Königsklasse – Last statt Lust
Borussia kann das Champions- League-Achtelfinale gegen Manchester City nicht so richtig genießen.
Pep Guardiola war vorbereitet. „Ich hatte eine Flasche Wein hier“, sagte der Trainer von Manchester City am Montag. Guardiola hatte sich nach dem 2:0-Sieg seiner Mannschaft im ersten Achtelfinale gegen Borussia mit dem Gladbacher Trainer Marco Rose auf ein Gläschen nach dem Rückspiel am Dienstag (21 Uhr/Sky) verabredet. Das Problem: Die Partie findet wegen der Corona-Situation nicht in Manchester statt, sondern wie das Hinspiel in Budapest. Den guten Tropfen aus dem heimischen Weinkeller in Nordengland in Ungarns Hauptstadt zu transferieren, so weit geht der City-Trainer nicht. „Mal sehen, vielleicht kaufe ich da ein Flasche“, sagte er.
Dass Rose einen entspannten Plausch mit dem von ihm hoch geschätzten Kollegen Guardiola („eine außergewöhnliche Persönlichkeit“) gern mitnehmen würde, davon ist auszugehen. Doch einfach nur zu genießen, ist in Krisensituationen schwierig, alles ist bleiern und unwirtlich, insgesamt ist die Sache mit der Champions League und dem Achtelfinale in der aktuellen Situation für Rose und seine Borussen daher mehr Last als Lust.
Zwar revidierte Rose seine Aussage vom Freitagabend, als er nach dem 1:3 beim FC Augsburg sagte, das Königsklassen-Spiel passe „nicht so in den Kram“, besser wäre es, Zeit auf dem Trainingsplatz zu verbringen. Diese Worte fielen quasi im Affekt, gab Rose zu. „Das Spiel ist wichtig für uns, weil wir es uns hart erarbeitet haben, weil es Champions League ist und die Chance, ein gutes Gefühl zu erarbeiten“, sagte er nun.
Verteidiger Nico Elvedi versicherte, dass sich die Borussen auf City freuen, „das sind einmalige Momente“.
Wie belastend die Königsklasse sein kann, erfuhren die Gladbacher 2016, als es nach einer rauschhaften Vorsaison und dem zweiten Königsklassen-Einzug in Folge ebenfalls nicht mehr rund lief. Alle, der Klub, die Spieler, die Fans, hatten davon geträumt, sich mit dem FC Barcelona zu messen. Im ersten Treffen in jener Champions-League-Saison (1:2) gab es dann auch die großartige erste Halbzeit, in der Borussia durch das Tor von Thorgan Hazard sogar führte. Es folgte es ein beachtliches 2:0 bei Celtic Glasgow. Gladbach machte Rang in der Gruppe drei und die Zwischenrunde der Europa League klar.
Als aber das Barcelona-Rückspiel kam als letztes der Gruppenphase, kriselte André Schuberts Team bereits, die Stabilität war verloren gegangen, es ging abwärts in der Tabelle, Gladbach war 13. nach zuvor sieben sieglosen Spielen. Der Rausch war einem Kater gewichen. Die Vorfreude auf das Barcelona-Spiel hielt sich daher in Grenzen. Nachher war die Ernüchterung noch größer: Gladbach hatte 0:4 verloren und war damit noch gut bedient. Für Trainer Schubert war die Barcelona-Tour eine der letzten mit Borussia, wenige Spiele später war er weg. Die Fans waren auch wegen des unschönen Erlebnisses Nou Camp ernüchtert: Sie wurden quasi in einen Käfig gepfercht in ihrem Fanblock.
Wegen der Pandemie ist so etwas dieses Mal ausgeschlossen, es sind keine Fans zugelassen. Möglich ist dagegen, dass auch das City-Spiel das aktuelle Gefühl verschlimmert
statt verbessert, wenn es eine Niederlage in der Art und in der Höhe gibt wie damals in Katalonien. Dann würde das Europa-Abenteuer, das durchaus für einige sportliche Höhepunkte in dieser Saison gesorgt haben, ein frustvolles Ende haben. Und die Debatte um Rose erhielte weiteren Nährboden.
Dass die Borussen bei jeder Umfrage zum Spiel in Manchester und schon gar bei den Wett-Anbietern nur sehr bescheidene Quoten bekommen, liegt in der Natur der Sache: City hat nur eines der letzten 24 Pflichtspiele nicht gewonnen, Borusia nur eines der letzten acht Spiele nicht verloren.
„Aber das sagt nichts, Gladbach hat Qualität“, sagte Guardiola. Er will von Titel-Spekulationen noch lange nichts wissen, will, dass sich jeder auf das anstehende Spiel gegen den Bundesligisten in der Krise konzentriert und sonst nichts. „Es wäre etwas sehr Außergewöhnliches, wir wären fast bei einer Sensation“, wenn die Borussen City doch noch überwinden würden, gestand derweil Rose. Ob Pep Guardiola in dem Fall noch Lust auf ein Glas Wein hätte, wäre abzuwarten.