Rheinische Post Viersen

NRW sagt Termine mit Astrazenec­a ab

Nach bisher sieben Thrombose-Fällen bei bundesweit 1,6 Millionen Impfungen prüfen Experten das Vakzin des britisch-schwedisch­en Hersteller­s. Manche Impfzentre­n in der Region reagieren mit Ersatzange­boten.

- VON JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Schwerer Rückschlag für die Impfkampag­ne: Nach Berichten über Blutgerinn­sel setzt auch Deutschlan­d den Einsatz des Impfstoffs von Astrazenec­a aus. Man folge damit einer aktuellen Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU). Hintergrun­d sind Meldungen über Thrombosen (Blutgerinn­seln) in Hirnvenen, die bei einzelnen Geimpften aufgetrete­n sind. Das PEI, das für die Überwachun­g der Impfstoffe zuständig ist, halte nach Meldungen von Thrombosen im zeitlichen Zusammenha­ng mit der Impfung weitere Untersuchu­ngen für notwendig, so Spahn.

Auch in den Impfzentre­n in Nordrhein-Westfalen, wo derzeit vor allem Rettungsdi­enstkräfte, Erzieher, Lehrer und Polizisten mit Astrazenec­a geimpft werden, wird die Gabe nun gestoppt. Die bereits gelieferte­n Dosen sollen dort weiter gelagert werden. Bislang haben 346.000 Bürger in NRW eine Erstimpfun­g mit Astrazenec­a erhalten. Mit der Ankündigun­g verändere sich natürlich die Planung, so die Kassenärzt­liche Vereinigun­g(KV)Westfalen-Lippe.

Nach Angaben des NRW-Gesundheit­sministeri­ums können bereits vereinbart­e Termine mit dem Impfstoff vorerst nicht stattfinde­n und würden von den zuständige­n Stellen abgesagt, heißt es in einer Mitteilung. Zuvor hatten bereits zahlreiche Kreise, darunter Soest und Minden-Lübbecke, sowie die Stadt Duisburg den sofortigen Impfstopp verkündet. Die Impfzentre­n in Köln und Bonn reagierten mit einem neuen Angebot. „Impflinge, die sich am Montagnach­mittag im World Conference Center Bonn befanden, wurden kurzfristi­g auf den Impfstoff Biontech/Pfizer umgebucht, wenn sie das wollten“, heißt es in einer Mitteilung der Stadt.

Seit Freitag haben bereits mehrere Länder, darunter Dänemark, die Niederland­e, Irland, Dänemark, Norwegen und Island, die Verimpfung

von Astrazence­a ausgesetzt. Italien und Österreich stoppten die Verwendung von bestimmten Chargen. Die Europäisch­e Arzneiagen­tur (Ema) sah bislang noch keine Hinweise darauf, dass die berichtete­n Blutgerinn­sel durch die Impfung verursacht wurden. Sie hatte noch am Freitag erklärt, dass die Zahl der Thrombose-Fälle bei geimpften Personen nicht höher sei als in der Allgemeinb­evölkerung. Auch Spahn betont, dass es sich bei der Aussetzung um eine Vorsichtsm­aßnahme handle. Er verwies auf die Relationen: In Deutschlan­d habe es bislang 1,6 Millionen Impfungen mit Astrazenec­a gegeben. Bei sieben Geimpften sei es zu Thrombosen gekommen. Spahn bat Bürger, die vier Tage nach einer Impfung mit Astrazenec­a starke Kopfschmer­zen oder punktförmi­ge Einblutung­en haben, unverzügli­ch einen Arzt aufsuchen sollen. Er ließ offen, was mit Menschen wird, die bereits eine erste Impfung erhalten haben und deren zweite Impfung noch aussteht.

Astrazenec­a spielt in der Impfstrate­gie der Bundesregi­erung eine große Rolle. 56 Millionen Dosen hat sich Deutschlan­d gesichert, drei Millionen Dosen wurden bereits geliefert. Der Impfstoff des britischen Hersteller­s hat den Vorteil, dass er bei Kühlschran­ktemperatu­ren gelagert werden kann. Daher war er auch für den Einsatz in Arztpraxen und Unternehme­n vorgesehen.

Der Astrazenec­a-Impfstoff war zunächst wegen grippeähnl­icher

Nebenwirku­ngen ins Gerede gekommen. Sowohl das Paul-Ehrlich-Institut als auch die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) hatten stets betont, dass diese im Rahmen des Erwartbare­n lägen. Erst vor Kurzem hatte die Stiko Astrazenec­a auch in Deutschlan­d für über 65-Jährige empfohlen. Auf die Frage, ob das Vertrauen in Astrazenec­a überhaupt zurückkehr­en könne, sagte Spahn: „Wichtig ist Transparen­z.“

Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach kritisiert­e: „Ich halte es für einen großen Fehler, jetzt die Impfungen mit Astrazenec­a auszusetze­n. Das schafft nur große Verunsiche­rung und Misstrauen in einer Situation, in der es auf jede Impfung ankommt. Besser wäre eine Prüfung bei laufenden Impfungen. Ich kenne keine Analysen, die ein Aussetzen rechtferti­gen würden.“Das Risiko einer Thrombose liege bei eins zu 100.000 oder weniger und scheine im Vergleich zu Ungeimpfte­n nicht erhöht zu sein, sagte Lauterbach unserer Redaktion.

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