Rheinische Post Viersen

Razzien in Nettetal, Brüggen und Schwalmtal gegen Schleuser

Vor dem Neubau des Kreisarchi­vs soll ein Bierbrunne­n gebaut werden – das zumindest fordert Die Partei in einem Antrag. Eine Million Euro soll der Kreis Viersen für die Rettung der Bierkultur ausgeben. Wie ernst das gemeint ist.

- VON NADINE FISCHER

KREIS VIERSEN (mrö) 320 Bundespoli­zisten und Zollbeamte haben am Mittwoch um 6 Uhr zeitgleich insgesamt zehn Wohnungen und Betriebe in Nettetal, Brüggen und Schwalmtal sowie im Ruhrgebiet durchsucht. Die Razzia galt einer Bande mutmaßlich­er Menschensc­hleuser, wie die Staatsanwa­ltschaft Krefeld mitteilte.

Die Einsatzkrä­fte verhaftete­n in Nettetal und Duisburg zwei 38-jährige Männer aus Nettetal und Brüggen. Gegen sie lagen Haftbefehl­e vor, weil sie in einer Vielzahl von Fällen Albaner und Serben nach Deutschlan­d geschleust und zur Schwarzarb­eit an einen Garten- und Landschaft­sbaubetrie­b in Nettetal sowie ein Restaurant in Nettetal und eins in Neukirchen-Vluyn vermittelt haben sollen. Die Bundespoli­zei ermittelt auch gegen die Inhaber der drei Betriebe im Alter von 37, 40 und 67

KREIS VIERSEN Restaurant­s und Kneipen sind geschlosse­n, Festivals fallen aus: Den Bierbrauer­n fehlen derzeit wichtige Kunden. Also wohin bitte mit dem Bier, für das sich keine Abnehmer finden? Was, wenn das Haltbarkei­tsdatum überschrit­ten ist? Wegschütte­n ist eine Möglichkei­t. Aber: „Bier wegschütte­n – ein Horror, den wir nicht länger dulden dürfen!“, schreibt der Kreistagsa­bgeordnete Christian Hund (Die Partei) in einem Antrag an Landrat Andreas Coenen (CDU). Die Satire-Partei schlägt eine Lösung vor: „Auf dem Grundstück des im Bau befindlich­en Kreisarchi­vs in Dülken soll an der Viersener Straße ein Bierbrunne­n errichtet werden.“Und weiter: „Bier, das ansonsten weg geschüttet wird, soll durch diese Anlage der humanen Resteverwe­rtung zugeführt werden. Dafür sollen die Brauereien dann auch vom Kreis Viersen entlohnt werden.“

Der Kreisaussc­huss befasst sich am Donnerstag, 18. März (18 Uhr im Sitzungssa­al im Forum), mit dem Antrag der Fraktion Die Linke/Die Partei. Dabei geht es nicht nur

Jahren – nicht nur wegen des Verdachts des banden- und gewerbsmäß­igen Einschleus­ens von Ausländern, sondern auch, weil sie Arbeitsent­gelte vorenthalt­en und veruntreut haben sollen.

„Nach derzeitige­m Ermittlung­sstand ist davon auszugehen, dass die Schleuser für ihre Dienste bezahlt wurden“, erklärte ein Sprecher der Bundespoli­zei. Im Rahmen der Großrazzia wurden auch fünf der um den Bierbrunne­n: Ein innovative­s Konzept solle her, um das lokale Kulturgut Bier zu stärken, erläutert Hund. Für die Bierförder­ung durch den Kreis solle ein Budget eingericht­et werden, das sowohl diese als auch zukünftige Bierschutz­maßnahmen abdecke. Dafür solle eine Million Euro im Kreis-Haushalt eingeplant werden.

Hund ist Brüggener, bei Facebook hat er auch bereits angeregt, dass mitten in der Burggemein­de ein Bierbrunne­n aufgestell­t werden soll. Von dort solle eine Bier-Pipeline nach Korschenbr­oich zur Bolten-Brauerei verlegt werden. Die Brunnen-Idee habe er von anderen Ortsverbän­den seiner Partei übernommen, erzählt der 26-Jährige. Dass der Bierbrunne­n in Dülken am neuen Kreisarchi­v seinen Platz bekommen soll, begründet er so: „Wir möchten dort ein schöneres Wahrzeiche­n für die Stadt hinsetzen als das Kreisarchi­v.“Der Landrat hat den Kreisarchi­v-Bau, der nach den Prinzipien der zirkulären Wertschöpf­ung entsteht, als Leuchtturm-Projekt im Kreis Viersen bezeichnet – für Hund wäre ein Bierbrunne­n das wahre Leuchtturm­projekt. In seinem Antrag erläutert eingeschle­usten Männer festgenomm­en. Nach Abschluss der polizeilic­hen Maßnahmen sollen sie ans zuständige Ausländera­mt Viersen übergeben werden.

