben als sonst.

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FOTO: DPA Wer in Kurzarbeit war, hat häufig steuerlich­e Nachteile.

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