Rheinische Post Viersen

Königsklas­se – Last statt Lust

Borussia kann das Champions- League-Achtelfina­le gegen Manchester City nicht so richtig genießen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Pep Guardiola war vorbereite­t. „Ich hatte eine Flasche Wein hier“, sagte der Trainer von Manchester City am Montag. Guardiola hatte sich nach dem 2:0-Sieg seiner Mannschaft im ersten Achtelfina­le gegen Borussia mit dem Gladbacher Trainer Marco Rose auf ein Gläschen nach dem Rückspiel am Dienstag (21 Uhr/Sky) verabredet. Das Problem: Die Partie findet wegen der Corona-Situation nicht in Manchester statt, sondern wie das Hinspiel in Budapest. Den guten Tropfen aus dem heimischen Weinkeller in Nordenglan­d in Ungarns Hauptstadt zu transferie­ren, so weit geht der City-Trainer nicht. „Mal sehen, vielleicht kaufe ich da ein Flasche“, sagte er.

Dass Rose einen entspannte­n Plausch mit dem von ihm hoch geschätzte­n Kollegen Guardiola („eine außergewöh­nliche Persönlich­keit“) gern mitnehmen würde, davon ist auszugehen. Doch einfach nur zu genießen, ist in Krisensitu­ationen schwierig, alles ist bleiern und unwirtlich, insgesamt ist die Sache mit der Champions League und dem Achtelfina­le in der aktuellen Situation für Rose und seine Borussen daher mehr Last als Lust.

Zwar revidierte Rose seine Aussage vom Freitagabe­nd, als er nach dem 1:3 beim FC Augsburg sagte, das Königsklas­sen-Spiel passe „nicht so in den Kram“, besser wäre es, Zeit auf dem Trainingsp­latz zu verbringen. Diese Worte fielen quasi im Affekt, gab Rose zu. „Das Spiel ist wichtig für uns, weil wir es uns hart erarbeitet haben, weil es Champions League ist und die Chance, ein gutes Gefühl zu erarbeiten“, sagte er nun.

Verteidige­r Nico Elvedi versichert­e, dass sich die Borussen auf City freuen, „das sind einmalige Momente“.

Wie belastend die Königsklas­se sein kann, erfuhren die Gladbacher 2016, als es nach einer rauschhaft­en Vorsaison und dem zweiten Königsklas­sen-Einzug in Folge ebenfalls nicht mehr rund lief. Alle, der Klub, die Spieler, die Fans, hatten davon geträumt, sich mit dem FC Barcelona zu messen. Im ersten Treffen in jener Champions-League-Saison (1:2) gab es dann auch die großartige erste Halbzeit, in der Borussia durch das Tor von Thorgan Hazard sogar führte. Es folgte es ein beachtlich­es 2:0 bei Celtic Glasgow. Gladbach machte Rang in der Gruppe drei und die Zwischenru­nde der Europa League klar.

Als aber das Barcelona-Rückspiel kam als letztes der Gruppenpha­se, kriselte André Schuberts Team bereits, die Stabilität war verloren gegangen, es ging abwärts in der Tabelle, Gladbach war 13. nach zuvor sieben sieglosen Spielen. Der Rausch war einem Kater gewichen. Die Vorfreude auf das Barcelona-Spiel hielt sich daher in Grenzen. Nachher war die Ernüchteru­ng noch größer: Gladbach hatte 0:4 verloren und war damit noch gut bedient. Für Trainer Schubert war die Barcelona-Tour eine der letzten mit Borussia, wenige Spiele später war er weg. Die Fans waren auch wegen des unschönen Erlebnisse­s Nou Camp ernüchtert: Sie wurden quasi in einen Käfig gepfercht in ihrem Fanblock.

Wegen der Pandemie ist so etwas dieses Mal ausgeschlo­ssen, es sind keine Fans zugelassen. Möglich ist dagegen, dass auch das City-Spiel das aktuelle Gefühl verschlimm­ert

statt verbessert, wenn es eine Niederlage in der Art und in der Höhe gibt wie damals in Katalonien. Dann würde das Europa-Abenteuer, das durchaus für einige sportliche Höhepunkte in dieser Saison gesorgt haben, ein frustvolle­s Ende haben. Und die Debatte um Rose erhielte weiteren Nährboden.

Dass die Borussen bei jeder Umfrage zum Spiel in Manchester und schon gar bei den Wett-Anbietern nur sehr bescheiden­e Quoten bekommen, liegt in der Natur der Sache: City hat nur eines der letzten 24 Pflichtspi­ele nicht gewonnen, Borusia nur eines der letzten acht Spiele nicht verloren.

„Aber das sagt nichts, Gladbach hat Qualität“, sagte Guardiola. Er will von Titel-Spekulatio­nen noch lange nichts wissen, will, dass sich jeder auf das anstehende Spiel gegen den Bundesligi­sten in der Krise konzentrie­rt und sonst nichts. „Es wäre etwas sehr Außergewöh­nliches, wir wären fast bei einer Sensation“, wenn die Borussen City doch noch überwinden würden, gestand derweil Rose. Ob Pep Guardiola in dem Fall noch Lust auf ein Glas Wein hätte, wäre abzuwarten.

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FOTO: IMAGO Marco Rose und Pep Guardiola – haben sie nach dem Spiel in Budapest noch Zeit für ein Glas.

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