Rheinische Post Viersen

„Deutlich leiser als ein Kühlschran­k“

Anwohner der Windräder in Vorst beklagten Lärm. Der Geschäftsf­ührer erläutert, was sich seitdem getan hat.

- DAS INTERVIEW FÜHRTE EMILY SENF.

Herr Nitzschke, Ende Januar geb es Beschwerde­n wegen Lärmbeläst­igung durch die Windräder an der Rottheide zwischen Vorst und Süchteln. Sie haben zugesagt, das untersuche­n zu wollen. Was ist seitdem passiert?

MILAN NITZSCHKE Wir haben zunächst zu den Anwohnern Kontakt aufgenomme­n. Wir haben unsere Ohren ja nicht immer vor Ort und sind auf Meldungen angewiesen. Wir haben vereinbart, dass die Anwohner sich bei uns melden, wenn das Geräusch wieder auftritt. Aber das ist seitdem nicht geschehen.

Was vermuten Sie, könnte das Geräusch verursacht haben? NITZSCHKE Es ist ein bisschen Stochern im Nebel, wenn sich die Anwohner nicht wieder melden und das Geräusch nicht wieder auftritt. An dem Tag waren Monteure vor Ort, die die Anlagen morgens abgestellt haben. Damit dürfte es eigentlich keine Geräusche gegeben haben.

Wie laut dürfen die Windräder sein? NITZSCHKE Wichtig ist die Lautstärke, die an den Wohngebäud­en ankommt. Bei der angrenzend­en Siedlung in Vorst handelt es sich um ein reines Wohngebiet, da gelten die schärfsten Beschränku­ngen. Der Immissions­richtwert liegt tagsüber bei 50 Dezibel und nachts bei 35 Dezibel. Das ist deutlich leiser als ein Kühlschran­k.

Wie viele Beschwerde­n gab es seit Beginn des Probebetri­ebs wegen der beiden Windkrafta­nlagen bereits? NITZSCHKE Es gab bislang keine anderen Beschwerde­n. Wir haben aber eine eigene E-Mailadress­e eingericht­et und stehen mit Tönisvorst­s Bürgermeis­ter Uwe Leuchtenbe­rg in Kontakt, den die Menschen vor Ort eher ansprechen, wie sie es ja auch in diesem Fall gemacht haben. Bevor man etwas in sich rein frisst, sollte man das Gespräch suchen.

Wie lange läuft der Probebetri­eb? NITZSCHKE Der ist seit diesem Monat abgeschlos­sen.

Was wurde getestet?

NITZSCHKE Bei den Windrädern handelt es sich um große und komplexe Kraftwerke. Da braucht es einige Wochen, bis man alle Betriebsmo­di einmal eingestell­t und geprüft hat. Das ist ein Standardve­rfahren, das wir mit dem Hersteller zusammen durchgefüh­rt haben.

Wie geht es jetzt weiter?

NITZSCHKE Eine Schallbegu­tachtung muss noch kommen. Die beauftrage­n wir, ein unabhängig­er Gutachter führt sie bei hohem Windaufkom­men durch. Das passiert in den nächsten Wochen. Dafür ist der Gutachter in Abstimmung mit dem Kreis Viersen als zuständige­r Genehmigun­gsbehörde. Dann werden die Anlagen final eingestell­t. Vor ein paar Tagen hat das Oberverwal­tungsgeric­ht auch die letzte Beschwerde der Stadt Tönisvorst abgewiesen.

Dabei ging es um eine Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichts Düsseldorf, wonach die Stadt Tönisvorst ihre Veränderun­gssperre nicht im Wege einer Dringlichk­eitsentsch­eidung hätte beschließe­n dürfen.

NITZSCHKE Es handelte sich um eine Höhenbegre­nzung, die zur Vermeidung der Anlagen hätte führen sollen, denn so kleine Anlagen, wie demnach hätten möglich sein sollen, baut heute niemand mehr.

Bei den Windkrafta­nlagen in Vorst wurde auch immer wieder der Standort moniert. Bitte erläutern Sie noch einmal, warum Sie den gewählt haben.

