Das große Loch bei der Commerzbank
Der Rückzug des Ex-HSBC-Bankers Andreas Schmitz aus dem Aufsichtsrat hat viele überrascht. Dass der Bund wegen einer möglichen Cum-Ex-Verstrickung Druck gemacht haben soll, ist fraglich. Ermittelt wird immerhin schon seit 2016.
FRANKFURT Eine Bank, bei der binnen eines Jahres gleich drei Personen nacheinander den Aufsichtsrat führen, hat Seltenheitswert. Erst recht, wenn als geeignet eingestufte Kandidaten ihr dann noch von der Fahne gehen, wie das jetzt bei der Commerzbank passiert ist. Der Rückzug des früheren HSBC-DeutschlandChefs Andreas Schmitz aus dem Kontrollgremium des Frankfurter Geldhauses kam für viele überraschend. Der 61-Jährige galt bis Mittwoch als einer der Kandidaten für die Nachfolge von Hans-Jörg Vetter, der vor knapp zwei Wochen das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hatte. Und jetzt will Schmitz nicht mal mehr einfaches Mitglied sein und hat sein sofortiges Ausscheiden bekanntgegeben.
Die Begleitumstände der Demission wirken merkwürdig. Insbesondere mit Blick auf die Rolle des
Bundes, der ja Großaktionär der Commerzbank ist und als solcher zwei Vertreter im Aufsichtsrat hat: Jutta Dönges, Geschäftsführerin der Finanzagentur, die unter anderem für das Schuldenmanagement des Bundes zuständig ist, und Frank Czichowski von der staatlichen Förderbank KfW. Angeblich kam ein Hinweis auf Schmitz’ ungeklärte Rolle im Cum-Ex-Skandal vom Bund. Aber wieso hat vorher niemand etwas gesagt, noch im alten Jahr, als klar wurde, dass Schmitz mit Jahresbeginn Mitglied im Aufsichtsrat werden würde?
Ermittelt wird seit 2016 gegen HSBC Deutschland. Aber auch gegen Schmitz selbst laufen seit geraumer Zeit Ermittlungen. Als HSBC-Deutschland-Chef hat er die strittigen Steuererklärungen für die Jahre 2005 bis 2011 mit unterschrieben. Schmitz, so heißt es in Bankenkreisen, habe alle Beteiligten frühzeitig auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn hingewiesen. Alle Beteiligten, das sind der Aufsichtsrat der Bank, die Bundesbank, die Finanzaufsichtsbehörde Bafin und die Europäische Zentralbank, die ihm noch am Mittwoch so etwas wie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt haben soll, was seine Eignung für den Chefposten im Commerzbank-Aufsichtsrat angeht.
Warum der Bund sich also gewehrt haben könnte, bleibt bis hierhin offen. Das Bundesfinanzministerium verweist „auf interne Angelegenheiten des Aufsichtsrates“, die das Ministerium nicht kommentieren wolle. Auch Schmitz äußert sich nicht. Im politischen Berlin wird darüber spekuliert, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wolle unliebsamen Fragen unter anderem im Hamburger Cum-Ex-Untersuchungsausschuss aus dem Wege gehen, nachdem er im Fall Wirecard schon unangenehme Situationen erlebt hat. Fragen wie jene, warum ausgerechnet der Bund bei der Commerzbank nichts dagegen unternehme, dass ein Cum-Ex-Verdächtiger an die Spitze des Aufsichtsrats rücke. Ob diese Gefahr wirklich gravierend gewesen wäre, sei dahingestellt, weil Schmitz dem Vernehmen nach zumindest für eine Dauerlösung als Aufsichtsratschef absagte und erklärt haben soll, dies passe nicht zu seiner persönlichen Lebensplanung. Und ob Scholz in Hamburg überhaupt noch vor der Bundestagswahl aussagen muss, ist auch offen. Darauf dringen vornehmlich die Oppositionsparteien im Senat. Von sich aus wird das der SPD-Kanzlerkandidat kaum tun.
Bei der Commerzbank herrscht durch den Abgang des Mitfavoriten Schmitz jedenfalls Not. Die Bank musste ihre für den 5. Mai geplante Hauptversammlung verschieben, weil nicht klar war, wer das Aktionärstreffen leiten sollte. Auch Günter Bräunig, Vorstandschef der bundeseigenen Förderbank KfW, hat abgesagt.