So läuft die Masche der Schock-Anrufer
Im Süden Mönchengladbachs erhalten Senioren seit Ende Februar vermehrt betrügerische Nachrichten am Telefon. Die Polizei warnt.
MÖNCHENGLADBACH Als Annegret Meyer* (Name geändert) den Anruf bei sich zu Hause entgegennahm, hörte sie als Erstes: „Mama, Mama!“Es war die Stimme einer jungen Frau in einem Ausnahmezustand – tränenerstickt und fast schon hysterisch. „Ich war sofort in einem Schockzustand“berichtet Annegret Meyer (74). Und es folgten noch weitere lange Minuten voller Angst, Panik und Sorge. Annegret Meyer hat einen Schock-Anruf bekommen.
Die 74-jährige Rheydterin ist nicht die Einzige. Offenbar haben Betrüger gerade ihren Schwerpunkt auf Mönchengladbach gelegt. Dabei lassen sie nicht nur traumatisierte Opfer zurück, sie ergaunerten von zwei Senioren sogar jeweils fünfstellige Beträge mit ihrem perfiden Trick.
Bei Annegret Meyer meldete sich nach der Frau ein „Kriminalhauptkommissar Finke“am anderen Ende der Leitung. Er sagte, dass ihre Tochter bei Rotlicht über die Ampel gefahren sei und dabei eine Frau tot gefahren habe. Die Mönchengladbacherin solle eine Kaution von 40.000 Euro aufbringen, und das möglichst schnell, bevor die Presse etwas davon erfahre. „Der Mann am Telefon wusste, dass wir eine Firma haben und sagte, wir seien bestimmt nicht interessiert daran, dass der Fall an die Öffentlichkeit gerate, wo wir doch auch
Verantwortung für unsere Mitarbeiter trügen“, berichtet die 74-Jährige. Überhaupt sei der Anrufer gut informiert gewesen. Er habe sogar den Namen vom Lebensgefährten der Tochter gekannt. „Ich habe geweint, ich war so durcheinander. 40.000 Euro hatte ich nicht zu Hause. Aber ich war soweit, dass ich schon am Tresor stand und den Schmuck herausholte“, sagt Annegret Meyer. Plötzlich habe ihre Tochter neben ihr gestanden. Da wusste die 74-Jährige: Alles war nur Bluff. Der Kriminalhauptkommissar versuchte es dennoch weiter. „Ja, Sie haben doch noch eine andere Tochter“, sagte er. Auch das stimmt, aber Annegret Meyer fiel darauf nicht mehr rein. Sie beendete das Gespräch und ging zur Polizei.
Schlimmer erging es einem 84-Jährigen, der am Mittwoch in seiner Wohnung an der Sperberstraße angerufen wurde. Es meldete sich ein Mann, der sich als Mitarbeiter des Amtsgerichtes ausgab. In einem längeren Gespräch überzeugte er den Senior davon, dass seine Tochter einen schlimmen Verkehrsunfall verursacht hätte und er nun 40.000 Euro zahlen müsse, um das im Sinne seiner Tochter zu regeln. Der in Sorge geratene Mann gab an, dass er nicht so viel Geld besitze, willigte aber ein, das, was er gespart hatte, als Kaution für seine Tochter zu übergeben. Gegen 11.15 Uhr erschien dann ein Fremder bei ihm zu Hause, gab sich als „Kurier für das Gericht“aus und nahm das Geld in einer fünfstelligen Höhe entgegen. Damit gab sich der Fremde aber nicht zufrieden: In einem perfiden Spiel mit der Angst um die Tochter brachte er ihn dazu, im Anschluss weiteres Geld bei einer Bank zu besorgen. Der Senior hob weitere 5000 Euro bei der Bank ab. Per Handy wurde er dann erst zur Brucknerallee und von dort dann in den Hugo-Junkers-Park bestellt. Dort erschien dann gegen 13 Uhr wieder
der Kurier und nahm das Geld entgegen. Dieser wurde als circa 1,90 Meter großer Mann beschrieben, der dunkel gekleidet war und weiße Schuhe sowie eine helle Mund-Nasen-Bedeckung trug. Auch am Dienstag war ein 84-Jähriger aus Geneicken mit diesem Trick um einen fünfstelligen Betrag gebracht worden. Den „falschen Polizisten“, an den er das Geld übergeben hatte, konnte er als etwa 40 Jahre alten und etwa 1,75 Meter großen, schmächtigen Mann beschreiben, der eine beigefarbene Jacke trug.
Werner Lehmann* und seine Frau aus Rheydt zählen ebenfalls zu den Betroffenen. Bei ihnen war es wie bei Annegret Meyer: Zuerst der theatralische Auftritt der vermeintlichen Tochter, dann der „Kommissar“, dann die Geldforderung. Werner Lehmann glaubt, dass die Betrüger gerade gezielt im Großraum Rheydt nach vermeintlich gut situierten, potenziellen Opfern Ausschau halten. Der 81-Jährige hat in seinem früheren Beruf viel erlebt: „Ich bin eigentlich ein nüchterner Mensch. Aber nach dem Anruf saßen meine Frau und ich wie traumatisiert auf dem Sofa.“Dabei hatten beide das Telefonat rechtzeitig beendet.