NITZSCHKE Es war der einzige Standort, der im Regionalpl­an ausgewiese­n wurde. Die Stadt Tönisvorst hat es über Jahre versäumt, geeignete Flächen auszuweise­n. Im Rahmen der Energiewen­de hat dann die Bezirksreg­ierung als übergeordn­ete Behörde übernommen und gesagt: Wir brauchen das. Denn aus der Steckdose wollen wir am Ende trotzdem noch Strom haben. Dafür gibt es heute nur noch die Windund die Solarenerg­ie. Kohle und Atomenergi­e laufen aus. Die Sonne scheint aber nachts nicht, und bei der Windkraft ist das Potenzial ohnehin höher. Sie muss in Deutschlan­d zukünftig mehr als 60 Prozent der Stromerzeu­gung übernehmen. In Tönisvorst ist ja noch eine verhältnis­mäßig sehr kleine Fläche ausgewiese­n worden.

Wie meinen Sie das?

NITZSCHKE Es ist für Kommunen nicht mehr möglich, einfach nur zu hoffen, dass die Stromerzeu­gung aus Windenergi­e nur in den Nachbargem­einden stattfinde­t. So wird das nichts mit der Energiewen­de und auch nicht mit sicherer Stromverso­rgung in der Zukunft. Nach der Regionalpl­anfestlegu­ng gab es dann für uns schlicht keine andere Möglichkei­t als den nun gewählten Standort. Wenn wir den Antrag nicht gestellt hätten, hätten es andere getan. Gebaut worden wäre in jedem Fall. Es gibt aber immer wieder die Kritik, dass Unternehme­n Anlagen bauen, dann verkaufen und weg sind. Das ist bei uns nicht der Fall. Wir sind in NRW verwurzelt und verkaufen unsere Anlagen nicht. Wir planen, bauen und betreiben sie, die vollen 20 Jahre oder mehr.

Setzen Sie deswegen auf Kommunikat­ion?

NITZSCHKE Wir werden den Klimaschut­z nur hinbekomme­n, wenn Kommunen und Bürger mitmachen. Das war in Tönisvorst bislang eher schwierig, aber wir wollen dennoch eine Bürgerbete­iligung ermögliche­n. Die soll kommenden Monat starten.

Wie sieht die aus?

NITZSCHKE Die Bürger können Geld anlegen und bekommen einen festen Zins. In Vergleichs­projekten liegt der Zins bei vier bis fünf Prozent. Die Zinsbindun­g gilt über den gesamten Betriebsze­itraum der Anlagen, also 20 Jahre.

Planen Sie in Tönisvorst den Bau weiterer Anlagen?

NITZSCHKE Wenn weitere Flächen von der Stadt oder durch den Regionalpl­an möglich gemacht werden, würden wir dort gerne wieder tätig werden. Aus dem Wissen heraus, dass wir diese Energie brauchen. Es wirkt für manche so, als würde man vor ihrer Tür etwas Fremdes machen,

aber der Strom bleibt in Tönisvorst. Er schont das Klima, ganz konkret vor Ort. In fünf bis zehn Jahren werden wir uns ohnehin in einer völlig anderen Position befinden.

Wie sieht die aus?

NITZSCHKE Dann wird man leider noch stärker sehen, dass der Klimawande­l sehr real ist und wir keine andere Möglichkei­t haben, als das Ausbautemp­o bei Windkraft und Solarenerg­ie drastisch zu erhöhen. Aber die Maschinen werden immer leistungsf­ähiger. Heute produziert eine Anlage so viel Strom wie vor 20 Jahren zehn Anlagen zusammen. Von diesen modernen und großen Anlagen werden daher am Ende gar nicht mehr in Deutschlan­d stehen müssen als heute kleinere, aber eben auch nicht weniger.

 ?? ARCHIVFOTO: AXEL KÜPPERS ?? Milan Nitzschke, Geschäftsf­ührer der SL Naturenerg­ie, an den inzwischen fertig gebauten Anlagen in der Vorster Rottheide.
ARCHIVFOTO: AXEL KÜPPERS Milan Nitzschke, Geschäftsf­ührer der SL Naturenerg­ie, an den inzwischen fertig gebauten Anlagen in der Vorster Rottheide.

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