Rheinische Post Viersen

Führungsfr­au in der Männerbran­che

Mareike Lüken wurde als eine der Top-100-Führungsfr­auen ausgezeich­net, arbeitet in der Mobilitäts­branche und engagiert sich in verschiede­nen Netzwerken. Warum das gerade für Frauen so wichtig ist und wo Mönchengla­dbach in Sachen Mobilität steht.

- VON LILLI STEGNER

MÖNCHENGLA­DBACH Es gibt Dinge, die manchmal unsichtbar bleiben. Das kann zum Beispiel ein Betrieb sein, der weltweit in der Mobilitäts­branche tätig ist. Fast täglich nutzen wir zum Beispiel Fahrschein­automaten, doch wer dahinter steckt, ist meist nicht erkennbar. Das sind aber auch weibliche Vorbilder in Führungspo­sitionen. Denn natürlich gibt es sie, ohne Netzwerkar­beit bleiben allerdings auch sie oft ungesehen.

Mareike Lüken ist eine dieser Frauen, die sich dafür einsetzt, dass sich Frauen besser vernetzen können und sich so gegenseiti­g fördern. Sie leitet die Marketing-Abteilung des Betriebsbe­reichs für Fahrgeldma­nagement beim Gladbacher Familienun­ternehmen Scheidt und Bachmann. Außerdem ist sie Mitgründer­in des Lokalstand­ortes Rhein-Ruhr des Netzwerks „Women in Mobility“, hat bei Twitter die Initiative #TwitterTea­mNRW angestoßen und wurde 2019 als eine der 100 Führungsfr­auen der Mobilitäts­branche gewählt.

„Die Branche ist wie das produziere­nde Industrieg­ewerbe insgesamt männlich dominiert und recht traditione­ll und hierarchis­ch“, sagt Lüken. Sie habe zwar immer gute Kollegen gehabt, sei gefördert und gleichbere­chtigt behandelt worden. Doch mehr als einmal sei ihr auch aufgefalle­n, bei Besprechun­gen oder Meetings die einzige Frau im Raum zu sein. „Ich hatte mein Schlüssele­rlebnis dann bei meinem ersten Treffen bei Women in Mobility. Ich habe mich sofort sehr wohl gefühlt, der Zugang war sehr viel leichter“, sagt sie.

Vor ungefähr einem Jahr wurde sie dann von den Gründerinn­en des Netzwerks angesproch­en, ob sie nicht gemeinsam mit drei weiteren Frauen die local hub RheinRuhr, also den lokalen Standort des Netzwerkes in der Region, betreuen möchte. Seitdem engagiert sich Lüken dort für die Vernetzung innerhalb der Branche, um die vielen fähigen Frauen dort sichtbarer zu machen, zusammen zu bringen oder auch als Speakerinn­en zu vermitteln. „Die Treffen bieten beide Faktoren: Fachlicher Austausch und privates Netzwerken“, sagt sie. Die Teilnehmer­innen zahlen keinen Mitgliedsb­eitrag, so sollen die Veranstalt­ungen möglichst offen für alle bleiben.

„Ich persönlich habe auch gelernt: Man darf nicht auf den Auftrag warten, etwas zu tun, man muss selbst die Initiative ergreifen, um mit anderen zusammen etwas zu bewegen“, sagt Lüken. Sie fand den Zugang zu den Netzwerken über die fachliche Ebene, doch sie will auch dafür sorgen, dass es mehr weibliche Vorbilder gibt. „Denn es gibt ja schon leuchtende Beispiele in der Mobilitäts­branche“, sagt sie. Die Vorständin von DB Cargo ist seit Anfang 2020 Sigrid Evelyn Nikutta. Und auch die Verkehrsbe­triebe in Berlin, Köln und Bonn werden von Frauen geleitet.

Denn gerade in der Führungseb­ene der Mobilitäts­branche sind Frauen nach wie vor unterreprä­sentiert. „Ähnlich wie in Ingenieurs­betrieben gibt es meist weniger als 20 Prozent Frauen. Aber 56 Prozent der Nutzer sind weiblich“, sagt Lüken. Und Frauen seien grundsätzl­ich anders mobil als Männer. Sie legen eher mehrere, aber kürzere Strecken zurück. Das liegt laut Lüken vor allem daran, dass Frauen nach wie vor einen Großteil der Fürsorge-Arbeit erledigen. „Da geht man eher auf dem Rückweg von der Kita mal eben noch schnell zum Supermarkt“, sagt sie.

Männer seien hingegen meist direkter unterwegs, hin zur Arbeit, nach Feierabend wieder zurück nach Hause. Dass trotzdem kaum Frauen gerade im Bereich Produktent­wicklung tätig sind, findet sie schade. „Ich glaube auch nicht, dass da die einzelnen Firmen Schuld sind, das Problem ist eher gesamtgese­llschaftli­ch“, sagt sie.

Deshalb liegt Lüken auch besonders die Nachwuchsf­örderung am Herzen. Bei Girls and Boys Days in der Vergangenh­eit hat es ihr immer Freude bereitet, jungen Menschen die Arbeit der Mobilitäts­branche zu zeigen, auch an Auszubilde­nde gibt sie immer gerne ihr Wissen weiter. Mädchen und junge Frauen will sie ermutigen und fördern, will mehr Vorbilder in der Branche aufzeigen. „Mein Antrieb ist es, Städte zukunftsfä­higer zu machen. Wie bewegen wir uns im urbanen Raum? Das hat ganz entscheide­nd mit den Faktoren der Mobilität zu tun“, sagt sie. Und betrifft alle, egal ob Mann oder Frau.

Durch eine Quote könnte erreicht

werden, dass bei der Entwicklun­g dieser Konzepte mehr Frauen beteiligt sind. „Das könnte auf jeden Fall helfen“, sagt Lüken. Und viele Veränderun­gen, die Frauen in Führungspo­sitionen verhelfen könnten, seien schließlic­h auch für alle von Vorteil. „Frühe Förderung von MINT-Fächern und mehr Flexibilit­ät in Unternehme­n wäre für alle gut“, sagt sie. Es seien verschiede­ne Stellschra­uben nötig: gesamtgese­llschaftli­cher Wandel, aber auch Maßnahmen der Politik. „Viele Unternehme­n machen da schon wirklich viel“, sagt sie. Doch durch privates Netzwerken können Frauen nur gewinnen. „Ich engagiere mich nicht zuletzt auch, um selber zu lernen, mich auszutausc­hen, selber neue Erkenntnis­se zu gewinnen und Erfahrunge­n zu teilen“, sagt sie.

In Sachen Mobilität sei Mönchengla­dbach auf einem guten Weg: „Es passiert viel, neue Buslinien, Blindenlei­tsysteme, neue Fahrrad-Straßen“. Die Stadt müsse am Ball bleiben für eine moderne Gestaltung. Und auch Bürger sollten nicht zögern, sich einzubring­en, wo es möglich ist. „Die Nutzer von Mobilitäts­systemen wissen schließlic­h am besten, wo es noch hakt.“

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FOTO: DETLEF ILGNER Mareike Lüken engagiert sich in Netzwerken für die Sichtbarke­it von Frauen in Führungspo­sitionen.

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