Rheinische Post Viersen

Unnötiges Strampeln

Das Belastungs-EKG, die sogenannte Ergometrie, wird immer seltener durchgefüh­rt. In Zeiten von Corona schützt das die Praxen vor Aerosolen.

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Hans S. aus Kleve fragt: „Bei meiner letzten Kontrollun­tersuchung wurde kein Belastungs-EKG gemacht. Ich habe zwar keine Beschwerde­n, aber sonst wurde immer schon mal eins gemacht. Ist das nicht mehr notwendig, oder ist Corona der Grund dafür?“

Heribert Brück Es gibt verschiede­ne Gründe, ein Belastungs-EKG (Ergometrie) durchzufüh­ren. Man kann damit zum Beispiel kontrollie­ren, was der Blutdruck unter der Belastung macht oder ob Herzrhythm­usstörunge­n unter der Belastung vermehrt auftreten oder sogar weniger werden. Außerdem führt man eine Ergometrie durch, um Hinweise auf eine Herzkranzg­efäß-Verengung zu erhalten.

Doch gerade in diesem

Punkt findet zur Zeit ein Umdenken bei den Kardiologe­n statt. Die Aussagekra­ft der Ergometrie ist nämlich nicht so gut, wie man das lange angenommen hat. Es gibt sowohl normale Befunde, obwohl eine Verengung vorliegt, als auch auffällige Befunde bei normalen Herzkranzg­efäßen (insbesonde­re bei Frauen). Deshalb sollte man vor der Durchführu­ng dieser Untersuchu­ng prüfen, ob der Patient überhaupt Beschwerde­n hat. Wenn nicht, dann ist die Belastung allenfalls wegen des Blutdrucks oder der Rhythmusst­örungen empfohlen. Außerdem sollte man schauen, wie hoch die Wahrschein­lichkeit ist, dass dieser Patient eine Herzkranzg­efäßerkran­kung hat; dabei spielen auch wieder die Beschwerde­n eine große Rolle, aber auch das Alter und das Geschlecht und insbesonde­re Risikofakt­oren wie Rauchen, Bluthochdr­uck, Diabetes und erhöhtes Cholesteri­n. Ist die Wahrschein­lichkeit gering – wir sprechen in der Medizin von der Prätest-Wahrschein­lichkeit –, ist die Aussagekra­ft der Ergometrie auch gering und bringt einen nicht weiter. Bei einer mittleren Wahrschein­lichkeit macht die Ergometrie durchaus weiter Sinn.

In Corona-Zeiten gilt es aber auch die erhöhte Aerosolbel­astung

Heute bevorzugen Kardiologe­n andere Untersuchu­ngsarten

zu bedenken; deshalb muss das medizinisc­he Personal geschützt werden, und auch der Patient muss eine Maske tragen, was die Belastung nicht gerade erleichter­t.

Die Leitlinien sehen als weitere Schritte dann eine sogenannte Stufendiag­nostik vor, man kann eine (nuklearmed­izinische) Szintigraf­ie oder eine Ultraschal­luntersuch­ung des Herzens unter Belastung machen; dabei wird die Belastung entweder ebenfalls mit dem Fahrrad oder mit einer Medikament­engabe erzeugt. Weiter kämen eine Computerto­mografie, ein MRT oder zuletzt eine Herzkathet­eruntersuc­hung in Betracht.

Da der Leser glückliche­rweise ja beschwerde­frei ist, kann in Coronazeit­en auf eine Ergometrie verzichtet werden.

Unser Autor Heribert Brück ist niedergela­ssener Kardiologe in Erkelenz.

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