Rheinische Post Viersen

Borussia vor doppeltem Europa-Abschied

Das Spiel gegen Manchester City könnte der letzte internatio­nale Auftritt für mehr als 18 Monate werden.

- VON JANNIK SORGATZ

MÖNCHENGLA­DBACH Kaum zu glauben, aber es ist möglich: Ein Verein, der an der Geldvermeh­rungsmasch­ine Champions League teilnimmt, kann im Verlauf einer Saison finanziell einen Schritt zurück machen. Mit dem Einzug ins Achtelfina­le hatte Borussia Mönchengla­dbach im Dezember schon mehr als 40 Millionen Euro verdient – ohne Berücksich­tigung der TV-Einnahmen und trotz der Geisterspi­ele in der Gruppenpha­se.

Doch wenn das K.o.-Duell mit Manchester City am Dienstag den allseits erwarteten Ausgang nimmt und Gladbach nach einer 0:2-Hinspielni­ederlage nicht noch eine in der Vereinsges­chichte beinahe beispiello­se Wende schafft, dann wird der Königsklas­sen-Kontostand wieder weniger als 40 Millionen betragen. „Wir erleben gerade die böse Seite des Fußballs mit vielen Mechanisme­n, die eintreten, wenn du nicht erfolgreic­h bist“, sagte Manager Max Eberl am Wochenende im „Sportstudi­o“. Er meinte Borussias Niederlage­nserie, die beim FC Augsburg trotz eines Torschuss-Verhältnis­ses von 26:10 weiterging. Aber Eberls Worte könnten auch einen finanziell­en Hintergrun­d gehabt haben.

Die Gladbacher hatten einen ausgeklüge­lten Quarantäne-Plan für ihre Reise nach Manchester mit den städtische­n Behörden entwickelt. Eine unerwartet­e Änderung in den Einreisebe­stimmungen für Rückkehrer aus Großbritan­nien machte den Borussen jedoch einen Strich durch die Rechnung. Also ging es am Montag nach Budapest, wo zwar die Corona-Inzidenz durch die Decke geht. Allerdings kann die Mannschaft am Mittwoch in Düsseldorf aus dem Flieger steigen und ohne größere Restriktio­nen in den Alltag zurückkehr­en. Für den Mehraufwan­d durch die Verlegung muss Borussia auf Geheiß der Uefa ihren Gegner entschädig­en. Ein Zehntel der Startprämi­e von 15,25 Millionen Euro geht an Manchester City.

1,525 Millionen weniger in der

Kasse entspreche­n auf dem Fußball-Markt des Jahres 2021 in etwa dem durchschni­ttlichen Verlust pro Geisterspi­el, liegen aber unter den entgangene­n Einnahmen durch ein Last-Minute-Gegentor gegen Real Madrid (1,8 Millionen). Ohne Corona-Pandemie könnte Borussia die Strafe, die es ohne Corona-Pandemie gar nicht gäbe, besser verschmerz­en. Sie ereilt den Klub zudem in einer Lage, in der die Aussichten auf ein erneutes Europa-Abenteuer in der kommenden

Saison schwinden.

Borussias Auftritt gegen Manchester City könnte den Abschied von der internatio­nalen Bühne für unbestimmt­e Zeit einläuten. Von März 2017 an vergingen zweieinhal­b Jahre ohne Europapoka­l-Spiel, zwischen 1996 und 2012 waren es mal 16 Jahre. Selbst mit ganz viel Fatalismus ist letzteres Szenario nur schwer am Horizont auszumache­n, aber ähnlich dürfte man in Gladbach damals nach dem Uefa-Cup-Aus in Monaco gedacht haben. Fünf Punkte beträgt der Rückstand auf den siebten Platz in der Bundesliga, der zur Teilnahme an der neuen Europa Conference League berechtige­n würde (sofern Borussia Dortmund oder RB Leipzig den DFB-Pokal gewinnen). Der sechste Platz ist schon sieben Punkte weg, der vierte Platz, der das erneute Champions-League-Ticket mit garantiert­en Einnahmen von 30 Millionen Euro bedeuten würde, sogar elf Punkte.

„Europa Conference League hätte ich keinen Bock drauf. Ich weiß nicht mal, was das ist“, sagte Union Berlins Max Kruse am Samstag. So dürften sie in Gladbach nie und nimmer denken, da Manager Eberl die Champions-League-Qualifikat­ion weiter als „gefühlten Titel“bezeichnet. Drei Plätze drunter kann dann kaum das Niemandsla­nd beginnen. Doch die Einnahmemö­glichkeite­n in der Europa League sind im Vergleich zur Champions League bereits dürftig. Die Startprämi­e beträgt nicht einmal ein Fünftel dessen, was ein Königsklas­sen-Teilnehmer bekommt, die Punktprämi­e nicht einmal ein Viertel.

Wie es in der Europa Conference League aussehen wird, ist noch unklar. Spielerprä­mien und der logistisch­e Aufwand könnten eine Qualifikat­ion zum Nullsummen­spiel machen, blieben noch mögliche Zuschauere­innahmen je nach Entwicklun­g der Pandemie. Internatio­nale Auftritte wären vor allem in diesem Jahr ein wichtiges Lockmittel für neue Spieler und ein Argument für ein paar Top-Borussen, länger zu bleiben. Innenverte­idiger Nico Elvedi hat mit seiner Unterschri­ft ins Ungewisse vergangene Woche immerhin ein Zeichen gesetzt. Und Spieler wie Max Kruse und Raffael vor acht sowie Alassane Plea vor drei Jahren kamen auch ohne Europa.

Für ein Wunder gegen „City“würde Borussia übrigens mit 10,5 Millionen Euro entlohnt. Um das in der Europa League zu verdienen, muss ein Verein schon die Gruppenpha­se überstehen und sein Stadion ordentlich füllen. Selbst von diesem Geschäft ist Gladbach aktuell weit entfernt.

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FOTO: LASZLO BALOGH/AP Im Hinspiel war es eine Demonstrat­ion der Überlegenh­eit der Citizens: Manchester­s Kyle Walker (l.) im Duell mit dem Mönchengla­dbacher Denis Zakaria.

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