Anwohner vermissen ihr Grün
Die Anwohner an der Carl-von-Ossietzky-Straße in Viersen sind entsetzt. Der dichte Grüngürtel, der die Straße von der Freiheitsstraße abschirmte, wurde weggeholzt. Die Stadt spricht von einer „reinen Pflegemaßnahme“.
VIERSEN Wenn Walter Sieben aus dem Fenster schaut, kann der Anwohner der Carl-von-Ossietzky-Straße nur verständnislos den Kopf schütteln. Dort, wo er sonst über viele Monate ins dichte Grün blickte und selbst in den Wintermonaten noch einen schönen Ausblick hatte, herrscht gähnende Leere. Statt Bäumen und über die Jahre gewachsenes Strauchwerk, die zusammen ein einheitliches Bild boten, sind es jetzt nur noch einige klägliche Reste von Bäumen, die ihre wenigen mageren Äste in Richtung Himmel strecken. Das Buschwerk indes fehlt ganz. Stümpfe erinnern daran, wo einst Bäume und dichte Sträucher standen. Machtlos mussten die Anwohner mitansehen, wie ihre grüne Wand zerstört wurde.
„Die dichte Begrünung war nicht nur schön und bot Vögeln und Insekten einen Lebensraum, sie schützte uns auch vor dem Lärm, Schmutz, dem Feinstaub und den Abgasen der Freiheitsstraße“, sagt Sieben. Die viel befahrene Straße führt nämlich direkt hinter dem Grüngürtel entlang. Von der Ampelkreuzung
G E R M
an der Ecke Freiheits-/ Lindenstraße bis hin zum Stadtpark holzten Mitarbeiter von den Städtischen Betrieben der Stadt Viersen das Grün weg.
Sieben berichtet, dass er schon zehn Jahre an dieser Adresse wohnt, aber so etwas noch nicht erlebt habe. Auch der von den Anwohnern alarmierte Ortsbürgermeister Hans-Willy Bouren zeigte sich erschrocken über die Art und Weise der Maßnahme. „Das ist kein pflegerischer Rückschnitt, das ist ein sinnloses Abholzen“, beschreibt es Sieben.
Es erinnere ihn an die Vorgehensweise vor drei Jahren, „bei der wurde der alte Stadtgarten ebenso verhunzt“, fügt der 77-Jährige an. In Anbetracht dessen, dass alle Welt von Klimaschutz und dem Erhalt von Lebensraum spricht, können die Anwohner die Vorgehensweise nicht nachvollziehen. Zumal die Bäume und das Strauchwerk dort noch intakt waren und entsprechendes Grün ausbildeten.
Was die Anwohner des Weiteren ganz besonders aufgebracht hat ist die Tatsache, dass die radikalen Arbeiten an den letzten drei Tagen vor der Vogelschutzzeit durchgeführt worden. Einem Zeitpunkt, an dem schon etliche Vögel auf Brutplatzsuche sind und nun statt Nistplatzmöglichkeiten Kahlheit vorfinden.
Die Stadt Viersen spricht indes von einer reinen Pflegemaßnahme. „Durch diese Pflegemaßnahme ergeben sich teilweise kahl wirkende Abschnitte“, räumt ein Sprecher ein. Er betont: „Die Bodendecker sind erhalten geblieben, sie werden in Kürze wieder grün sein. Wegen der großen Lücken, die nicht von selbst zuwachsen werden, sind Nachpflanzungen geplant.“Ziel sei
es, die geschlossene Abgrenzung wiederherzustellen. „Die Pflanzen werden zurzeit ausgewählt, die Bestellung wird voraussichtlich in der kommenden Woche erfolgen“, teilte die Pressestelle mit.
Pflegemaßnahmen im städtischen Grün fänden regelmäßig statt. Der konkrete Umfang ergebe sich dabei aus der Wuchsentwicklung oder, wie in diesem Fall, aus dem Umstand, dass abgestorbene Pflanzen entfernt werden müssten. Die Entscheidung über die konkrete Ausführung solcher Pflegemaßnahmen würden die hierfür zuständigen Meister im Koordinationsbereich Stadtgrün des Fachbereichs Städtische Betriebe fällen. Sie überprüften auch die fachgerechte Ausführung durch die ausgebildeten Mitarbeiter, so die Pressestelle.