RKI warnt vor 100.000 Fällen täglich
Trotz monatelanger Schließungen lässt sich das Coronavirus nicht eindämmen.
BERLIN Angesichts der starken Verbreitung der Virusmutationen und einer Debatte um weitere Öffnungsmaßnahmen nach Ostern hat der Chef des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, vor einem dramatischen Anstieg der Infektionszahlen gewarnt. „Uns stehen sehr schwere Wochen bevor“, sagte Wieler am Freitag in Berlin. Deutschland stehe am Anfang der dritten Welle, die schlimmer als die ersten beiden sein werde. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Fallzahlen stark steigen.“Von der Mutante B.1.1.7 seien besonders Berufstätige, Kinder und Jugendliche betroffen. Ansteckungen gebe es vor allem in privaten Haushalten, aber auch in Kitas, Schulen und am Arbeitsplatz. Wieler warnt eindringlich vor einem drastischen Anstieg der Neuinfektionen: „Klar, das können dann auch 100.000 pro Tag werden“, sagt er.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äußerte die Sorge vor steigenden Fallzahlen und forderte die Bevölkerung auf, an Ostern von Reisen abzusehen. Dieses Osterfest sei noch nicht wieder so zu gestalten wie gewohnt, sagte Spahn. Deutschland sei wahrscheinlich „im letzten Teil dieses Pandemie-Marathons“angekommen – und da wirke nicht selten „jeder weitere Schritt wie eine Tortur“.
Spahn sagte, momentan stiegen die Infektionszahlen zu schnell, und die ansteckenderen Virusvarianten machten die Lage besonders gefährlich. „Wenn das so ungebremst weitergeht, laufen wir Gefahr, dass unser Gesundheitssystem im Laufe des April an seine Belastungsgrenzen kommt.“Das bestätigten Experten aus den Krankenhäusern. Christian
Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (Divi), sagte unserer Redaktion: „Wir stehen erst am Anfang eines massiven Anstiegs von Intensivpatienten.“Auch er sieht die Gefahr drastisch ansteigender Infektionszahlen. „Wenn jetzt keine Maßnahmen für einen bundesweiten harten Lockdown von zwei Wochen ergriffen werden, müssen wir bald wieder mit einer historischen Spitzenbelastung der Intensivstationen mit Covid-19 rechnen“, sagte er. „Ich bitte die Politik, das Krankenhauspersonal nicht im Stich zu lassen.“Karagiannidis forderte einen klaren Schritt: „Die Beschlüsse für Modellprojekte nach Ostern sind völlig unpassend und müssen von Bund und Ländern sofort zurückgenommen werden. Es braucht eine Mischung aus hartem Lockdown, vielen Impfungen und Tests. Nur so lässt sich ein Überlaufen der Intensivstationen noch verhindern.“
Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, dass die Bundesregierung weiterhin ein Verbot von Reisen ins Ausland prüfe, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.