Rheinische Post Viersen

Schulleite­r schimpfen aufs Ministeriu­m

In einem offenen Brief an das NRW-Schulminis­terium machen Schulleite­r aus dem Kreis Viersen ihrem Ärger über die Selbsttest­s für Schüler Luft: Das Zeitmanage­ment des Ministeriu­ms sei schlecht, die Kommunikat­ion mangelhaft.

- VON BIRGITTA RONGE UND NADINE FISCHER

KREIS VIERSEN Pädagogisc­he Hinweise aus dem NRW-Schulminis­terium zu Selbsttest­s für Schüler machen Schulleite­r im Kreis Viersen fassungslo­s. In einem offenen Brief wandten sich Leiter von Gesamtund Sekundarsc­hulen im Kreis Viersen am Sonntag an NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) und Staatssekr­etär Mathias Richter (FDP). Unterzeich­net wurde der Brief von Martin Landman (Anne-Frank-Gesamtschu­le Viersen), Leo Gielkens (Gesamtschu­le Nettetal), Andreas Kaiser, Leiter der Rupert-Neudeck-Gesamtschu­le in Tönisvorst, Uwe Hötter (Gesamtschu­le Kempen), Christian Rütten (Sekundarsc­hule an der Dorenburg Grefrath) und Eduardo Träger (Leonardo-da-Vinci-Gesamtschu­le Willich).

Die Corona-Pandemie fordere allen viel ab, das Virus stelle alle immer wieder vor neue Herausford­erungen – so auch im Zusammenha­ng mit Schulöffnu­ngen und Corona-Tests. „Einigkeit dürfte weitgehend darüber herrschen, dass Corona-Tests an Schulen für Schüler, Lehrer und das weitere Personal ein sehr wichtiger Bestandtei­l unserer Strategie im Kampf gegen das Virus und für Präsenzunt­erricht in Schulen sind“, schreiben die Schulleite­r. „Ein anderer Teil der Wahrheit ist aber auch, dass wir Schulleite­r ebenso wie ein großer Teil unserer Kollegen mit unserer Kraft, unseren Nerven, aber auch unserer Geduld ziemlich am Ende sind.“

Dass Schüler und Lehrer getestet werden sollen, stellen die Schulleite­r nicht infrage. Sie kritisiere­n allein das Vorgehen des Landesschu­lministeri­ums. Besondere Situatione­n wie eine solche Pandemie erforderte­n sicherlich auch besondere Maßnahmen „und natürlich auch die Unterstütz­ung und Teilnahme der Schulen und Kollegien an solchen Maßnahmen“, schreiben sie. Von daher halte man die Unterstütz­ung und Durchführu­ng von Selbsttest­s der Schüler, „die Sie von uns erwarten, zwar für ungewöhnli­ch und sicher unter normalen Umständen nicht akzeptabel, aber in dieser besonderen Krisensitu­ation doch für angemessen“, heißt es in dem offenen Brief der Schulleite­r. Aber: Die Tests seien in ihrer

Art, mit ihren komplexen Erklärunge­n, in Pack-Größe und Zusammense­tzung „kaum für den Einsatz an Schulen geeignet“. Zudem hätte es einer gründliche­n Vorbereitu­ng mit ausreichen­dem zeitlichen Vorlauf bedurft, „denn Sie planen doch nicht erst seit vergangene­n Donnerstag, die Schulen mit Selbsttest­s auszustatt­en?“

Und auch, wenn ein genauer Lieferterm­in noch nicht absehbar gewesen sei, hätte das Ministeriu­m die Schulen doch schon vor einigen Wochen grundsätzl­ich darüber informiere­n können, damit die Schulen Zeit gehabt hätten, Eltern und Schüler zu informiere­n und Lehrer angemessen schulen zu können. „Nichts davon war zeitlich oder sachlich zwischen Ihrer Schulmail vom 15. März und dem geplanten Testbeginn am 16. März möglich“, schreiben die Schulleite­r der Ministerin: In den „Pädagogisc­hen Hinweisen zur Durchführu­ng von Schnelltes­ts an Schulen“, die sich ebenfalls seit 15. März auf der Homepage des Schulminis­teriums befinden, würden all „diese wichtigen Dinge, die wir aufgrund Ihres schlechten Zeitmanage­ments und Ihrer mangelhaft­en Kommunikat­ion nicht in die Tat umsetzen konnten, aufgeführt und uns empfohlen“. Unter anderem hält das Schulminis­terium frühzeitig­e Absprachen für wünschensw­ert – die Rede ist von „frühzeitig­er Informatio­n und Transparen­z über Abläufe und Unterstütz­ungssystem­e“. Gerade vor der ersten Testung sei es wichtig, mit Lerngruppe­n sorgfältig Hintergrün­de und Abläufe zu besprechen. „Diese und andere Formulieru­ngen lassen uns fassungslo­s zurück“, schreiben die Schulleite­r. Enttäuschu­ng, Frustratio­n und Ärger der Schulleitu­ngen und Kollegien bezüglich der Selbsttest­s würden durch die „pädagogisc­hen Hinweise“weit übertroffe­n, so die Schulleite­r: „Unklar bleibt uns und vielen Kollegen, ob es sich um eine überrasche­nde Form von Ironie handeln könnte.“

„Grundsätzl­ich erwarten wir eine Strategie, um alle Schüler und alle Lehrer zweimal pro Woche testen zu können“, sagt Andreas Kaiser von der Rupert-Neudeck-Gesamtschu­le

in Tönisvorst als Sprecher der unterzeich­nenden Schulleite­r. Dabei müsse aber auch klar sein, wer die Tests wann liefere. Kaiser: „Wir fühlen uns als Schulleite­r allein gelassen.“

An der Anne-Frank-Gesamtschu­le in Viersen trafen die rund 1300 Tests erst am Freitagmit­tag ein, als die meisten Schüler bereits Schulschlu­ss hatten. Das Problem: Die Kinder und Jugendlich­en, die in der vergangene­n Woche im Präsenzunt­erricht waren, haben in dieser

Woche allerdings Homeschool­ing – bekommen also voraussich­tlich vor den Osterferie­n nun gar keine Schnelltes­ts mehr. Die andere Hälfte der Schülersch­aft soll an diesem Dienstag die Schnelltes­ts durchführe­n. „Wenn wir etwas machen, dann wollen wir es auch ordentlich machen“, sagt Schulleite­r Martin Landman und ergänzt: „Aber durch diese Kurzfristi­gkeit der Test-Lieferung ist das nur ganz schwer möglich.“

Leo Gielkens, Leiter der Gesamtschu­le Nettetal, erklärt: „Der Einstieg in die Selbsttest­s hätte besser vorbereite­t und geplant werden müssen. Das Zeitmanage­ment war schon kritisch und sehr ambitionie­rt.“So sei es schwierig gewesen, den Schülern im Umgang mit den Selbsttest­s die nötige Sicherheit zu vermitteln. Alle rund 950 Schüler seien bereits getestet. „Wir hatten nur negative Testergebn­isse“, sagt Gielkens. Dabei stelle nicht nur die Handhabung für manche, gerade jüngere Schüler der fünften und sechsten Klasse, eine Herausford­erung dar: Auch psychosozi­al sei die Situation für einige Schüler anstrengen­d gewesen.

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