„Deutlich leiser als ein Kühlschrank“
Anwohner der Windräder in Vorst beklagten Lärm. Der Geschäftsführer erläutert, was sich seitdem getan hat.
Herr Nitzschke, Ende Januar geb es Beschwerden wegen Lärmbelästigung durch die Windräder an der Rottheide zwischen Vorst und Süchteln. Sie haben zugesagt, das untersuchen zu wollen. Was ist seitdem passiert?
MILAN NITZSCHKE Wir haben zunächst zu den Anwohnern Kontakt aufgenommen. Wir haben unsere Ohren ja nicht immer vor Ort und sind auf Meldungen angewiesen. Wir haben vereinbart, dass die Anwohner sich bei uns melden, wenn das Geräusch wieder auftritt. Aber das ist seitdem nicht geschehen.
Was vermuten Sie, könnte das Geräusch verursacht haben? NITZSCHKE Es ist ein bisschen Stochern im Nebel, wenn sich die Anwohner nicht wieder melden und das Geräusch nicht wieder auftritt. An dem Tag waren Monteure vor Ort, die die Anlagen morgens abgestellt haben. Damit dürfte es eigentlich keine Geräusche gegeben haben.
Wie laut dürfen die Windräder sein? NITZSCHKE Wichtig ist die Lautstärke, die an den Wohngebäuden ankommt. Bei der angrenzenden Siedlung in Vorst handelt es sich um ein reines Wohngebiet, da gelten die schärfsten Beschränkungen. Der Immissionsrichtwert liegt tagsüber bei 50 Dezibel und nachts bei 35 Dezibel. Das ist deutlich leiser als ein Kühlschrank.
Wie viele Beschwerden gab es seit Beginn des Probebetriebs wegen der beiden Windkraftanlagen bereits? NITZSCHKE Es gab bislang keine anderen Beschwerden. Wir haben aber eine eigene E-Mailadresse eingerichtet und stehen mit Tönisvorsts Bürgermeister Uwe Leuchtenberg in Kontakt, den die Menschen vor Ort eher ansprechen, wie sie es ja auch in diesem Fall gemacht haben. Bevor man etwas in sich rein frisst, sollte man das Gespräch suchen.
Wie lange läuft der Probebetrieb? NITZSCHKE Der ist seit diesem Monat abgeschlossen.
Was wurde getestet?
NITZSCHKE Bei den Windrädern handelt es sich um große und komplexe Kraftwerke. Da braucht es einige Wochen, bis man alle Betriebsmodi einmal eingestellt und geprüft hat. Das ist ein Standardverfahren, das wir mit dem Hersteller zusammen durchgeführt haben.
Wie geht es jetzt weiter?
NITZSCHKE Eine Schallbegutachtung muss noch kommen. Die beauftragen wir, ein unabhängiger Gutachter führt sie bei hohem Windaufkommen durch. Das passiert in den nächsten Wochen. Dafür ist der Gutachter in Abstimmung mit dem Kreis Viersen als zuständiger Genehmigungsbehörde. Dann werden die Anlagen final eingestellt. Vor ein paar Tagen hat das Oberverwaltungsgericht auch die letzte Beschwerde der Stadt Tönisvorst abgewiesen.
Dabei ging es um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, wonach die Stadt Tönisvorst ihre Veränderungssperre nicht im Wege einer Dringlichkeitsentscheidung hätte beschließen dürfen.
NITZSCHKE Es handelte sich um eine Höhenbegrenzung, die zur Vermeidung der Anlagen hätte führen sollen, denn so kleine Anlagen, wie demnach hätten möglich sein sollen, baut heute niemand mehr.
Bei den Windkraftanlagen in Vorst wurde auch immer wieder der Standort moniert. Bitte erläutern Sie noch einmal, warum Sie den gewählt haben.
NITZSCHKE Es war der einzige Standort, der im Regionalplan ausgewiesen wurde. Die Stadt Tönisvorst hat es über Jahre versäumt, geeignete Flächen auszuweisen. Im Rahmen der Energiewende hat dann die Bezirksregierung als übergeordnete Behörde übernommen und gesagt: Wir brauchen das. Denn aus der Steckdose wollen wir am Ende trotzdem noch Strom haben. Dafür gibt es heute nur noch die Windund die Solarenergie. Kohle und Atomenergie laufen aus. Die Sonne scheint aber nachts nicht, und bei der Windkraft ist das Potenzial ohnehin höher. Sie muss in Deutschland zukünftig mehr als 60 Prozent der Stromerzeugung übernehmen. In Tönisvorst ist ja noch eine verhältnismäßig sehr kleine Fläche ausgewiesen worden.
Wie meinen Sie das?
NITZSCHKE Es ist für Kommunen nicht mehr möglich, einfach nur zu hoffen, dass die Stromerzeugung aus Windenergie nur in den Nachbargemeinden stattfindet. So wird das nichts mit der Energiewende und auch nicht mit sicherer Stromversorgung in der Zukunft. Nach der Regionalplanfestlegung gab es dann für uns schlicht keine andere Möglichkeit als den nun gewählten Standort. Wenn wir den Antrag nicht gestellt hätten, hätten es andere getan. Gebaut worden wäre in jedem Fall. Es gibt aber immer wieder die Kritik, dass Unternehmen Anlagen bauen, dann verkaufen und weg sind. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir sind in NRW verwurzelt und verkaufen unsere Anlagen nicht. Wir planen, bauen und betreiben sie, die vollen 20 Jahre oder mehr.
Setzen Sie deswegen auf Kommunikation?
NITZSCHKE Wir werden den Klimaschutz nur hinbekommen, wenn Kommunen und Bürger mitmachen. Das war in Tönisvorst bislang eher schwierig, aber wir wollen dennoch eine Bürgerbeteiligung ermöglichen. Die soll kommenden Monat starten.
Wie sieht die aus?
NITZSCHKE Die Bürger können Geld anlegen und bekommen einen festen Zins. In Vergleichsprojekten liegt der Zins bei vier bis fünf Prozent. Die Zinsbindung gilt über den gesamten Betriebszeitraum der Anlagen, also 20 Jahre.
Planen Sie in Tönisvorst den Bau weiterer Anlagen?
NITZSCHKE Wenn weitere Flächen von der Stadt oder durch den Regionalplan möglich gemacht werden, würden wir dort gerne wieder tätig werden. Aus dem Wissen heraus, dass wir diese Energie brauchen. Es wirkt für manche so, als würde man vor ihrer Tür etwas Fremdes machen,
aber der Strom bleibt in Tönisvorst. Er schont das Klima, ganz konkret vor Ort. In fünf bis zehn Jahren werden wir uns ohnehin in einer völlig anderen Position befinden.
Wie sieht die aus?
NITZSCHKE Dann wird man leider noch stärker sehen, dass der Klimawandel sehr real ist und wir keine andere Möglichkeit haben, als das Ausbautempo bei Windkraft und Solarenergie drastisch zu erhöhen. Aber die Maschinen werden immer leistungsfähiger. Heute produziert eine Anlage so viel Strom wie vor 20 Jahren zehn Anlagen zusammen. Von diesen modernen und großen Anlagen werden daher am Ende gar nicht mehr in Deutschland stehen müssen als heute kleinere, aber eben auch nicht weniger.