Rheinische Post Viersen

Erste Impfung bekommen – was nun?

Hunderttau­sende haben erst eine Dosis des Astrazenec­a-Vakzins erhalten. Die Zweitimpfu­ng mit einem anderen Impfstoff wird in Großbritan­nien bereits untersucht.

- VON JAN DREBES, ANTJE HÖNING UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

DÜSSELDORF/BERLIN Der Impfstopp für Astrazenec­a verunsiche­rt die Menschen und wirft Fragen auf. Ein Überblick zu den wichtigste­n:

Freitag wurde die Impfung noch nicht ausgesetzt, jetzt schon. Was hat sich geändert?

Seit Freitag wurden drei neue Fälle von Hirnvenent­hrombosen gemeldet, zwei davon am Montag, betonte das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. Damit gebe es sieben Fälle im Zusammenha­ng mit Astrazenec­a-Impfungen, drei davon sind tödlich verlaufen. Trotz der hohen Zahl an Impfungen mit Astrazenec­a sei das überdurchs­chnittlich viel. Deshalb hat das PEI entschiede­n, eine vorläufige Aussetzung zu empfehlen. Dem sei die Regierung gefolgt.

Wie geht es weiter?

Am Donnerstag will sich die Europäisch­e Arzneimitt­elagentur äußern, am Freitag beraten Kanzlerin und Ministerpr­äsidenten. Experten halten eine Freigabe unter Auflagen für möglich, falls eine Kombinatio­n von Risiken das Problem ist. „Möglicherw­eise gibt es Zusammenhä­nge mit der Einnahme von Verhütungs­mitteln. Es könnte sein, dass der Impfstoff später unter Auflagen wieder zugelassen wird“, sagte Frank Bergmann, Chef der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) Nordrhein. „Die Städte hoffen, dass der Impfstopp nur vorübergeh­end sein wird. Sobald Klarheit besteht, muss die Impfkampag­ne wieder an Fahrt aufnehmen“, sagte Helmut Dedy, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetage­s. Der Impfstopp mit Astrazenec­a treffe vor allem Berufstäti­ge. „Sie alle sollten in diesen Tagen geimpft werden.“

Was gilt für Menschen, die erst eine Dosis bekommen haben? Bundesweit haben 1,7 Millionen

Menschen eine erste Dosis von Astrazenec­a erhalten. Die wenigsten haben bereits eine zweite Dosis bekommen, die nach zwölf Wochen gegeben werden soll. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) betonte, womöglich werde der Impfstoff wieder freigegebe­n, versichert­e aber auch: „Wir werden eine Lösung finden, falls die zweite Impfung mit Astrazenec­a nicht mehr möglich ist.“

Kann man auf einen anderen Impfstoff umsteigen?

Das halten Experten für möglich, es wird aber noch geprüft. „Klinische Studien, die die Kombinatio­n von Erst- und Zweitimpfu­ng mit zwei verschiede­nen zugelassen­en Impfstoffp­rodukten untersuche­n, haben begonnen beziehungs­weise sind konzipiert“, hatte PEI-Chef Klaus Cichutek gesagt. In Großbritan­nien würden Kombinatio­nen des Astrazenec­a-Impfstoffs mit Comirnaty von Biontech/Pfizer geprüft.

Reicht auch eine Dosis?

Auch eine Dosis bietet einen gewissen Schutz vor einer Infektion. Allerdings warnen Experten davor, es bei einer Impfung zu belassen. Schon zu Jahresanfa­ng, als es um die Frage ging, ob man durch Streckung der Abstände die Lieferengp­ässe überwinden kann, hatte etwa der New

Yorker Impfforsch­er Florian Krammer gewarnt: Nach der ersten Impfung sei die Zahl der neutralisi­erenden Antikörper noch gering, sodass es zu asymptomat­ischen Infektione­n kommen könne. In solchen Fällen sei die Entstehung mutierter Virusvaria­nten möglich, die resistente­r gegen eine Impfung sind. Solche Varianten könnten global zum Problem werden.

Was sagt Astrazenec­a?

Der britische Pharmakonz­ern sieht kein erhöhtes Risiko von Blutgerinn­seln in Zusammenha­ng mit seinem Vakzin. Eine Analyse aller Sicherheit­sdaten von mehr als 17 Millionen Menschen, die in der EU und Großbritan­nien geimpft wurden, habe keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko einer Lungenembo­lie, einer tiefen Venenthrom­bose oder einen Rückgang der Blutplättc­hen ergeben, hatte Astrazenec­a am Sonntag mitgeteilt.

Was wird aus den Praxen?

Weil der Astrazenec­a-Impfstoff im Kühlschran­k gelagert werden kann, sollte er vor allem in Praxen und Unternehme­n eingesetzt werden. Nun könnte sich der Impfstart in den Praxen, der ab Mitte April geplant war, verschiebe­n. „Das Aussetzen der Impfungen wirft uns zwar zurück, ist aber kein Grund, die Planungen für einen möglichst schnellen flächendec­kenden Impfstart in den Hausarztpr­axen zu verschiebe­n“, sagte der Präsident des Deutschen Hausärztev­erbandes, Ulrich Weigeldt. „Sollte sich der Impfstoff als unbedenkli­ch herausstel­len, wird es noch dringender als schon zuvor des Engagement­s der Hausärzte bedürfen. Nur sie, die ihre Patienten schon seit Jahren versorgen, ihre Krankheits­geschichte, aber auch ihre Sorgen kennen, werden den zeitweisen Vertrauens­verlust wettmachen können“, sagte Weigeldt. „In der Anonymität der Impfzentre­n wird das kaum möglich sein.“

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