Anwohner fürchten teuren Kanalanschluss
Anwohner in Tönisvorster Außenbereichen sollen ihre Grundstücke an den öffentlichen Abwasserkanal anschließen, obwohl sie Kleinkläranlagen haben. Sie befürchten hohe Kosten. Die Stadt kritisiert die Kommunikation des Kreises.
TÖNISVORST Klaus und Diana van Geffen, Fabian Kinalzik und einige weitere Nachbarn in den Tönisvorster Außenbereichen in Richtung Oedt haben vor Kurzem Post vom Kreis Viersen bekommen. Sie sollen ihre Grundstücke an den öffentlichen Abwasserkanal anschließen – obwohl sie Kleinkläranlagen haben, für deren Betrieb teils Genehmigungen bis 2032 vorliegen.
Der Kanalanschluss könnte für die meisten teuer werden; bei den van Geffens etwa handelt es sich um eine Strecke von gut 400 Metern. Kinalzik, dessen Haus nah am Kanal liegt, rechnet mit Kosten in Höhe von 15.000 bis 20.000 Euro, die van Geffens mit 80.000 bis 100.000 Euro. Zudem sollen den Anwohnern für die Arbeiten nur zehn Monate Zeit bleiben – danach ist im Schreiben des Kreises von Buß- oder Zwangsgeld die Rede.
Die van Geffens haben ihren Hof 2001 übernommen und eine neue Kleinkläranlage bauen lassen. Sie hat ein Drei-Kammer-System, in dem durch Sauerstoff Bakterien aktiv gehalten werden, die das Abwasser filtern. Danach wird es unter der Oberfläche verrieselt. Andere wie Kinalzik und seine Familie haben eine Anlage mit Kiesbett und Schilfpflanzen. Einmal im Jahr werde ihr Wasser durch einen Vertreter des Kreises Viersen getestet, „wir liegen immer weit unter den Grenzwerten“, sagt Kinalzik. Sie sehen keinen Grund, ihre funktionierenden Anlagen stilllegen zu müssen.
Der Kreis aber schon. Er begründet das mit dem Landeswassergesetz, in dem die Pflicht und der Umfang der gemeindlichen Abwasserbeseitigung geregelt sind. Demnach seien die Gemeinden verpflichtet, das auf ihrem Gebiet anfallende Abwasser
zu beseitigen. „Dabei stellt die zentrale Abwasserbeseitigung über eine betriebsbereite gemeindliche Kanalisation und die zentrale Behandlung des Abwassers in der Kläranlage das abwassertechnische Optimum dar und ist damit der vom Gesetzgeber angestrebte Regelfall“, heißt es vom Kreis.
Dass die Anwohner ihre Grundstücke nun an den Kanal anschließen müssen, der bereits seit 2006 besteht, begründet der Kreis mit dem Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt Tönisvorst von 2018: Demnach wurde „trotz neu erstellter Kanalisation [...] der Anschlusszwang nicht ausgeübt, da die betroffenen Grundstücke erst kurz zuvor ihre Kleinkläranlagen auf den neuesten Stand der Technik gebracht haben“.
Zuständig für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation ist die Kommune. Die untere Wasserbehörde des Kreises erteilt wasserrechtliche Erlaubnisse für Kleinkläranlagen – in der Regel für 15 Jahre. Die sind nun im Bereich Hahnenweide, Graverdyk, Schmitzheide, Nutzenstraße und Stiegerheide abgelaufen.
Jörg Friedenberg, zuständiger Fachbereichsleiter bei der Stadt Tönisvorst, bestätigt, dass im städtischen Abwasserbeseitigungsgesetz enthalten sei, dass Kleinkläranlagen nicht mehr als Dauerlösung gesehen würden – „allerdings war das eine Vorgabe vom Kreis, die wir übernehmen mussten“, sagt Friedenberg.
Über das Schreiben des Kreises sei die Stadt vorab nicht informiert worden. „Wir sind 2020 beteiligt worden, aber über die Vorgehensweise war man sich noch nicht einig“, sagt der Fachbereichsleiter. „Wir sind jetzt auch überrascht worden.“
Er möchte den jahrelangen guten Dialog mit den Bürgern beibehalten, „nicht in einem Schreiben mit der Keule drohen“. Dass bestehende Genehmigungen im Wasserrecht zurückgenommen werden können, sei durchaus möglich. Er rechnet damit, dass die Anwohner ihre Grundstücke an den Kanal werden anschließen müssen, „aber man muss darüber sprechen, wie und zu welchem Zeitpunkt“, sagt er.