Der Fan-Hass aus dem Netz
Fußballprofis werden zunehmend zur Zielscheibe für übelste Hetze im Internet. Die Betroffenen gehen bei dem Thema nun in die Offensive.
DÜSSELDORF Erst vor wenigen Wochen hat Thomas, genannt Toni, Pledl wieder einmal eine dieser Nachrichten aus seinem virtuellen Postfach gefischt. Der Inhalt lautete: „Du dummer Hurensohn, hoffentlich verletzt du dich und spielst nie wieder für unseren Verein.“Der 26-Jährige hat jeden einzelnen Buchstaben gelesen. Immer und immer wieder. Auf Anfrage unserer Redaktion hat er dazu gesagt: „Das sind Geschichten, wo du dir denkst, das würde kein normaler Mensch schreiben. Die Anonymität im Netz macht es schwer, diese Leute zu greifen. Ich kann am Wochenende, egal wie das Spiel ausgegangen ist, egal wie wir gespielt haben, zehn bis 20 Nachrichten herausfiltern, wo einfach nur so etwas steht.“
Pledl ist Fußball-Profi von Zweitligist Fortuna Düsseldorf. Am vergangenen Sonntag hat er mit seinem Arbeitgeber gegen den 1. FC Nürnberg gespielt. In der 71. Minute bleibt er nach einem eher handelsüblichen Zweikampf mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen liegen. Er hebt seine Hand, und schnell ist allen Beteiligten klar, dass etwas Schlimmeres passiert sein muss. Der Außenstürmer hat eine komplexe Knieverletzung davongetragen mit Rissen im Bandapparat, dem Meniskus und dem vorderen Kreuzband. Eine Operation soll in der kommenden Woche erfolgen. Damit fällt Pledl monatelang aus – acht Monate bis ein Jahr muss man rechnen. Schlimmstenfalls kann es sein Karriereende bedeuten. Unklar, ob er noch einmal für Fortuna spielt, sein Vertrag läuft aus.
Jeden Tag werden Spieler im Internet beleidigt und bepöbelt. Fast immer weit unter der Gürtellinie, in den allermeisten Fällen als Absender nur ein Nickname. Es macht für einige nicht mal mehr einen Unterschied, ob Spieler gut oder schlecht ihrer Arbeit nachgegangen sind. Sie suchen sich ihre Ziele, und vornehmlich in den Sozialen Netzwerken wird dann nach Art des Hauses durchbeleidigt. Der sogenannte Hatespeech ist zu einer Art Volkssport im Netz geworden. Völlig enthemmt, viele in der Sicherheit, nie erwischt zu werden, die allermeisten aber nicht mal im Bewusstsein, etwas Strafbares zu tun.
In der Fußball-Branche wurde der Hass viel zu lange stillschweigend geduldet. Viel zu selten hat man die Stimme gegen die Hetzer erhoben, in der Annahme, es dann noch schlimmer für den Betroffenen zu machen. Doch viele Profis wollen nicht mehr überlesen, was da über sie ausgekübelt wird. Wie Mark Uth von Schalke 04. In einer Nachricht an ihn heißt es wortwörtlich: „ich hoffe du liest das hier und verletzt dich so schwer das du nie wieder ein spiel machen kannst“. Die Spielervermittlungsagentur „Sports360“hat 14 Profis in einem Video versammelt, in dem sie die Hass-Botschaften vorlesen.
„Cybermobbing ist ein Problem, das unsere gesamte Gesellschaft betrifft. Was sich einige Menschen hinter anonymen Profilen erlauben, ist weit unter der Gürtellinie, manchmal sogar im strafrechtlichen Bereich“, sagt Toni Kroos. An Kroos, deutscher Nationalspieler und Star bei Real Madrid, gerichtet, lautet eine Nachricht: „Ich hoffe, du stirbst in der Hölle.“
„Hass ist keine Meinung. Hatespeech und Cybermobbing sind zu einem gravierenden Problem unserer heutigen Gesellschaft geworden. Und es kann jeden treffen, ob jung oder alt“, sagt Spielerberater Volker Struth. „Es kann nicht sein, dass Spieler ständig mit diesem Hass im Netz konfrontiert werden. Sie werden beleidigt und bedroht.“
Viele Klubs wollen nun eingreifen und drohen den Tätern mit drastischen Konsequenzen. „Beleidigungen im Netz sind ein akutes Problem unserer gesamten Gesellschaft. Hier zeigt sich sehr krass eine sinkende Hemmschwelle bei den Tätern, aber es wird auch deutlich, dass die Möglichkeit, anonym, unreflektiert und direkt Meinung zu verbreiten, ganz allgemein zur Verrohung der Sitten geführt hat. Nicht nur im Fußball werden Menschen im Internet auf das Übelste beschimpft“, sagt Fortunas Vorstandsvorsitzender Thomas Röttgermann. „Wir als Verein gehen auf unseren Kanälen aktiv dagegen vor, indem wir Beleidigungen löschen und über den Kanal melden. Wir werden da, wo dies möglich ist, juristische Schritte gegen solche Hetzer einleiten.“
Der frühere Bundesliga-Manager Reiner Calmund hofft auf ein Umdenken. „So kann es natürlich nicht weitergehen“, sagt er unserer Redaktion. „Wir sind gegen Beschimpfungen im Internet. Leute, seid gut miteinander. Helft dem Anderen. Zeigt Unterstützung für die guten Sachen. Zusammen sind wir stärker. Ob Thomas Pledl oder Cristiano Ronaldo – jeder Mensch hat Respekt verdient. Pöbler haben nur eins verdient: Rote Karte, Platzverweis.“
Thomas Pledl erfährt in diesen Tagen viel Aufmunterung – auch im Internet. Für ihn gibt es nur einen Wunsch: irgendwann wieder gesund auf dem Rasen stehen zu können.