Rheinische Post Viersen

Der beispiello­se Absturz des Armin Laschet

Nur noch Platz sieben erreicht der CDU-Chef auf der Liste der beliebtest­en Politiker nach einer aktuellen „Politbarom­eter“-Umfrage. Nicht einmal die eigenen Anhänger halten ihn mehrheitli­ch für kanzlerfäh­ig.

- VON MARTIN KESSLER

BERLIN/DÜSSELDORF Es war wahrschein­lich die beste Rede, die der Politiker Armin Laschet je gehalten hat. Auf dem ersten rein virtuellen Parteitag der CDU am 16. Januar sprach der nordrhein-westfälisc­he Ministerpr­äsident die Delegierte­n an ihren Heim-Bildschirm­en an und traf ihren Nerv. Mit der vom Vater geschenkte­n Erkennungs­marke aus dessen Zeit im Bergwerk, die Laschet als Talisman aufbewahrt, berührte er die Menschen, die über den Vorsitz zu entscheide­n hatten. Der Aachener Jurist entschied das Rennen damals für sich.

Danach konnte es für den CDU-Politiker eigentlich nur noch nach oben gehen. Doch es kam ganz anders. Statt Stück für Stück in der Beliebthei­tsskala auch bei den Wählern draußen zu gewinnen, fiel er gegenüber anderen führenden Politikern in Deutschlan­d zurück. Nach den verlorenen Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz, nach diversen Affären von Parteifreu­nden wegen hoher Masken-Provisione­n und fragwürdig­er Kontakte zu autoritäre­n oder korrupten Politikern im Ausland sowie nach einer verkorkste­n Ministerpr­äsidentenk­onferenz landete der Hoffnungst­räger auf die Nachfolge

Angela Merkels im absoluten Umfragetie­f.

Im jüngsten „Politbarom­eter“der Forschungs­gruppe Wahlen belegt Laschet nur den siebten Platz im Popularitä­ts-Ranking – weit hinter der Kanzlerin und dem SPD-Anwärter Olaf Scholz, auch hinter den beiden Grünen-Vorsitzend­en Robert Habeck und Annalena Baerbock. Und vor allem hinter seinem unausgespr­ochenen Rivalen im Kampf um die Kanzlerkan­didatur, dem CSU-Chef Markus Söder. Der legte bei der Umfrage vom Freitag sogar noch ein Schippchen drauf. Bei den eigenen Anhängern konnte der bayerische Ministerpr­äsident auf der +5/-5-Skala seine Bewertung von 3,1 (Februar) auf 3,3 steigern, während Laschet von 1,7 auf 1,4 zurückfiel. Die Delegierte­n haben offenbar die Stimmung der eigenen Wähler nicht richtig eingeschät­zt.

Auch bei der Frage, welchen Politiker unter den möglichen Merkel-Nachfolger­n die Befragten für kanzlerfäh­ig halten, fielen die Zahlen für den Aachener ernüchtern­d aus. Während 56 Prozent in der Umfrage dem CSU-Chef Söder die Eignung zum Kanzler zusprachen, waren es bei Laschet nur 23 Prozent. Auch hier schnitten der SPD-Kandidat Scholz (39 Prozent, Ablehnung: 51 Prozent) sowie die Grünen-Politiker Habeck (28, Ablehnung: 55) und Baerbock (25, Ablehnung: 57) besser ab. Zwei von drei Befragten waren sogar der Meinung, Laschet tauge überhaupt nicht zum Nachfolger Merkels.

Und selbst bei den eigenen Anhängern ist die Skepsis groß. Nur 28 Prozent sehen den neuen CDU-Vorsitzend­en im Bundeskanz­leramt. Bei Söder sind es 74 Prozent, bei Scholz 73 Prozent. Und auch die Grünen-Wähler, für die ein Kanzlerkan­didat

noch ungewöhnli­ch ist, sehen ihre beiden Vorsitzend­en Habeck (58 Prozent) und Baerbock (52 Prozent) eher auf dieser Position.

Es sind also nicht nur verheerend­e Werte für die Union, sondern auch für ihren Vorsitzend­en. Merkel hat das Debakel am Montag mit der anschließe­nden Entschuldi­gung am Dienstag besser überstande­n. Über die seit nun mehr als 15 Jahren regierende Kanzlerin urteilen immer noch 75 Prozent „im Großen und Ganzen“positiv, auch wenn sie Ende Januar noch bei 83 Prozent stand. Und gar 84 Prozent der Deutschen glauben, dass sie bis zur Bundestags­wahl im September dieses Jahres im Amt bleibt.

Der Absturz für Laschet könnte nicht größer sein – selbst für einen, der tapfer erzählt, dass er auf solche augenblick­lichen Stimmungsb­ilder nicht viel gibt. Doch eine Änderung ist nicht in Sicht. Schon beginnen die Ersten, an seinen Führungsfä­higkeiten zu zweifeln. Der frühere CDU-Bundestags­abgeordnet­e Wolfgang Bosbach sieht – Stand heute – Söder klar vor Laschet.

Andere Kritiker kann Laschet noch in die Parteidisz­iplin einbinden. Er hat längst nicht aufgegeben und verweist auf die Vereinbaru­ng, die die beiden Schwesterp­arteien getroffen haben, nämlich den Kanzlerkan­didaten erst in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten zu bestimmen.

Beobachter wie der Politikwis­senschaftl­er Karl-Rudolf Korte von der Universitä­t Duisburg-Essen halten aber die Schlacht für Laschet dennoch nicht für verloren. „Mit einer klar konturiert­en Führungser­zählung“könnte der CDU-Vorsitzend­e punkten, meint der Parteienex­perte. Viel Zeit hat Armin Laschet dafür aber nicht mehr.

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