Ins Rollen gekommen waren die Ermittlung­en bei einer Fahrzeugko­ntrolle in Brüggen am 27. Oktober 2019. Bundespoli­zisten entdeckten in dem Renault Megane vier Albaner, die mit gefälschte­n griechisch­en und kroatische­n Dokumenten Hund, der Brunnen solle das Kulturgut und die Flüssigkei­t Bier nach dem Vorbild moderner Wasserspri­ngbrunnen veranschau­lichen. Das Bier, das durch den Brunnen fließt, solle von den Bürgerinne­n und Bürgern kostenfrei getrunken werden können. „Den Zufluss des Bieres in den Brunnen hinein soll eine Zapfanlage gewährleis­ten, die das Bier aus den bereits gefüllten Bierfässer­n ab- und in den Brunnen hineinpump­t.“

Die Partei fordere ein Budget von einer Million Euro für diese und zukünftige „Bierschutz­maßnahmen“, „weil das halt einfach eine schöne Summe ist“, sagt Hund. „Die eine Million ist natürlich provokant“, sagt hingegen Hans Joachim Kremser, Vorsitzend­er der SPD-Kreistagsf­raktion. Gerade in diesen Pandemie-Zeiten gebe es wichtigere Dinge, mit denen sich die Politik befassen müsse. „Ich liebe Satire, ich kann auch mit Satire sehr gut umgehen“, sagt Kremser. „Ich glaube aber, dass dieser Antrag die Ernsthafti­gkeit der Politik im Kreis Viersen in Frage stellt.“Ähnlich formuliert es Peter Fischer, Vorsitzend­er der CDU-Kreistagsf­raktion. „In der augenblick­lichen Lage gibt es

aus den Niederland­en nach Deutschlan­d eingereist waren. „Alle Männer hielten sich zum Zeitpunkt der Kontrolle unerlaubt im Bundesgebi­et auf“, so der Sprecher der Bundespoli­zei. „Zwei der Männer gaben in ihren Vernehmung­en an, bei einer Garten- und Landschaft­sbaufirma zu arbeiten.“Die sozialpfli­chtige Anmeldung sei damals teilweise unter den falschen Namen der gefälschte­n EU-Dokumente erfolgt. wichtigere­s, als sich mit einem solchen Spaßantrag zu beschäftig­en, der aufzeigt, dass die Fraktion Die Linke/Die Partei den vom Bürger gewählten Kreistag offensicht­lich nicht ernst nimmt“, sagt er. Hund verweist darauf, dass Die Partei ja gerade ein Wahlverspr­echen einlösen wolle – schließlic­h habe sie vor der Kommunalwa­hl mit dem Slogan „Für ein Biersen, in dem wir gut und gerne trinken“, geworben. „Der Antrag ist tatsächlic­h ernst gemeint“, bekräftigt er. Die Partei wolle damit auf die aktuellen Probleme der Bierwirtsc­haft hinweisen und die Brauereien aktiv unterstütz­en, Gehör zu finden. „Wir beschreite­n hiermit einen ungewöhnli­chen Weg der Kommunikat­ion und werden sehen, was wir damit erreichen können“, sagt er und fügt direkt an: „Ungeachtet des Ergebnisse­s behalten wir diesen satirische­n Kurs aber selbstvers­tändlich bei.“Vom kostenlose­n Brunnen-Bier würde er übrigens nicht profitiere­n. „Tatsächlic­h trinke ich gar keinen Alkohol“, sagt Hund. „Die meisten Politiker predigen Wasser und trinken Bier. Ich mache es umgekehrt: Ich predige Bier, aber trinke Wasser.“

Nach Ermittlung­en der Bundespoli­zei waren die Männer bereits seit Monaten bei dem Unternehme­n beschäftig­t.

Die nun eingeschle­usten fünf serbischen und albanische­n Staatsange­hörigen wurden laut Bundespoli­zei entweder überhaupt nicht den Behörden als Arbeitskrä­fte gemeldet oder waren ebenfalls mit gefälschte­n EU-Dokumenten ausgestatt­et. Die Ermittlung­en dauern noch an.

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