Die Namen von Winterberg, Köln, Aachen und Warendorf sind als Modellstädte für Öffnungen im Gespräch. Auch Konzepte für den Tourismus werden geprüft.
DÜSSELDORF Die Landesregierung hat scharf dementiert, dass bereits mehrere Modellstädte und -kreise für Öffnungsschritte mithilfe einer Testung und digitalen Kontaktnachverfolgung ausgesucht worden seien. Am Donnerstag hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Oliver Kehrl bei einer Plenardebatte gesagt, Köln sei als größte Stadt des Landes dabei. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“hatte zudem unter Berufung auf Regierungskreise auch Winterberg, den Kreis Warendorf und Aachen genannt. Ein Sprecher der Städteregion Aachen erklärte, die Region sei noch nicht ausgewählt. Man wisse von nichts, die Landesregierung habe erklärt, dass nicht vor Ostern entschieden werde.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds NRW, Christof Sommer, nannte den Vorgang im Gespräch mit unserer Redaktion irritierend: „Sollte tatsächlich eine Vorfestlegung stattgefunden haben, wäre das fatal.“Die Landesregierung bemühte sich am Freitag, den Eindruck zu zerstreuen. „Es ist überhaupt keine Entscheidung gefallen“, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). „Das ist Quatsch.“Unter Federführung des Wirtschaftsministeriums arbeiteten die Staatskanzlei und sein Haus daran, die offenen Fragen in den kommenden Tagen zu klären. „Und dann wird auch beschrieben, in welcher Region welches Modell mit welcher Zielsetzung stattfindet.“
Viele Kommunen wollen teilnehmen, darunter auch Winterberg. Die 13.000-Einwohner-Stadt sieht sich mit ihrem Testzentrum im Rathaus und fünf weiteren Teststellen in Hausarztpraxen gut vorbereitet. Offenbar hat es zumindest mehrere Gespräche zwischen NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) und Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann zu dem Thema gegeben. Auf der Website der Stadt wird erwähnt, dass beide die Möglichkeit besprochen hätten, „die Ferienregion Winterberg-Hallenberg als Modell-Destination für eine verantwortungsvolle touristische Öffnung in Corona-Zeiten zu etablieren“. Dafür hat Winterberg ein Konzept erarbeitet, das die Stadt hoffnungsvoll „Pinkwart-Papier“nennt.
Kommunalvertreter Sommer begrüßte das Pilotprojekt als grundsätzlich gut: „Es ist völlig in Ordnung, dass man versucht, aus den starren Regelungen herauszukommen“, sagte er. Es gehe darum, gute Lösungen zu entwickeln, von denen alle profitierten. „Das ist in einer Modellkommune besser möglich als über eine landesweite Entscheidung, die sich später als falsch herausstellt.“Sommer äußerte die Hoffnung, dass nicht nur Großstädte dabei seien. „Ländliche Regionen ticken nämlich anders. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch einzelne Städte und Gemeinden dabei sind und nicht automatisch ganze Kreise.“Der Städteund Gemeindebund NRW rechnet mit fünf bis sechs Modellregionen. „Wer den Zuschlag bekommt, wird eine Menge Arbeit bekommen. Deswegen sollte sich das jede Kommune gut überlegen“, warnte Sommer. „Klar ist aber: Der Einsatz kann sich lohnen.“
Der Hauptgeschäftsführer wies auch auf Gefahren des Projekts hin: „Das Risiko ist der Tourismus. Shoppen in Köln, weil man es im Rest der Republik nicht darf – das kann die Zahlen schnell in die Höhe treiben.“Man werde es nicht verhindern können, dass Menschen aus anderen Regionen die Möglichkeit nutzen. „Ein Modellversuch muss immer die goldene Mitte finden zwischen Innovationsfreude und Verantwortungsbewusstsein. Das wird nicht leicht. Wir müssen aber sicherstellen, dass wir mit Modellversuchen keine Superspreader-Events bekommen.“Trotzdem halte er es für richtig, dass man das jetzt gezielt an einigen Stellen ausprobiere, so Sommer. Für den Mobilitätsforscher Kai Nagel steht und fällt die effektive Pandemiebekämpfung mit der richtigen Teststrategie. Danach können flächendeckende Schnelltests die Verbreitung des Virus eindämmen, wenn „Personen bei einem positiven Ergebnis sofort in Quarantäne gehen und das Ergebnis des notwendigen PCR-Tests abwarten“. Das ließe sich auf den Modellversuch übertragen.
Das Wirtschaftsministerium erklärte zudem, die Entscheidung für das Digitalsystem Iris bei der Kontaktverfolgung sei keine Entscheidung gegen die Luca-App. „Iris ist als Gateway zwischen den Kontaktnachverfolgungsapps und dem Programm Sormas der Gesundheitsbehörden gedacht“, sagte eine Sprecherin. Damit könne man Luca oder andere Apps zur Kontaktverfolgung verwenden. Das Programm des Innovationsverbunds öffentliche Gesundheit sei die einheitliche Schnittstelle: „Es ist festgelegt, dass wir Iris einsetzen werden.“