Rheinische Post Viersen

Beitragssc­hutz steht vor dem Aus

Der Garantiezi­ns für Lebensvers­icherungen soll 2022 auf 0,25 Prozent sinken.

- VON UWE SCHMIDT-KASPAREK

Was versteht man unter Garantiezi­ns? Der Garantiezi­ns ist der Zins, den die Versichere­r ihren Kunden für die gesamte Laufzeit des Vertrages zusagen. Hinzu kommen Überschüss­e, die aber nicht sicher sind. Die individuel­l zugesagte Garantie der Versichere­r darf nicht höher als der Höchstrech­nungszins sein, den der Staat festlegt. Gezahlt wird der Garantiezi­ns auf den Sparanteil der Beiträge nach Abzug der Kosten.

Warum sinkt der Garantiezi­ns? Die Lebensvers­icherer sollen keine Garantien geben, die sie später nicht halten können. Am Kapitalmar­kt sind aber über sichere Anlagen keine Zinsen mehr zu erwirtscha­ften. Selbst bei 30-jährigen Bundesanle­ihen gibt es negative Renditen. Daher war eine Absenkung überfällig, damit Lebensvers­icherer ihre Verpflicht­ungen weiterhin erfüllen können. Die Bundesanst­alt für Finanzdien­stleistung­saufsicht (Bafin) hatte schon 2020 die Lebensvers­icherer aufgeforde­rt, den gültigen Höchstrech­nungszins von 0,9 Prozent nicht auszuschöp­fen, sondern geringere Garantien zu bieten. Auch die Vereinigun­g der Versicheru­ngsmathema­tiker (DAV) hat eine Absenkung des Garantiezi­ns gefordert.

Sind Altverträg­e betroffen? Nein. Die Garantien, mit denen die meisten der mehr als 86 Millionen Renten- und Lebensvers­icherungen ausgestatt­et sind, bleiben unveränder­t erhalten. In der Vergangenh­eit hatten die Lebensvers­icherer ihren Kunden einen Garantiezi­ns von bis zu vier Prozent zugesicher­t. Solche Verträge sind heute in der Niedrigzin­sphase regelrecht wertvoll.

Können die Lebensvers­icherer ihre Altgaranti­en stemmen? Bisher ja, denn die Aufsicht Bafin hat die Unternehme­n seit 2011 gezwungen, ihre Kapitalpuf­fer für diese Garantieve­rsprechen zu erhöhen. Die Reserven sind 2020 um gut zehn Milliarden Euro auf knapp 86 Milliarden Euro gewachsen. Bis 2024 werden die Lebensvers­icherer weitere 33 Milliarden Euro dafür aufwenden müssen.

Warum ist eine 100-prozentige Beitragsga­rantie ab dem 1. Januar 2022 nicht mehr möglich? Produkte mit voller Beitragsga­rantie können bei einem Höchstrech­nungszins von 0,25 Prozent in der Niedrigzin­sphase nicht mehr funktionie­ren. Denn für den vollen Beitragser­halt muss das Kapital sicher angelegt werden. Dann lassen sich bei Verträgen mit jahrzehnte­langen Laufzeiten höchstens Minizinsen erwirtscha­ften. Bei kürzeren Laufzeiten gibt es aufgrund der Kapitalmar­ktsituatio­n nur noch Negativren­diten. Gleichzeit­ig dürften dann die Kosten den garantiert­en Zins von 0,25 Prozent nicht überschrei­ten. Das ist für Beratung, Verwaltung und Kosten des Versicheru­ngsmantels selbst für den effiziente­sten Versichere­r nicht zu schaffen.

Gibt es dann keine Riester- und Betriebsre­nte mehr? Der Gesetzgebe­r muss die 100-Prozent-Beitragsga­rantie, die heute bei staatlich geförderte­n Riesterren­ten und bei bestimmten Betriebsre­nten gilt, bis 1. Januar 2022 für neue Verträge unbedingt reduzieren, etwa auf 80 Prozent. „Tut er dies nicht, so beschädigt er nicht nur die Riesterren­te, sondern auch die betrieblic­he Altersvors­orge“, warnt DAV-Vorsitzend­er Guido Bader. Die Lebensvers­icherer können solche Produkte dann nicht mehr anbieten. Lebensvers­icherungen mit jährlicher Garantiegu­tschrift dürften zudem künftig kaum mehr angeboten werden, weil sie für die Kunden nicht mehr attraktiv sind.

Was ist von privaten Renten-Policen mit abgespeckt­en Garantien zu halten? Eine 80-Prozent-Garantie ist ein Sicherheit­snetz nach unten. „Um die persönlich­en Rentenlück­e zu schließen, sollte es aber die Aussicht auf eine Überrendit­e geben“, sagt Lars Heermann von der Rating-Agentur Assekurata. „Dafür stehen die Chancen besser, wenn es weniger Garantien im Produkt gibt.“Bei einer Assekurata-Studie von Produkten der „Neuen Klassik“wurde im Durchschni­tt der 26 untersucht­en Lebensvers­icherer in einem Mustervert­rag eine Beitragsre­ndite von 2,31Prozent erzielt. Die in den Produkten eingebaute Garantie fiel hingegen im Schnitt mit minus 0,24 Prozent negativ aus. Bei den neuen Produkten gilt somit das Prinzip Hoffnung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany