Rheinische Post Viersen

Hambacher Forst kann Staatswald werden

Die Leitentsch­eidung zur Braunkohle gibt den fünf Garzweiler-Dörfern eine neue Chance. Trotzdem demonstrie­rt Greenpeace.

- VON ANTJE HÖNING UND CHRISTOS PASVANTIS FOTO: HENNING KAISER/DPA

DÜSSELDORF Der Hambacher Forst war für Umweltakti­visten jahrelang das Symbol im Kampf gegen die Kohle. Nun bleibt er erhalten. Trotzdem zog Greenpeace am Dienstag vor die Staatskanz­lei in Düsseldorf und entrollte auf dem Vordach ein Transparen­t: „Armin Laschet will Klima und Dörfer zerstören!“Wenige Stunden später erklärte NRW-Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart (FDP), was alles in der Leitentsch­eidung zur Braunkohle steht – und ließ wenig von dem Vorwurf der Aktivisten übrig. Denn der Ausstieg aus der Kohleverst­romung bis spätestens 2038 und die frühzeitig­e Schließung der Tagebaue Inden und Hambach hat weitreiche­nde Folgen.

RWE hat bereits zugesagt, den Hambacher Forst zu erhalten. Laut Pinkwart können durch den früheren Kohleausst­ieg insgesamt 650 Hektar Wald stehenblei­ben, von denen der Hambacher Forst ein Drittel ausmacht. Auch der ökologisch wichtigere Merzeniche­r Erbwald bleibt stehen. Umweltschü­tzer werfen dem Konzern aber vor, dass er dem Hambacher Forst das Wasser abgrabe, weil der Tagebau bis auf 50 Meter an den Forst heranrücke. Pinkwart wies das zurück: „Die Bäume leben nicht vom Grundwasse­r, sondern vom Niederschl­agswasser“, deshalb sei die 50-Meter-Grenze kein Problem. Derzeit gehört der Forst noch RWE. Doch Land und Konzern reden bereits über einen Verkauf. „NRW kann sich vorstellen, dass der Hambacher Forst Staatswald wird. Wir führen Gespräche dazu“, so Pinkwart. Dennoch sind die Grünen unzufriede­n: „Laschet hat eine große Chance zur Befriedung des Konflikts um die Braunkohle wieder einmal verschenkt. Die seit Jahren geforderte Einbettung des Hambacher Waldes in einen Biotopverb­und sucht man genauso vergebens wie größere Abstände für die Ortschafte­n zum Tagebauran­d“, kritisiert­e Oliver Krischer, Vizechef der Grünen-Bundestags­fraktion. Pinkwart sagte hingegen, der Tagebau dürfe nun nur noch auf 500 Meter an die Dörfer heranrücke­n. Das sei weit mehr als bisher, zunächst sollte der Tagebau teilweise auf 120 Meter herankomme­n.

Seit der Forst gerettet ist, kämpfen die Umweltakti­visten für den Erhalt der fünf Erkelenzer Ortschafte­n Keyenberg, Kuckum, Berverath, Unter- und Oberwestri­ch. Doch auch hier nimmt das Land ihnen den Wind aus den Segeln. Denn es zwingt RWE, das Garzweiler-Gelände

anders als geplant abzubagger­n. „Wir geben vor, dass im Tagebau Garzweiler zunächst im Süden der Abbau unter den fast vollständi­g umgesiedel­ten Dörfern Immerath und Lützerath fortzusetz­en ist“, sagte Pinkwart. Die Frage, ob auch die fünf Garzweiler-Dörfer benötigt werden, stelle sich damit erst 2026. Zwar seien bereits mehr als 50 Prozent der Dörfer umgesiedel­t, doch die verblieben­en Bürger könnten abwarten, ob sie das Umsiedlung­sangebot

von RWE annehmen, sagte der Minister. „Die Bürger können das sogar bis 2028 entscheide­n“, so Pinkwart. Er versichert­e, die Dörfer würden nur abgebagger­t, wenn man die unter ihnen liegende Braunkohle brauche. Nur für die Gewinnung von Abraum, der für die Rekultivie­rung der Tagebau-Seen nötig ist, müssten die Dörfer nicht weichen.

In Erkelenz verursacht die Leitentsch­eidung gemischte Gefühle. „Es bleibt ein Fünkchen Hoffnung“,

sagte Bürgermeis­ter Stephan Muckel bezogen auf die geplante Revision im Jahr 2026. „Bei denen, die bereits umgesiedel­t sind, wird die Leitentsch­eidung ein gewisses Magengrumm­eln auslösen. Es beflügelt aber diejenigen, die weiter kämpfen wollen.“

Pinkwart sprach indes von einer guten Entscheidu­ng für Klimaschut­z und Region. Die Leitentsch­eidung der rot-grünen Vorgängerr­egierung habe eine Einsparung von nur 400 Millionen Tonnen CO2 bedeutet. Die schwarz-gelbe Leitentsch­eidung bedeutet nun 1200 Millionen Tonnen zusätzlich­e CO2-Einsparung. Nordrhein-Westfalen trage bis Ende der 2020er-Jahre zwei Drittel der Lasten des deutschen Ausstiegs.

 ??  ?? Aktivisten von Greenpeace stehen am Dienstag auf dem Vordach der Staatskanz­lei in Düsseldorf. Ihnen geht der Kohleausst­ieg zu langsam.
Aktivisten von Greenpeace stehen am Dienstag auf dem Vordach der Staatskanz­lei in Düsseldorf. Ihnen geht der Kohleausst­ieg zu langsam.

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