Vom Digital-Unternehmen zum Bier-Start-up
Drei Gründer wollen Willich am Niederrhein wieder zur Bierstadt machen. Dabei hilft ein illustrer Investor.
WILLICH Früher, ach früher! Da gab es in Willich die Hannen-Brauerei, doch das ist lange her. Die Marke gehört inzwischen zur international tätigen Carlsberg-Gruppe. In der Gemeinde selbst erinnern nur noch ein paar alte Gebäude an die Zeit, als die Stadt am Niederrhein eine Bierstadt war. In einem dieser Häuser lebt Matthias Albrecht.
Er träumt von der Willicher Wiedergeburt als Brauerei-Hochburg, seit er vor einigen Jahren zum ersten Mal ein hochprozentiges Imperial Stout probiert hatte: „Ich wollte seitdem eigentlich immer die Willicher Starkbier-Brauerei ins Leben rufen, dafür hat aber die Zeit nie gereicht.“Stattdessen hat er nun in die Neue Willicher Brauerei investiert, ein Jung-Unternehmen, das unter anderem vom früheren Landesgeschäftsführer des Bundesverbands Deutsche Start-ups, Christoph Heyes, in Willich gegründet wurde.
Matthias Albrecht ist in der Startup-Szene auch nicht irgendwer, sondern ein Macher, wie er im Buche steht: Der 55-Jährige hat 1988 das Unternehmen Xcom gegründet, einen Software-Anbieter für die Finanzbranche, der 2015 vom Online-Broker Flatex übernommen wurde. Dieser ziert heute unter anderem als Sponsor das Trikot von Borussia Mönchengladbach. Noch bekannter dürfte ein anderer Name sein, der mit Xcom in Verbindung steht: 2005 verkündete das damals noch unter dem Namen „Wire Card AG“firmierende Start-up den Kauf einer Tochterfirma der Xcom AG, mit der das Unternehmen in den Besitz einer Banklizenz kam. Wer hätte damals ahnen können, dass auf diesen Schachzug mehr als ein Jahrzehnt später der Einzug in den Aktienindex Dax inklusive einem der größten Finanzskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte folgen würde? Die Episode hat inzwischen sogar Einzug in ein Buch über Wirecard gefunden.
Doch all das ist lange her – genau wie Albrechts Zeit bei Xcom. Albrecht ist als Geschäftsführer „aus der Firma abgelöst worden“, nennt Albrecht das. Kurzerhand verkaufte er seine Anteile an den größten Geschäftspartner. „Ich war mit 50 Jahren plötzlich finanziell unabhängig und arbeitslos“, erinnert er sich lachend. Inzwischen hat er ein neues IT-Unternehmen gegründet, The Cluster Company. Nebenbei berät er Start-ups wie Finoa aus Berlin – oder investiert direkt in Ideen, wenn er von ihnen überzeugt ist. So wie beim Bier.
Das Willicher Pils wurde 2020 von Christoph Heyes, Frank Schuster und Stephan Kramer auf den Markt gebracht. Was als verrückte Idee begann und die drei im Nebenberuf umgesetzt haben, ist für den früheren Verbandsvertreter Heyes inzwischen zu seinem Hauptberuf geworden. Denn die rund 2000 Kisten, die sie im vergangenen Jahr nach eigenem Rezept produzieren ließen, kamen am Niederrhein gut an. Neben
Hofläden nahmen sogar örtliche Supermärkte die Kästen im Sortiment auf. „Wir führen jetzt sogar die ersten Gespräche in den Nachbarstädten“, sagt Heyes.
Mit dem Investment von Matthias Albrecht – angeblich 250.000 Euro – ergeben sich für das Unternehmen neue Möglichkeiten. „Bislang haben wir uns zum Beispiel immer einen Wagen geliehen, wenn wir Waren ausliefern wollten“, sagt Heyes. Nun soll ein eigenes Fahrzeug angeschafft werden. Beim Sortiment will man zunächst beim Willicher Pils bleiben, dessen Rezept von Mitgründer Schuster, einem Brauingenieur, entwickelt wurde.
Und das hat es in sich: „Wenn es durchschnittlich geschmeckt hätte, hätte ich nicht investiert“, sagt Matthias Albrecht über das Pils. Und obwohl die Brauereien aufgrund der pandemiebedingten Schließungen in der Gastronomie aktuell extrem leiden, glaubt er an das Potenzial einer lokalen Biermarke: „Wenn Willicher Pils im Lockdown ohne Kneipen erfolgreich ist, dann wird es erst recht erfolgreich sein, wenn wieder Fassbier ausgeschenkt wird.“Wobei – das mit dem Fassbier ist noch so eine Sache. „Aktuell produzieren wir nur Flaschenbier“, sagt Christoph Heyes. Für den nächsten Schritt, ist sein Investor daher überzeugt, bräuchte es eine eigene Brauerei – natürlich in Willich. „Und spätestens dann“, sagt Matthias Albrecht, „hole ich auch mein altes Starkbier-Rezept wieder raus.“