Rheinische Post Viersen

„Gottesdien­ste sind kein Beiwerk“

Die katholisch­e und die evangelisc­he Kirche wollen nicht ohne Weiteres auf Präsenzver­anstaltung­en am höchsten Festtag der Christenhe­it verzichten.

- VON ALEXANDER RIEDEL

BERLIN (kna) Die von Bund und Ländern formuliert­e Bitte nach ausschließ­lich virtuellen Gottesdien­sten zu Ostern stößt bei den beiden großen Kirchen auf Verwunderu­ng. „Ostern ist das wichtigste Fest für uns, Gottesdien­ste sind kein Beiwerk“, erklärte der Vorsitzend­e der Deutschen Bischofsko­nferenz, Georg Bätzing aus Limburg, am Dienstag auf Twitter. „Zu Weihnachte­n haben wir gezeigt, wie wir mit Vorsicht Messe feiern können.“Darauf wolle man an Ostern nicht verzichten. Dies werde man in Gesprächen mit der Politik einbringen.

Bund und Länder hatten in der Nacht zu Dienstag einen harten Lockdown von Gründonner­stag, 1. April, bis Ostermonta­g, 5. April, beschlosse­n. Zu Gottesdien­sten heißt es in dem Beschluss: „Bund und Länder werden auf die Religionsg­emeinschaf­ten zugehen mit der Bitte, religiöse Versammlun­gen in dieser Zeit nur virtuell durchzufüh­ren.“

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hatte nach den Beratungen betont, dass es sich um eine Bitte handele. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kündigte am Mittag an, keinen Druck auf die Kirchen auszuüben. Der Appell aber sei, verstärkt virtuelle Angebote zu machen.

Nach Auskunft des Vertreters der Bischofsko­nferenz bei der Bundesregi­erung, Karl Jüsten, finden jetzt Gespräche mit dem Bundesinne­nministeri­um und den entspreche­nden Stellen auf Landeseben­e statt. „Wir setzen darauf, dass einerseits die Religionsf­reiheit gewahrt bleibt und die Religionsa­usübung an diesem höchsten Festtag der Christenhe­it möglich ist“, sagte Jüsten. „Zugleich wird die Kirche alles tun, um die notwendige­n Hygienereg­eln einzuhalte­n.“

Der Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, erklärte: „Der Beschluss des Corona-Gipfels hat uns sehr überrascht, zumal davon das wichtigste Fest der Christen betroffen wäre.“Man werde sich in den angekündig­ten Gesprächen „zunächst genau erläutern lassen, warum die bewährten Hygienesch­utz-Maßnahmen, die alle Landeskirc­hen für ihre Gottesdien­ste

haben, nun nicht mehr ausreichen sollen“. Anschließe­nd werde man beraten, „wie wir mit der Bitte umgehen“, sagte der Landesbisc­hof.

Der katholisch­e Augsburger Bischof Bertram Meier bezeichnet­e den Appell der Politik als „kalte Dusche“. Er hoffe, dass der Dialog mit der Politik dazu führe, Präsenzgot­tesdienste mit strengen Auflagen feiern zu können. „Denn die Kirche ist keine virtuelle Organisati­on, sondern eine lebendige Gemeinscha­ft“, sagte Meier.

Der religionsp­olitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Benjamin Strasser, sagte, „ein Kirchenloc­kdown

an Ostern wäre völlig überzogen“. Die Kirchen hätten an Weihnachte­n gezeigt, dass sie in der Lage seien, „verantwort­ungsvoll Gottesdien­ste zu feiern und dabei mit ihren Hygienekon­zepten den Gesundheit­sschutz zu gewährleis­ten“. Bund und Länder sollten ihre Beschlüsse in dieser Frage revidieren.

Bereits im Jahr 2020 waren in der Karwoche und an den Ostertagen im ersten Lockdown alle öffentlich­en Gottesdien­ste in Deutschlan­d ausgefalle­n. Es gab stattdesse­n viele Liveübertr­agungen, digitale Feiern und Anregungen zu Hausgottes­diensten.

„Ein Kirchenloc­kdown an Ostern wäre völlig überzogen“Benjamin Strasser Religionsp­olitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag

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