Die Bedeutung der Freiheit
Das Pessach-Fest beginnt – in einer Zeit, da wir uns eher wie Sklaven fühlen.
An diesem Abend beginnt bei uns Pessach, das Fest, an dem wir uns an den Auszug aus Ägypten erinnern. Am Sederabend trifft sich normalerweise die ganze Familie (im weiteren und weitesten Sinne) zu einem ausgedehnten Abendessen und liest gemeinsam aus der Haggada, der Geschichte des Exodus. Normalerweise – denn was ist schon normal in Zeiten von Corona? Dieses Jahr, wie bereits letztes Jahr, werden viele nur im kleinen oder ganz kleinen Kreis feiern können, mancher sogar alleine. Das ist unheimlich schwierig. Der Mensch braucht andere Menschen um sich herum, mit denen er sich austauschen kann, die für einen da sind und denen er natürlich ebenso hilft und um die er sich kümmert, wenn es notwendig ist. Wir leben und agieren in Verbindung mit unseren Mitmenschen. Einsamkeit kann verheerende Folgen haben, das stellen bereits unsere Weisen im Talmud fest. In einer Geschichte (in Taanit 23a) heißt es, dass sogar jemand an Vereinsamung starb. Der Mensch ist eben ein soziales Wesen.
Die Pandemie hat größere Auswirkungen, als wir uns das vor einem Jahr gedacht hätten. Vor allem die Machtlosigkeit und die Einschränkungen fallen uns schwer. Pessach ist das Fest der Freiheit, doch dieses Jahr fühlen wir uns eher wie die Sklaven in Ägypten. Corona lehrt uns: Wir brauchen mehr Vertrauen und den Glauben daran, dass wir uns auf Gott verlassen können. In der Pessach-Geschichte heißt es, dass wir uns in jeder Generation vorstellen sollen, wir seien selbst aus Ägypten gezogen. Normalerweise halten wir unsere Freiheit für selbstverständlich. Dieses Jahr verstehen wir, dass das nicht so ist, doch wie Gott unsere Vorfahren befreit hat, werden auch wir durch diese Pandemie kommen. Bis dahin sollten wir erkennen, was Gott uns jeden Tag gibt, wie viele Möglichkeiten wir trotz allem haben. Lassen Sie uns – auch wenn es schwerfällt – gemeinsam aushalten und das Beste aus dem machen, was uns gegeben wird, im Vertrauen auf Gott und unsere Mitmenschen.
Unser Autor ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz. Er wechselt sich hier mit der Benediktinerin Philippa Rath, der evangelischen Pfarrerin Friederike Lambrich und dem Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide ab.