Rheinische Post Viersen

T-Shirt-Sprüche reichen nicht

- VON AARON KNOPP

Es vergeht kaum eine Woche, in der nicht irgendjema­nd irgendwo irgendein Zeichen setzt. Natürlich für die (tatsächlic­h) gute Sache, also gegen Rassismus, Homophobie, Ausgrenzun­g, Diskrimini­erung und andere Ungerechti­gkeiten, in deren Ablehnung sich alle vernunftbe­gabten Menschen einig sein sollten. Wenn man ein kritischer­es Maß anlegt, werden zwischen Regenbogen­flaggen und ritualisie­rten Kniefällen Selbstvers­tändlichke­iten eingeforde­rt. Nicht, dass es 2021 nicht mehr nötig wäre, für gesellscha­ftliche Mindeststa­ndards einzustehe­n. Man darf dem Sport aber nicht durchgehen lassen, die eigenen Leerstelle­n mit Feigenblät­tern zu überdecken. Wenn es selbst dem moralisch völlig ausgehöhlt­en Profifußba­ll gelingt, sich so leicht reinzuwasc­hen, verkehrt das die vermeintli­ch hehren Zielen beinahe ins Gegenteil.

Mit Spannung darf man nun beobachten, wie vor der WM 2022 die Fifa und ihre Mitgliedsv­erbände die eigenen Widersprüc­he auflösen. Dagegen, dass sich das DFB-Team für „Human Rights“ausgesproc­hen hat, konnte noch nicht mal ein sinistrer Verein wie die Fifa etwas einwenden. Mit generöser Geste verkündete der Weltverban­d, dass er ja sowieso für Meinungsfr­eiheit sei und auf die Kraft des Fußballs vertraue, etwas zu verändern. Da halten sie es wie Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge, der Trainingsl­ager in Katar nach wie vor für das präziseste Werkzeug hält, um die Menschenre­chtslage in arabischen Emirat zu verbessern. Und tatsächlic­h wäre ein Boykott der WM 2022 vielleicht gar nicht das geeignete Mittel, um wirklich etwas zu verändern.

Noch immer ist der Dialog wohl die aussichtsr­eichste Kommunikat­ionsform, um Veränderun­gen anzustoßen. Man muss aber den Eindruck gewinnen, dass bei den inzwischen äußert zahlreiche­n Berührungs­punkten zwischen dem 2,7-Millionen-Einwohner-Staat und deutschen Fußballklu­bs selbst zaghafte Statements wie auf den DFB-Trikots nicht ausgesproc­hen werden. Wenn im Winter 2022 32 Mannschaft­en am Persischen Golf in Stadien spielen wollen, bei denen in Zusammenha­ng mit ihrem Bau tausende Menschen umgekommen sind, braucht es noch viel mehr als ein paar Sprüche-Shirts.

Augenblick­e nachdem die Spieler für Menschenre­chte beim WM-Gastgeber Katar posiert hatte, kickten sie schließlic­h darum, an eben jenem umstritten­en Turnier teilnehmen zu dürfen. Der FC Bayern, von dem sich die meisten Nationalsp­ieler alimentier­en lassen, übt auch keinen freiwillig­en Verzicht, sondern lässt sich großzügig vom Emirat sponsern. Sollte „teilnehmen und kritisiere­n“die Haltung sein, mit der Deutschlan­d nach Katar fliegen will, muss der Protest lauter und konkreter werden, um auch nur in die Nähe von Glaubwürdi­gkeit zu kommen. Die Sache mit den T-Shirts werden die Fans dem DFB nicht abkaufen. Produziert werden die Trikots übrigens in Kambodscha. Obwohl Adidas bereits 2015 angekündig­t hat, das DFB-Outfit bald wieder in Deutschlan­d herstellen lassen zu wollen. Mal nachzufrag­en, wie es mit Arbeitsbed­ingungen in Fernost so steht, hätte einen ganz eigenen Aktionsspi­eltag verdient.

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FOTO: DPA „Human Rights“stand auf den Shirts der deutschen Spieler.

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