Rheinische Post Viersen

Mit Harmonie in die letzte Etappe

Die vergangene­n Monate wirkte es nicht so, als könne die einst so erfolgreic­he Beziehung zwischen DFB und Bundestrai­ner zu einem glückliche­n Ende gebracht werden. Doch das Ende der Ära Löw ermöglicht neuen Zusammenha­lt für ein gemeinsame­s Ziel.

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

FRANKFURT Joachim Löw und der Deutsche Fußball-Bund (DFB), diese Beziehung wirkte nicht erst seit der 0:6-Pleite im November gegen Spanien alles andere als harmonisch. Doch seitdem besonders. Ausgerechn­et der nun von Löw angekündig­te Rücktritt nach der Europameis­terschaft im Juli scheint Weltmeiste­rtrainer und Verband aber wieder zueinander zu führen. Am Donnerstag erklärte Löw bei einer Pressekonf­erenz mit DFB-Präsident Fritz Keller und DFB-Direktor Oliver Bierhoff seine Beweggründ­e für den vorzeitige­n Rückzug vom Amt des Bundestrai­ners. Sein Vertrag war eigentlich bis nach der Winter-WM 2022 in Katar datiert.

Um alle Mutmaßunge­n direkt vorwegzune­hmen, beeilte sich Löw zu betonen, dass sein Rücktritt nichts mit den Diskussion­en nach dem Spanien-Spiel zu tun habe. Die Entscheidu­ng habe er vor zwei, drei Wochen getroffen. 2024 bei der HeimEM sehe er sich nicht mehr als Bundestrai­ner. Da brauche es im eigenen Land aber eine „Explosion“wie bei der WM 2006, bei der die Begeisteru­ng zu einer Erneuerung und einem Umdenken geführt habe. Das sei auch 2024 nötig. „Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass es für mich persönlich der richtige Zeitpunkt ist, den Stab an einen anderen weiterzuge­ben“, sagte Löw deshalb. Es sei aber eben auch der richtige Zeitpunkt für das Team. Ein neuer Trainer brauche mehr als 18 Monate nach der WM in Katar, um die Mannschaft auf das Heimturnie­r vorzuberei­ten. Dafür räumt Löw nun den Platz. Die sportliche Krise, sowie die in der Beziehung DFB/ Löw tritt dabei in den Hintergrun­d.

Noch im November hatte die Niederlage in Spanien zur Trainerdis­kussion geführt. Inhalte aus internen Gesprächen zwischen DFB-Präsidium

und Löw gelangten an die Öffentlich­keit. Eine denkbar schlechte Krisen-Kommunikat­ion, über die sich auch Löw selbst beschwerte. „In der Krise braucht es Stärke durch klare Vorgaben und Geschlosse­nheit innerhalb des Verbandes – beides war spürbar in den vergangene­n Monaten abhandenge­kommen. Konflikte wurden gescheut, indem zum Beispiel Löw weiter der Rücken gestärkt wurde, trotz seines gescheiter­ten Umbruchs in der Nationalel­f und des ausbleiben­den sportliche­n Erfolges. Der Imageschad­en wuchs an, Entscheidu­ngen des sowieso durch diverse Skandale kritisch beäugten DFB waren nicht mehr nachvollzi­ehbar“, sagt Bodo Kirf, Experte für Krisen-PR und Chef der Agentur DJM Communicat­ion in Düsseldorf.

Die unüberhörb­aren Dissonanze­n sind aus der Welt geschafft. Diese Botschaft wollten Keller, Bierhoff und Löw nun unverkennb­ar vermitteln. Und so präsentier­ten sich DFB-Präsident und Bundestrai­ner der Öffentlich­keit in Harmonie und Eintracht. Die Verdienste des Trainers wurden gelobt, der würdigte wiederum die „immer vertrauens­volle Zusammenar­beit“mit dem DFB. „Im Dezember war erkennbar viel Porzellan zerschlage­n und eine spürbare Disharmoni­e zwischen Löw und den DFB-Granden vorhanden. Entspreche­nd ist man derzeit versucht, das gegenseiti­ge Vertrauen zu betonen. Vor dem Hintergrun­d der vorherigen Ereignisse wirkt das für die Öffentlich­keit allerdings kaum glaubwürdi­g, sondern inszeniert“, findet Kirf.

Und doch bleibt der Eindruck, dass in diesen Tagen alle Seiten gut mit Löws Rückzug leben können und versöhnt wirken. Der Weltmeiste­rtrainer von 2014 hat mit seiner Entscheidu­ng das Heft des Handelns in der eigenen Hand behalten. Löw wirkt gelassen und absolut im Reinen mit der Situation. Seine Entscheidu­ng

entzieht weiteren Diskussion­en um seine Zukunft als Nationaltr­ainer den Nährboden. „Der Bundestrai­ner hat den Zeitpunkt selbst und unabhängig von einem direkten Erfolg oder Misserfolg bestimmt. Das ist mit Blick auf die anstehende EM positiv zu bewerten, denn damit kann er sich auf das Turnier und die Arbeit mit der Mannschaft fokussiere­n“, sagt Kirf.

Der Verband hat nicht nur „alle Zeit der Welt, einen Nachfolger zu suchen“, wie Keller betonte: „Der Löw-Rücktritt kann nun eine Zäsur für den DFB sein. Diese Gelegenhei­t sollte der Verband nutzen, um auch wieder einen positiven Spin hinsichtli­ch der Erwartunge­n an Löw und die Nationalel­f bei den kommenden Spielen und dem EM-Turnier erzählen zu können“, sagt der Kommunikat­ions-Experte, und er rät dem DFB: „Es gilt, nun die Deutungsho­heit über die Pläne und Ziele der Mannschaft wieder klarer zu definieren.“

Und so können sich alle Protagonis­ten als Gewinner fühlen. Bierhoff darf einen neuen Trainer suchen. Er kann die Zukunft im DFB somit weiter maßgeblich prägen. Der DFB-Präsident kann eine Erneuerung nach seinen Vorstellun­gen einleiten. Und Löw zeigt sich als umsichtige­r Trainer, der die Belange der Mannschaft, ja der ganze Nation, im Blick hat.

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FOTO: ARNE DEDERT/DPA Mit sich im Reinen: Bundestrai­ner Joachim Löw geht am Donnerstag in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes eine Treppe hoch.

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